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Georg Christoph Lichtenberg an seine Frau Margarete

Göttingen, den 16. April 1792.

Liebster Schatz! Nun, wie hegt Dir's denn, Frau Strohwitwe? Was macht der kleine Junge? Ich wollte sagen der große, denn daß sich der halbjährige Bengel wohlbefindet, daran zweifle ich keinen Augenblick. Er sah gestern vortrefflich aus, die Amme hat mir seine beiden Gesichter gewiesen. Das Nr. 1 war schön, rund und freundlich wie die Sonne, das andere, Nr. 2, blank und still wie der volle Mond, oder eigentlich wie das erste und letzte Viertel gegeneinander gestellt.

Wie mir's geht? I, so ziemlich, wenn ich mir nur vorstellen könnte, daß es Frühling wäre, aber das ist mir schlechterdings unmöglich. Schicke mir doch meinen Pelz und die Pelzhandschuhe, ich will sehen, ob es dann besser geht.

Aber höre mal, mit meinem Oberbette ist etwas vorgegangen. Ich glaube, die Hartmannin hat die Federn herausgenommen und Duckstein hineingestopft. Denn Vögel mit solchen Federn gibt es in ganz Europa nicht. Wenn ich des Morgens erst ein Bein heraus habe, so geht es so ziemlich, ich halte mich am Ofen und ziehe dann das andere nach, aber das erste, das ist der Henker. Nein! liebes Fleisch von meinem Fleisch, das Bett mag für ein Paar Eheleute gut genug sein, aber für einen einzelnen Menschen wie ich ist es wahrlich zu schwer. Des Abends muß mich Georg zudecken, und dann drückt es mich so, daß meine Beine gemeiniglich eine halbe Stunde eher einschlafen als ich.

Weißt Du, daß es heute ein Jahr ist, daß wir im Holze waren? Womöglich wollen wir hinauf, sobald wir es ohne Feuerstübchen tun können. Lebe recht wohl, liebes Bein von meinem Bein, und empfehle mich dem ganzen Dietrichschen Hause, der Mamsell Braut und Mamsell Ranchat

von Deinem
G. C. Lichtenberg.

Göttingen, 10. August 1798.

Guten Morgen, meine Liebe!

Der Himmel wird ja geben, daß alles mit Dir und der lieben Mimi gut steht. Ich habe die vergangene Nacht 3 Stunden gewacht, und ihr seid mir nicht aus dem Sinn gekommen. Unterrichte doch ja den Georg von allem.

1. Ob Du wieder Zahnweh hast.

2. Ob Mimi offenes Leibes ist.

3. Ob sie blind ist.

4. Ob sie bei Vernunft ist, so wie ihr Vater.

5. Ob sie artig ist und einnimmt.

6. Was sie zu dem Gewitter gesagt hat.

Adieu, die langbeinige Post geht ab.

G. C. L.

Madame, machen Sie geschwind, daß Sie mit der Wäsche fertig werden, ich kann den Regen unmöglich länger halten, habe auch diesen Nachmittag keine Zeit mehr dazu.

Ihr
ergebenster Diener
G. C. Lichtenberg.

Die schwarze Tinte steht auf meinem Sommerpalais, und weil dieses ausgekehrt wird, so haben wir uns nach dem Winterpalast erheben müssen, wo nur rote ist.

*


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