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Die Empfindsamen

Klopstock an Meta Moller

Braunschweig, den 20. Juli, früh um 10. [1752.]

Gestern erwartete ich mit Gewißheit einen Brief von Dir, mein Klärchen; ich dachte, daß ihn Giseke, der diesen Morgen schon bei mir gewesen ist, mitbringen würde. Wenn Du nur nicht krank bist! welche tiefe Sorge für Dein Leben! Ach, mein Klärchen, wenn Du wüßtest, wie ich bis zum Anbruch des Tags aufgewesen bin, wie ich um Dich geweint, wie für Dich gebetet habe! Die ganze, unaussprechliche Liebe dieser gewachten Nacht will ich Dir, sobald ich Dich wiedersehe, ganz erzählen. Und Du würdest mich, allein um dieser Nacht willen, lieben, ewig mit Deinem ganzen liebevollen besten Herzen lieben, wenn Du mich auch noch nicht liebtest. Meine einzige, meine teure, meine, meine Moller.– – Wie kann ich es aussprechen? wie sehr und wie ewig bin ich Dein! Und diese hohe, diese weitaussehende Empfindung, dieser Gedanke der Ewigkeit, wie ohne Namen ist sie, und wie sehr dies selbst alsdann, wenn ich bei Dir bin und soviel sage und soviel verstanden werde. – – Du aber, Großer, Großer, Unaussprechlichster, Namenlosester unter allen deinen namenlosen Wundern, du, dessen Allgegenwart dicht um mich her ist, und vor dem ich mein stilles, volles Auge bedecke, laß die leben, die schon oftmals der Inhalt meines Gebets war, und die du schon so oft für mich leben ließest. Wie jauchzend (doch kann ich dir jauchzen?) so laß dich denn nur bei deinem höchsten und teuersten Namen: Schöpfer, glücklicher Erschaffener! mit der ganzen Seele nennen, die du mir gegeben hast! ...

Meine Teure, meine Einzige, ich würde hier nicht abbrechen, wenn mich nicht eine sanfte, schauervolle Empfindung hielte, jetzt weiter nichts mit irgendeinem Erschaffenen zu reden ...

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