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Vorfrühling der Völker

Karl Maria von Weber an seine Frau Karoline

Wien, den 26. September 1823.

Nun wird wohl die Mukkin auch beim Tee sitzen und ihre Gedanken ebenso hersenden, wie ich hin. Maxi wird pappen, pappen begehren und hoffentlich vor Gesundheit ungezogen sein, rupfe-crupfe machen und Bauz! Du glaubst nicht, welches Interesse ich jetzt an Kindern nehme, besonders, wenn ich Ähnlichkeit mit Max herausfinden kann. Sie haben mich aber auch alle gern, weil ich mit ihnen umzugehen weiß. Gestern kam ich den ganzen Tag nicht dazu, mit Dir zu plaudern, denn ich fuhr nach Schönbrunn, um den Brief der Prinzessin Karolina an die Prinzessin von Salerno abzugeben. Da sah ich eine kleine Prinzessin, auch eben von 16 Monaten, die sieht unserer Prinzessin Karolina so sprechend ähnlich, daß ich ordentlich erschrak; ein liebes, liebes Kind, das mir gleich Patschen gab und so freundlich und zutunlich mit mir war, daß sich alle wunderten. Das machte mich so weich, daß ich Not hatte, die Augen trocken zu erhalten. Ich wurde sehr freundlich empfangen und mußte viel erzählen. Sie hatten mich schon sehr genau im Theater beobachtet und wußten, wenn ich in eine andere Loge gegangen war als gewöhnlich. Diese Fahrt nach Schönbrunn machte mir den ganzen Tag verloren, da ich die Erzherzogin erst später sprechen konnte. Ich besah daher zugleich die herrlichen Anlagen, die wahrhaft grandios und imposant sind. Du mußt durchaus einmal mit hierher rutschen in ein paar Jahren.

Vorgestern abend hörte ich denn also die » Semiramis«. Von der Musik kann ich weiter nichts sagen, als daß sie von Rossini ist, aber in der Aufführung!!! Ja, wenn so gesungen und gespielt wird, da muß alles wirken. Die Fodor und Lablache waren unübertrefflich. Du weißt, wenn einem so die gewisse Gänsehaut über den Rücken läuft, da ist es das Wahre. Ein Duett besonders, was die beiden hatten, so in der Art (nur etwas anders) als »Dein schwarzes Herz durchwühle«, war ganz herrlich und mußte auch wiederholt werden. Ich mußte ihr noch versprechen, nach Neapel zu kommen und für sie zu schreiben, was ich bedingungsweise tat, und gestern früh ist sie mit Barbaja abgereist.

Heute wird doch ein Brief kommen? Ach, ich weiß wohl, liebe Mukkin, daß Du eigentlich keinen Stoff zum Schreiben haben wirst, denn so viel man sich auch zu sagen hätte, schreiben läßt es sich nicht, will mich also schon in Geduld fassen, ja, ich muß es sogar als ein gutes Zeichen ansehen, das nichts Extraes passiert ist. Also ade unterdessen, bis heute abend. Guten Appetit ...

London, Mittwoch, den 12. April 1826. Nachts ¾ auf 12 Uhr.

Meine innigst geliebte Lina! Durch Gottes Gnade und Beistand habe ich denn heute abend abermals einen so vollständigen Erfolg gehabt wie vielleicht noch niemals. Das Glänzende und Rührende eines solchen vollständigen und ungetrübten Triumphes ist gar nicht zu beschreiben. Gott allein die Ehre!!!

Wie ich ins Orchester trat, erhob sich das ganze überfüllte Haus, und ein unglaublicher Jubel, Vivat- und Hurra-Rufen, Hüte- und Tücherschwenken empfing mich und war kaum wieder zu stillen. Die Ouvertüre mußte wiederholt werden. Jedes Musikstück zwei- bis dreimal mit dem größten Enthusiasmus unterbrochen. Brahms' Arie da capo. Das Finale wollten sie auch zweimal haben, es ging aber wegen des Szenischen nicht. Im 3. Akte Fatimes Ballade da capo, am Ende mit Sturmesgewalt mich herausgerufen, eine Ehre, die in England noch nie einem Komponisten widerfahren ist. Das Ganze ging auch vortrefflich, und alle waren ganz glücklich um mich herum. Soviel für heute, mein geliebtes Leben, von Deinem herzlich müden Muks, der aber nicht ruhig hätte schlafen können, hätte er Dir nicht gleich den neuen Segen des Himmels mitgeteilt. Gute, gute Nacht, möchtest Du doch heute den glücklichen Ausgang ahnen können.

