Friedrich Hebbel
Gedichte
Friedrich Hebbel

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Stanzen auf ein sizilianisches Schwesterpaar

          Mit deinem Auge, deinem seelenvollen,
    Schaust du mich an, als wär's zum letzten Male;
Dann seh' ich eine dunkle Träne rollen,
    Kaum noch durchblitzt von seinem frommen Strahle;
Mir ist, als bräch' es, und ich muß mir grollen,
    Daß ich dir meine heil'ge Schuld nicht zahle;
Ich sehe deine Seele, wie ertrinken,
Ich schaudre drob, und lass' sie doch versinken!

O! fluch' mir nicht! Ich bin ja selbst gebunden,
    Und weiß, daß ich an dir gefrevelt habe;
Von deiner stolzen Schwester trag' ich Wunden,
    Und diese werd' ich tragen bis zum Grabe;
Und wenn mein Blick in den entflohnen Stunden
    An deinem Blicke hing zu süßer Labe,
So war es nur, weil schon in deinem Wesen
Der Schattenriß des ihren steht zu lesen.

Mir war's ein eignes schauriges Vergnügen,
    Mich halb noch frei von ihrem Bann zu fühlen,
Und doch an diesen mystisch-tiefen Zügen,
    Die auch in dir schon dämmern, mich zu kühlen,
Dich aber mußte solch ein Blick betrügen,
    Er mußte dir das weiche Herz zerwühlen,
Es tat sich auf, mein Bild hineinzulassen,
Und statt zu jauchzen, sahst du mich erblassen.

Mir ist, als ob erblichne Huldgestalten,
    Die schon zum Teil nicht mehr auf Eden weilen,
Mich still umschweben, und die Hände falten,
    Und mich beschwören, dein Gefühl zu teilen,
Als könnt' und ihnen dann noch Treue halten,
    Wenn ich versuchte, deine Brust zu heilen:
Als Schwester bist du ihnen wohl erschienen;
Denn ihnen gleichst du an Gestalt und Mienen.

Umsonst! Es sei mit allem jetzt gebrochen,
    Was ich geliebt, und ewig lieben müßte,
Und mag darob auch mancher Busen pochen,
    Es schmerzt mich, daß ich je ein Mädchen küßte.
Denn, wäre diese mir nicht zugesprochen,
    So glaub' ich nicht, daß ich mir Süßres wüßte,
Als jeglichem Ersatz zu widerstreben;
Drum hat das Schicksal ihn voraus gegeben.

Es kann mir jetzt den höchsten Wunsch versagen,
    Und dieses wird, ich weiß es schon, geschehen;
Ich ward in einen fremden Kreis verschlagen,
    Wie sollte ich in ihm nicht untergehen;
Die Welt des Märchens, die aus alten Tagen
    Zu uns herüberklingt, will neu erstehen;
Einst liebt' ich, was ich längst im Traum umfaßte,
Jetzt, deucht mir, muß ich lieben, was ich haßte.

Was sind sie, ihre dunklen, schwarzen Augen,
    Was sonst, als Nacht, die in den Brand geraten?
Und keine Ahnung sagt mir, ob sie taugen
    Zu andern noch, als mörderischen Taten;
Sie können Seelen aus dem Busen saugen,
    Die zwar auch keinen süßren Tod erbaten,
Doch zweifl' ich, ob sie milde blicken können,
Und mehr noch, ob sie mir ihr Mildes gönnen.

Gleichviel! Und soll ich nichts von ihr erwerben,
    Und ist sie in des Todesengels Händen
Ein Dolch, der, um mich sichrer zu verderben,
    Mit Gold und Perlen muß mein Auge blenden,
So schmück' ich sie doch köstlich noch im Sterben
    Und will den ganzen Dichterschatz verschwenden,
Ihr für die Tat, dem Tode mich zu weihen,
Den höchsten Glanz im Leben zu verleihen!

 


 


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