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Ferdinand Raimund an Toni Wagner

1825.

Liebe, gute Toni! Darum bitte ich Dich immer, Du möchtest mir zuerst schreiben, wenn wir uns gesprochen haben, weil Deine Versicherungen der Liebe und Treue mir Hoffnung und Trost in die Seele hauchen, und weil meine Antwort dann immer ruhiger und für Dich angenehmer ist, als wenn ich in der schmerzlichen Trauer, in die sich mein ganzes Wesen auflöst, wenn ich Dich umarmt habe, Dir schreiben muß. So unendlich Du das einzige Mädchen bist, an deren Brust ich wahre Liebe fühlen kann, so wehmütig ist die Leere, die meine ganze Seele peinigt, wenn ich Dich aus meinen Armen gelassen; ach, wie unglücklich ist ein Mensch, dem die Natur die fluchwürdige Kraft gegeben, solcher Gefühle fähig zu sein ...

Toni – Toni – täusche Deinen Ferdinand nicht. Du möchtest nimmer finden, was Du verlierest. Schmeicheleien sind auch für das reinste Herz ein Gift, das dem Aqua Tofana gleich, langsam wirkt, aber desto sicherer tötet. Vielleicht täusch' ich mich, aber ich glaube, daß Du seit längerer Zeit nicht mehr so ganz wie einst von der Eitelkeit frei bist, Dich bewundern zu lassen, verzeihe mir, wenn ich Dir unrecht tue, aber Liebende sehen alles durchs Vergrößerungsglas. Doch lassen wir das. Ich muß Dir sagen, daß ich mich nicht ganz wohl befinde, denn seit 10 Tagen fliehet mich der Schlaf, und ich werde jede Nacht um 2 Uhr munter und kann dann nimmer schlafen; der Doktor sagt, die Ursache läge in einer Gemütskrankheit, und er wüßte mir nicht zu raten als Zerstreuung durch Gesellschaft, eine Sache, zu der ich mich nie verstehen kann und die mich auch nicht heilen kann. Glaube nicht, daß ich Dir dieses darum schreibe, um Dich zu beunruhigen, denn ich weiß, daß Du es nicht glaubst und von der Liebe Deines Ferdinands gar nicht diese Ansicht hast. Wenn ich so allein bin und alle die glücklichen und unglücklichen Begebenheiten meines Lebens vorüberrauschen an meiner Erinnerung und ich auf den unschuldsvollen Anfang unserer Liebe denke und mein jetziges Unglück mir vor die Augen meiner Seele tritt, wo soll ich mich hin verbergen vor der Rache, die ich an mir selbst nehme. Sei nicht böse, daß ich so traurig bin, und suche meinen Schmerz nur in meiner Liebe zu Dir. Lebe wohl und denke auch an Deinen

Ferdinand.

*


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