Den 13.

Guten Morgen, gutes Herz! Habe recht süß geschlafen, obwohl ich ein Weilchen brauchte, ehe ich mich hineinfinden konnte. War natürlich zu aufgeregt. Und heut morgen bin ich denn so recht durch und durch müde, aber wohl. Nach solchem Triumph tritt eine gewisse wohltätige Beruhigung ein, daß ein großer Schritt in der Welt abermals abgetan ist. Auf jeden Fall war ich hier bei »Oberon« auf einem viel unsichereren Standpunkte als bei meinen früheren Werken. Die Eifersucht der Theater, das höchst erregbare Publikum, das immer an Opposition gewöhnt ist und sich darin gefällt, und die Ereignisse am Tag vorher, die mich nicht mit Gewißheit auf ein Gelingen der Aufführung rechnen ließen, das alles machte den Erfolg doppelt glänzend und schätzenswert. Da war auch nicht der geringste Widerspruch in dem unmäßigen Beifall. Alles reiner Enthusiasmus. Aber laß Dir erzählen, wie mein Stern immer sein Recht übt. Nachdem ich den 11. Nr. 18 an Dich abgeschickt hatte, hatte ich um 12 Uhr Probe von der Ouvertüre und den Stücken, die am wenigsten probiert waren, dann aß ich bei dem Musikhändler Hawes, und um 7 Uhr war die Dir schon angekündigte Generalprobe. Ein glänzendes Publikum und auserwählt füllte die Logen. Der erste Akt ging gut vorüber, bis auf einige Kleinigkeiten. Im 2. Akt, wo nach dem Sturm die Rezia und Hüon kommen sollen, kommt niemand. Das Theater steht eine Zeitlang leer, endlich kommt Fawcett und kündigt an, daß ein Stück Dekoration Miß Paton auf den Kopf gefallen sei, daß er bitte, wenn ein Arzt anwesend wäre, er möge aufs Theater kommen, daß Miß Paton aber hoffe, nach einiger Erholung weiterspielen zu können. – Sie erholte sich aber nicht. Nach langem Warten mußten wir die Probe ohne sie fortsetzen, ihre große Arie etc. weglassen. So ging die Probe übrigens noch glücklich genug zu Ende, und der Beifall und die Hoffnung auf Furore am andern Tage war allgemein. Es wurde abermals eine Probe angesetzt, um 12 Uhr gestern, für Miß Paton; sie kam aber nicht und erklärte, sie müsse sich für den Abend schonen. Wir probierten also noch andere Dinge. Ich aß um 4 Uhr zu Hause mit Smart und fuhr um 6 Uhr in etwas gespannter Stimmung ins Theater. Aber – alles ging vortrefflich!!

Die Paton sang herrlich, und die Vorstellung griff so ineinander mit solchem Feuer und Liebe, wie Du wohl weißt, daß meine Musik das Glück hat, bei den Menschen hervorzubringen. Wie oft habe ich dabei an Dich gedacht; lieber Gott, Du wärst wenigstens krank geworden vor Angst! Aber ist das nicht eigen mit meinem Stern? Aber ich verlasse mich auf ihn aus Erfahrung und weiß, daß er mich nicht im Stiche läßt. Ich möchte Dir nun gern manches ausführlich beschreiben, aber ich kann nicht und muß das der mündlichen Unterhaltung in Hosterwitz überlassen. Die Pracht und Vollkommenheit der Dekorationen geht über alle Beschreibung, und ich werde es wohl nie so wieder sehen. Man sagt, daß die Oper gegen 7000 Pfd. Sterl., ungefähr 49 000 Tlr., kostet. Die Vorstellungen gehen nun täglich fort, solange es die Sänger aushalten. Die ersten 12 habe ich zu dirigieren übernommen. Dann habe ich es gewiß satt, und mir graut schon vor dem Gedanken, daß sie die Oper auch in Dresden werden sehen wollen. Zum Glück können wir sie nicht besetzen, und an einem anderen Orte sie selbst aufführen, dazu sollen mich nicht 10 Pferde ziehen. Ade für jetzt, muß noch manchen anderen Brief schreiben. Was gäbe ich drum, wenn ich Deine Freude sehen könnte, wenn Du diesen Brief öffnest. Daß ich so lange, lange warten muß, ehe ich etwas erfahre, fast einen Monat, ist doch recht betrübend. Ich umarme Dich innigst. Ade, ade für heute.

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