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Voltaire an Olympe Dunoyer

Haag, 1713.

Ich bin hier Gefangner im Namen des Königs; man kann mir wohl das Leben nehmen, nicht aber die Liebe, die ich für Sie hege. Ja, meine anbetungswürdige Herrin, heute abend sehe ich Sie, und sollte ich den Kopf aufs Schafott tragen. Um Gottes willen, sprechen Sie nicht in so verhängnisvollen Ausdrücken zu mir, wie Sie mir schreiben; Sie sollen leben und vorsichtig sein; hüten Sie sich vor Ihrer Frau Mutter wie vor Ihrem schlimmsten Feinde. Was sage ich? Hüten Sie sich vor jedermann, trauen Sie niemand; halten Sie sich fertig, sobald der Mond sichtbar wird; ich werde das Hotel inkognito verlassen, einen Wagen oder eine Chaise nehmen, wir werden wie der Wind nach Scheveningen fahren; ich werde Papier und Tinte mitbringen; wir werden unsere Briefe schreiben. Wenn Sie mich lieben, so trösten Sie sich, und rufen Sie all Ihre Kraft und Geistesgegenwart zusammen; lassen Sie sich von Ihrer Frau Mutter nichts anmerken, versuchen Sie, Ihr Bild zu haben, und rechnen Sie darauf, daß die Drohung der fürchterlichsten Qualen mich nicht verhindern wird, Ihnen zu dienen. Nein, nichts ist imstande, mich von Ihnen zu lösen: unsere Liebe ist auf Tugend gegründet und wird solange dauern wie unser Leben ... Adieu, es gibt nichts, dem ich mich nicht für Sie aussetzte: Sie verdienen noch viel mehr. Adieu, mein liebes Herz!

Arouet.

*


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