Friedrich Hebbel
Gedichte
Friedrich Hebbel

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Waldbilder

1. Das Haus im Walde.

                      Ich bin im Walde gegangen,
    Da traf ich ein kleines Haus,
Dort gingen die Engel Gottes
    Sichtbarlich ein und aus.

Das Gärtchen, umher gezogen,
    Bot Äpfel und Birnen genug,
Ein Weinstock spann sich durchs Fenster,
    Der duftige Trauben trug.

Die Mutter säugte den Knaben,
    Sie neigte sich über ihn,
Daß ihre rosige Wange
    Ein Abglanz der seinigen schien.

Nun pflückt sie die schwerste der Trauben,
    Die selbst die Schulter ihr tickt,
Die Rebe will sie erquicken,
    Wie sie ihr Kind erquickt.

Und vor ihr, auf dem Tische,
    Steht eine Flasche Wein,
Ein Becher dabei, die werden
    Wohl für den Gatten sein!

Geräusch! – »Dein Vater, Knabe!«
    Sie schenkt den Becher voll.
Noch nicht! Die Birne fiel nur,
    Die sie ihm reichen soll.

Ich möchte vor sie treten,
    Es ist noch eben Zeit,
Und sprechen: laß mich trinken,
    Ich habe noch so weit!

Sie würde den Trunk mir reichen,
    Der ihm beschieden war,
Mir würde sein, als böt' ihn
    Der Friede selbst mir dar.

Doch nein, ich will mich wenden,
    Der Wald ist dick und wild,
Ich will in den Wald mich verlieren,
    Wer tritt hinein in ein Bild!

 


2. Böser Ort.

            Ich habe mich ganz verloren,
    Wie ist hier alles stumm!
Es drängen die schwarzen Bäume
    Sich tückisch um mich herum.

Sie wollen mich nicht mehr lassen,
    Mich aber treibt es fort,
Man spricht von bösen Orten,
    Dies ist ein böser Ort!

Hier ist schon Böses geschehen,
    Und hier muß mehr geschehn,
Wird's nicht an ihm begangen,
    So muß es der Mensch begehn.

Die Blumen, so hoch sie wachsen,
    Sind blaß hier, wie der Tod,
Nur eine in der Mitte
    Steht da in dunklem Rot.

Die hat es nicht von der Sonne,
    Nie traf sie deren Glut,
Sie hat es von der Erde,
    Und die trank Menschenblut!

Du sollst dich nicht länger brüsten
    Auf meines Bruders Grab
In deinem gestohlnen Purpur,
    Ich räch' ihn und breche dich ab!

Dort liegt sie zu meinen Füßen!
    Da schwingt ein Vogel sich,
Setzt sich mir gegenüber
    Und pfeift und verspottet mich.

»Jetzt läßt der Ort dich weiter,
    Da ihm sein Recht geschah,
Du hast die Blume getötet,
    Es war nichts anders da.«

 


3. Dicker Wald.

                    Seid ihr's wieder, finstre Wälder,
    Voll von Mord und Tod und Gift,
Wo man keine Grenzen-Wächter,
    Doch zuweilen Räuber trifft?

Belladonna bietet gastlich
    Ihre Kirschen, rot und rund,
Und der Schlange grünes Auge
    Blinzt mich an vom schwarzen Grund.

Eine Natter als Geschmeide
    Um den Hals, in dumpfem Sinn,
Kauert dort ein gelbes Mädchen,
    Sie ist Schlangen-Königen.

Hei, wie fühlt man hier sein Leben,
    Und wie hängt man sich daran,
Wo aus nächstem Busch des Räubers
    Erster Schuß es nehmen kann!

Zwar ist nichts bei mir zu holen,
    Doch so wird die Hand geübt,
Und ich selbst bin ja der Priester,
    Der ihm im voraus vergibt.

 


4. Situation.

                  In die kühle Felsengrotte
    Tritt der junge Jäger ein.
Heiß ist's draußen; um zu schlummern,
    Legt er still sich aufs Gestein.

Und der Schlaf, der ewig milde,
    Schließt ihm bald die Augen dicht;
Süßer Träume lichte Schatten
    Fliegen über sein Gesicht.

In die kühle Felsengrotte
    Tritt ein Mädchen, hoch und schlank,
Sieht den Schläfer, hold erschreckend,
    Naht sich hastig seiner Bank.

Will ihn wecken, höret Schritte,
    Ruft mit Angst: es ist zu spät!
Macht des Kreuzes schirmend Zeichen
    Über ihn, wie im Gebet.

In die Grotte tritt der Wildschütz,
    Sieht den jungen Jägersmann,
Greift erblassend nach der Büchse,
    Spannt den Hahn, legt auf ihn an.

Vor den Bruder tritt das Mädchen,
    Doch er drängt sie stumm zurück;
Der hat einst auf mich geschossen!
    Sagt ihr ernst und streng sein Blick.

»Sieh ihn schlafen – spricht sie leise –
    Er ist jetzt in Gottes Schutz,
Ihm zur Seite steht ein Engel,
    Fühlst du's nicht in deinem Trutz?«

Als er auflacht, fleht sie innig:
    »Sieh, er schläft so ruhig fort!
Laß, bis er erwacht, ihn leben!« –
    Er gelobt's mit kurzem Wort.

Still am Flintensteine schraubend,
    Blickt er auf den Feind so wild;
Lautlos auf die Kniee sinkend,
    Liegt sie bleich, ein Marmorbild.

»Glaubst du nicht an seinen Engel,
    Oder bist du's selbst zumeist?«
»Ach, ich bete – seufzt sie weinend –
    Daß du nie ein Mörder seist!«

Pulver auf die Pfanne schüttend,
    Spricht er finster, ungeirrt:
»Wenn ich auch ein Mörder werde,
    Ist es nur, daß der's nicht wird!«

Ringsum Stille, durch das Summen
    Eines Käfers kaum gestört,
Tief genug, daß man des Schläfers
    Leise Atemzüge hört.

 


 


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