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Alexander Pope an die Schwestern Blount

[1716.]

Nichts konnte mehr von jener Melancholie einschließen, in der ich mir einst so sehr gefiel, als mein letzter Tagesausflug; denn ich ritt zuerst durch meine Lieblingsgehölze in den Wäldern mit hundert Träumereien vergangner Freuden und gelangte dann über sanfte Hänge, deren Gipfel mit Hainen bestanden waren, deren Fuß von sich windenden Flüßchen benetzt wird, und horchte auf den Fall des Wassers in der Tiefe und das Murmeln der Winde in der Höhe. Darauf folgte das dunkle Grün von Stonor, und dann überwältigten mich die Abendschatten. Der Mond erhob sich in dem reinsten Himmel, den ich jemals gesehen habe, und in seinem feierlichen Licht kam ich langsam, ohne Begleiter und ohne Unterbrechung, in der Reihe meiner Gedanken vorwärts. Ungefähr eine Meile vor Oxford läuteten alle Glocken in verschiedenen Tonarten, die Uhren der Schulanstalten antworteten einander und schlugen (die eine tiefer, die andre sanfter) die elfte Abendstunde. All dies war keine üble Vorbereitung auf das Leben, das ich seither zwischen diesen grauen Mauern, ehrwürdigen Galerien, Steinportiken mit belebten Gängen und einsamen Szenen in der Universität geführt habe. Mir fehlte nur ein schwarzer Habit und ein Gehalt, um einen ebenso guten Bücherwurm, wie ein andrer, abzugeben. Ich paßte mich den Unterrichtsstunden an, vertiefte mich mit der Nase in Bücher, lungerte in einem der ältesten, staubigsten Teile der Universität und war für die Welt nicht weniger tot als ein Einsiedler in der Wüste. Wenn noch etwas in mir lebendig oder wach war, so war es ein wenig Eitelkeit, wie sie selbst diese guten Männer zu unterhalten pflegten, wenn die Mönche ihres eigenen Ordens ihre Frömmigkeit und Abgeschiedenheit mit Lobsprüchen priesen. Denn ich fand mich hier mit der Art von Achtung empfangen, die jener müßige Teil der Menschheit, der Gelehrte, seinem eigenen Schlag entgegenbringt, jenem Schlag, der hier so gewöhnlich ist, wie anderswo die Geschäftigen, die Heiteren, die Ehrgeizigen.

In der Tat werde ich so gut behandelt, daß ich mich oft innerlich fragen mußte, welche Unterrichtsanstalt ich gegründet, oder welche Bibliothek ich gebaut habe.

Mich dünkt, ich handle sehr übel daran, in die Welt zurückzukehren, den einzigen Ort hinter mir zu lassen, wo ich jemanden vorstelle, und wo ich mich selbst mit Würde auf den ansehnlichsten Bücherbrettern thronen sehe, und mich wieder in die verworfene Lage zu den Füßen einer Dame in Bolton Street zurückzugeben. Ich will nicht in Abrede stellen, daß ich wie Alexander auf der Höhe meines Ruhmes angelangt bin und mich als einen nackten Menschen vorfinde. Ihnen zu schreiben, woher dieser Pfeil gekommen ist, vermag ich nicht, denn keine von Ihnen wird die zärtliche Sorge auf sich nehmen und ihn aus meinem Herzen ziehen, um das Gift mit ihren Lippen aus der Wunde zu saugen!

Hier bei Lord Harcourt bekomme ich ein Geschöpf zu Gesicht, das einem Engel mehr als einem Weibe gleicht (obzwar ein Weib beinahe ebensogut ein Engel ist). Ich glaube, Sie haben mich früher von einer Frau reden hören als von einem Zeugnis für den Schöpfer der Engel. Sie ist eine Verwandte Seiner Lordschaft, und er bot mir ernsthaft ihre Hand an, da er für sie zärtlich besorgt ist und weiß (wessen die Vorsehung sich schämen müßte), daß sie dem äußern Glück weniger verpflichtet ist als ich. Ich erwiderte, daß ihr das niemals hätte in den Gedanken kommen können, wenn er nicht zu seinem Unglück blind für sie wäre, und daß ich daran denken würde, weil ich Augen genug für sie und für mich hätte!

Ich darf nicht schließen, ohne Ihnen zu sagen, daß ich mein Äußerstes in der gewünschten Sache tun werde. Es würde mich unaussprechlich erfreuen, Ihnen dienen zu können, und ich tue alles, was ich kann, um mir dieses Vergnügen zu bereiten. Ich liebe Sie beide so sehr, wie ich mich selbst liebe; denn ich finde mich dann in Gedanken am meisten bei Ihnen, wenn ich es am wenigsten vermute.

Pope.

*


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