Friedrich Hebbel
Gedichte
Friedrich Hebbel

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Epilog zum Timon von Athen

          Was schiltst und fluchst du, Timon von Athen,
Auf Gott und Welt, als wär' dir viel geschehn?
Was hat sie dir getan, die edle Schar,
Die Tag und Nacht um dich vereinigt war?
Sie leerte treu den schäumenden Pokal,
So oft du winktest, bei dem Jubelmahl,
Sie nahm den Perlenschmuck von deiner Hand
Und auch das purpurfarb'ge Prachtgewand,
Sie sammelte dein Silber und dein Gold
Und hielt es fest, als du's zurückgewollt.
Du spieltest die Fortuna ohne Horn
Und bist am Ziel: was soll dein blöder Zorn?
Was dir auch durch die schlaffen Finger rann:
Kein Tropfe deines Schweißes saß daran,
Du warfst es weg, als schafft' es dir nur Pein,
Dir war es nichts, was konnt' es andern sein?
Der Wein, der jetzt in fremden Adern pocht,
Ward nicht in deinen eignen ausgekocht,
Du strömtest keine von den Tränen aus,
Die sich im Meer versteint zum Perlenstrauß,
Und auch das Gold, das sie von dir geerbt,
Ward nicht in deinem Blute rot gefärbt.
Du hast, erkenne reuig deine Pflicht,
Viel abzubüßen, doch zu rächen nicht.
Nein, gib ein Gastmahl, wie der Pelikan,
Und das nicht bloß, wenn deine Kinder nahn,
Zerschlitze, reinster Großmut dir bewußt,
Mit eignen Händen dir die volle Brust
Und tränke mit dem besten Lebenssaft,
Der dir entquillt in deiner höchsten Kraft,
Den Menschen-Igel, der sich an dich hängt,
Weil sich das Rädertier zum Wasser drängt;
Wirf deine Blitze in das leere Hirn,
Setz' deine Lichter vor die flache Stirn,
Beseele einen zweiten Erdenkloß,
Und wird dein Adam endlich stark und groß,
So nimm als Lohn den ersten Keulenschlag
Von ihm entgegen, den er führen mag.
Und trinke drauf zum vollen Dank ein Gift,
Das Vipern tötet, weil es übertrifft,
Was die erzeugen, aus dem Hefenrest
Der heiligen Vergangenheit gepreßt,
Den auch der Tag, verlebt im Paradies,
Wie Blumen Staub und Asche, hinterließ.
Auch dann noch halte deinen Fluch zurück,
Doch merk' dir, wenn zu spät auch für dein Glück:
Du kannst auf Erden keinem ohne Tracht
Vom Rücken nehmen, ohne ihm die Macht
Zu geben, eine doppelt schwere Last
Dir selber aufzulegen, und er haßt
Den Retter meistens von der Stunde an,
Wo er den Helferarm entbehren kann.

 


 


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