Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Talma an Prinzessin Pauline Bonaparte

[1812.]

Ach, meine Freundin, wieviel Schmerz hat mir Ihr Brief gebracht! Doch bin ich dankbar gerührt, daß Sie Sorge getragen haben, mir zu schreiben. Ferrand, von dem ich seit Monaten keine Nachricht über Sie erhalten hatte, und Sie selbst, die Sie mich ein Vierteljahr lang ohne eine Zeile von Ihrer Hand ließen, sie machten mich aufs lebhafteste um Ihre Gesundheit besorgt, und ich sehe, teure Freundin, daß meine Furcht nicht ganz nichtig ist. Soviel Leiden waren also noch nicht genug, auch Ihre so zärtliche, gütige Seele mußte so traurige Schmerzen erleiden. Meine Freundin, ein jedes Wort in Ihrem Briefe hat mir das Herz zerrissen. O, meine Freundin, wenn Sie wüßten, welche Last mich seither erdrückt, wie ich von Ihrem Zustand und Ihrem Kummer gepeinigt bin! ...

Wenn ich an Sie und an alles, was Sie erleiden, denke, bin ich kaum imstande, Ihnen, meine Freundin, von all dem zu sprechen, was ich hier seit meiner Rückkehr zu erdulden hatte! Einige Zeitungen haben sich ein Vergnügen daraus gemacht, mich mit beispielloser Heftigkeit anzugreifen. Seit mehr als einem Monat halte ich die wütenden Beschimpfungen dieses Packs aus. Ich war nicht mehr fähig, meine Empörung zurückzuhalten, und habe einen von ihnen öffentlich angegriffen. Ich mußte Briefe schreiben, sie veröffentlichen, auf Angriffe wieder antworten. Paris hallt noch von all diesen schändlichen Hetzen wider. Zum Glück kam das Publikum immer in Scharen zu jeder meiner Vorstellungen und bezeugte mir durch einen fast rasenden Beifall sein ganzes Interesse für mich und seine Verachtung für meine feigen Gegner. Trotzdem, meine Freundin, macht dies alles das Leben in Paris nicht allzu angenehm. Ich will und kann nicht länger in einer Laufbahn verbleiben, in der mich die öffentliche Achtung und Gunst nicht vor solchen Beschimpfungen und vor Zeitungsstreitereien in ganz Europa beschützen können. Wer nicht in Paris lebt, kann sich nicht einmal alle diese schimpflichen Gänge erklären. Sie, meine Freundin, sind mein einziger Schutz; ich flüchte mich zu Ihrer Zärtlichkeit, um eine schon unerträgliche Lage aufzugeben. So wie die Dinge jetzt stehen, wäre es Einbildung, anzunehmen, daß mir mein jährliches Gehalt bewahrt bleibt. Wenn es gestrichen würde, befände ich mich angesichts der für das nächste Jahr von mir eingegangenen Verpflichtungen in großer Verlegenheit. Ein Freund bietet mir augenblicklich eine Gelegenheit, diesen Verlust nicht nur gutzumachen, sondern sogar den Grundstein zu meiner Unabhängigkeit zu legen. Es handelt sich um eine beträchtliche Beteiligung an einer der Lizenzen der Regierung für die Warenausfuhr nach England. Er hat soeben um eine von jenen Lizenzen angesucht, die durch den Herrn Grafen Saussy, den Minister für Handel und Gewerbe, erteilt werden; doch ist es nötig, daß sein Gesuch, obwohl es schon von anderer Seite unterstützt wird, noch, wenn möglich in höherem Maße, gefördert werde. Ich dachte, daß Sie mir diesen, für mich sehr bedeutenden Dienst nicht abschlagen würden. Es handelt sich also für Sie um die außerordentliche Güte, an den Handelsminister Herrn Grafen Saussy einen Brief zu richten, in dem Sie ihm den Herrn Maguerite junior, Kaufmann in Le Havre, sehr ans Herz legen und bemerken, daß Sie ein besonderes Interesse an dem günstigen Erfolg seines Gesuches haben. Sie können diesen Brief, je nachdem es Ihnen angemessen scheint, entweder an mich senden, wonach ich ihn durch Herrn Mazurie dem Minister überreichen werde, oder an den Minister direkt richten. Aber, meine Freundin, es ist dabei keine Zeit zu verlieren, denn die Arbeit ist fertig und wird unverzüglich zur Unterschrift vorgelegt werden. Vielleicht handle ich sehr unvornehm, meine Freundin, wenn ich Sie um diesen Dienst in einem Augenblick ersuche, in dem Sie sich nicht mit fremden Sorgen beladen können; aber, teure, zärtliche Freundin, an wen soll ich mich wenden, wenn nicht an die, die mir schon so viel Güte bezeigt hat, und der alles zu verdanken für mich so süß wäre.

Ach, meine Freundin, könnte doch dieses neue Jahr Ihrem Herzen Ruhe und für Ihre Schmerzen Erleichterung bringen! Nehmen Sie zu diesem Anlaß mit meinen zärtlichsten Glückwünschen noch ein ganz kleines Unterpfand seines Gefühls von einem Freunde an, der nur für Sie allein lebt. Ich wünsche, daß Sie es für wert genug halten, es zu tragen; die Aufschrift lautet so, daß noch Ihre Freundschaft es aufnehmen kann, obzwar mich eine weit zärtlichere Empfindung zu der Gabe bewegt. Ach, meine Freundin, nehmen Sie niemals Anstoß an dieser meiner Anbetung, die ich Ihnen weihe, einem unauslöschlichen Gefühle, das nur mit meinem Leben enden und dessen Stelle nichts in meinem Herzen einnehmen kann. Ach, ich bin für Sie noch das, was ich in Aix am 13. September, an jenem schmerzlichen Tag meines Abschiedes, war! Wenn Ihr Herz mir nicht alle seine allzu zärtlichen Bürgschaften ganz zu wahren wußte, murre ich nicht und klage nur mich allein an, für den so viel Glück nicht angemessen war.

Ich aber, meine Freundin, habe nichts von dem vergessen, was ich Ihnen bei unserm traurigen Abschiede versprochen habe! Ach, Pauline, der Tag, an dem Ihr Mitleid mir einige Tränen gewährte, wird immer in meiner Erinnerung haften! Leben Sie wohl, meine Freundin, leben Sie wohl, Sie sind der Gegenstand aller meiner Wünsche, ich werde Sie bis zu meinem letzten Seufzer lieben. Ich erwarte Ihre Antwort, liebe zärtliche Freundin, vor allem schreiben Sie über Ihre Gesundheit! Lassen Sie Ferrand für Sie schreiben!

*


 << zurück weiter >>