Friedrich Hebbel
Gedichte
Friedrich Hebbel

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                »Wohin so flink, du junges Kind?«
    Ich trage Geld ins Städtchen!
»Da weiß ich einen viel nähern Weg,
    Den führ' ich dich, o Mädchen.«

Sie folgt ihm in den dicken Wald;
    Hier ist es kühl zu gehen,
Doch dürstet mich, wenn ich nur Wasser hätt'!
    »Gleich wirst du Wasser sehen!«

Nun wird's ja aber grausam wild,
    Man kann nicht von der Stelle.
»Da ist auch nur ein Seitenpfad,
    Doch bringt er uns zur Quelle.«

Hinauf, hinab und wieder hinauf,
    Durch Stein- und Holzgerümpel!
Da kommt ein Abhang jäh und steil,
    Und drunten steht ein Tümpel.

»Nun gib dein Geld und schlag das Kreuz,
    Denn heute mußt du sterben!«
So laß doch nur das Leben mir!
    »Das würde mich selbst verderben!«

»Nun zieh auch deine Kleider aus,
    Die brauchst du nicht im Sumpfe.«
Sie legt sie ab, da liegen sie
    Schon auf dem Eichenstumpfe.

»Nun gib mir noch dein weißes Hemd,
    Denn Leinen ist jetzt teuer!«
Sie ist so bleich wie frischer Schnee,
    Nun wird sie rot, wie Feuer.

Doch plötzlich zuckt's ihr durchs Gesicht,
    Da greift sie in die Locken,
Und zieht zwei Ringelein hervor
    Mit roten Korallenglocken.

»Für diese Ringe dank' ich dir,
    Die waren mir verloren,
Das lange Haar verhüllt dir ganz
    Die kleinen feinen Ohren.

Doch auch das Hemd begehr' ich noch,
    Da hilft kein Schämen und Grämen,
Und wenn du jetzt nicht eilig machst,
    So muß ich selbst mir's nehmen.«

So tu mir denn nur eins zulieb,
    Dich etwas umzukehren!
Ich springe auch von selbst hinab,
    Hältst du mich so in Ehren.

Er nickt und tut's und zählt das Geld,
    Da kreischen drunten die Raben,
Er bückt sich über den Rand und spricht:
    »Was mögen die dort haben!«

Sie blickt sich eben um nach ihm,
    Ob er auch Wort gehalten,
Und als sie ihn so stehen sieht,
    Da scheint ihr Gott zu walten.

Sie rafft sich auf mit aller Kraft
    Und stößt ihn in den Rücken,
Er taumelt hinunter, und nicht einmal
    Sein letzter Fluch will glücken!

 


 


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