Friedrich Hebbel
Gedichte
Friedrich Hebbel

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Der Zauberhain

        Schnell vorüber, junger Ritter,
    Wie der Morgenwind auch säuselt
Und wie schön zu grünen Wellen
    Er das frische Laub auch kräuselt!

Doch, er ist, noch eh' er hörte,
    Schon vom Roß herabgesprungen
Und, die Zügel von sich schleudernd,
    In den Zauberhain gedrungen.

Pflücke nicht die schwarzen Rosen,
    Die um jeden Stamm sich ranken,
Wenn sie auch noch heißre Düfte,
    Als die roten, in sich tranken!

Doch, er hat sich gleich die erste,
    Die er schwanken sah, gebrochen,
Und er taumelt selig weiter,
    Denn sie hat ihn nicht gestochen.

Horche nicht dem bunten Vogel,
    Der zu dir herunter flötet,
Denn ihn schickt die böse Hexe,
    Die durch ihre Küsse tötet.

Doch, er bleibt, wie trunken, stehen,
    Und der Vogel schwingt sich nieder,
Und er hüpft ihm auf die Achsel
    Und beginnt noch süßre Lieder.

Öffne nimmermehr die Augen,
    Die sich dir von selbst geschlossen,
Weil, erwacht aus tiefem Schlafe,
    Sie sich naht, von Glanz umflossen!

Doch, er kann sich nicht bezwingen,
    Und nun ist's um ihn geschehen,
Denn er wird das Höllenbildnis
    Immer schöner werden sehen.

Spei sie an, und dein Entzücken
    Wandelt sich in Haß und Grauen,
Denn sie schrumpft vor dir zusammen,
    Und du kannst sie niederhauen!

Doch, zu spät! Die Blätter fallen
    Schon mit Macht, um ihn zu decken,
Denn der zweite kommt gezogen,
    Und ein Toter könnt' ihn schrecken!

 


 


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