Konrad Falke
Der Kinderkreuzzug
Konrad Falke

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14. Autodafé

In der Kapelle des Dominikanerklosters feiert der Bischof die Messe zu Ehren der Heiligsprechung des Ordensgründers, des hl. Dominikus.

Sie singen und räuchern. Glühend bricht durch die farbigen Scheiben das Licht der Sonne herein, die aus gelbem Dunste auf die Stadt herabbrennt; ein heißer Loderwind weht draußen um die Mauern und drinnen durch die Herzen. Sie singen und räuchern und denken daran, daß vor dem abendlichen Festmahl auf dem Marktplatz vier Ketzer dem Arm der weltlichen Gerechtigkeit übergeben werden: eine alte Hexe, die mit geheimen Zaubermitteln Ehefrauen unfruchtbar machte; ein Mann, der behauptete, ein lebendes Wesen zu töten sei Sünde; ein Weib, das in Abwesenheit seines Mannes mit dem Teufel Umgang pflog – und das rothaarige Kreuzfahrermädchen, das dem Schreiber des Inquisitionsgerichtes, dem Magister Gervasius, mit seinem Blick ein schleichendes Fieber ins Blut warf, so daß er behauptet, elend sterben zu müssen.

66 Auch in der Stadt die Bürgerschaft denkt an nichts anderes, spricht von nichts anderem. Die Angst vor der Hölle, wo die Hitze noch größer sein wird als in dieser Welt, entfacht den Eifer der Rechtgläubigen und stachelt ihren Spürsinn aufs höchste an; und während jeder den andern beargwöhnt, werfen alle miteinander wilde Blicke auf die jugendlichen Kreuzfahrer, die seit gestern in den Mauern weilen und möglicherweise auch Werkzeuge des Teufels sind, deren man sich je eher desto besser entledigte. Vergebens hat Stephan als Anführer die Ratsherren beschworen, Isa, die gewiß unschuldig sei, zu retten; er muß schließlich einsehen, daß er sich in das Gerichtsverfahren nicht weiter einmischen darf, wenn er nicht sie alle in den Verdacht der Ketzerei bringen und der Gefahr des Feuertodes aussetzen will: ihm bleibt nichts anderes übrig, als des heiligen Briefes auf seinem Herzen zu gedenken und ein neues Wunder von ihm zu erhoffen.

Im Kloster sind sie eben mit der Messe zu Ende gekommen: da klopft auch schon ein besorgter Christ ans Tor und meldet dem Bischof, er habe einige fremde Ketzer zu einer kranken Ketzerin gehen sehen. Der Bischof, rasch gefaßt, wirft weltliches Gewand über, heißt die Mitglieder des Inquisitionsgerichtes dasselbe tun und ihrer einen unter dem Mantel ein Huhn mitnehmen: und solchermaßen verkleidet begeben sie sich als Diener Gottes, die auch vor einer List nicht zurückschrecken, zusammen mit dem heimlichen Angeber zu der Kranken, welche in ihrem Fieberwahn in dem Bischof das Haupt ihrer Sekte zu erblicken glaubt und ihm offen auf alle seine Fragen antwortet. Mehrere Stunden sitzt der fromme Seelenhirt am Lager des abgezehrten Weibes und redet, und stehen die andern da und hören: von der Verachtung der Welt spricht er voll Salbung mit ihr und mit ihnen, 67 und daß es besser wäre, nie gelebt zu haben; und in ihre dunklen, irr glänzenden Augen hinein ermahnt er die Ketzerin, in ihrem Glauben standhaft auszuharren und nicht etwa aus Furcht vor dem nahen Tode in ihm wankend zu werden – »Herr,« versetzt sie, »um dieses elenden Lebens willen, in welchem die Menschen einander wie Wölfe zerreißen, ändere ich meine Überzeugung nicht!«

Da werfen sie plötzlich ihre Verkleidung ab. »Ich bin der Bischof. Ich verkünde den katholischen Glauben und ermahne dich, ihn anzunehmen. Und zum Beweis dafür, daß nur das Fieber aus dir gesprochen hat: hier ist ein Huhn und ein Messer. Töte es!« Das Weib schließt die Augen, preßt die Lippen fest aufeinander und liegt unbeweglich da. »Du willst nicht? Du bist verstockt? – So verurteile ich dich in Jesu Christi Namen! Vorwärts, legt sie samt ihrem Bett der weltlichen Gerechtigkeit in den Arm!« Herausgerufene Dominikanerbrüder packen die Lagerstatt an ihren vier Enden, tragen sie auf die Straße hinunter und nach dem Marktplatz, wohin bereits ein fünfter vorausgeeilt ist, um schleunigst einen weitern Scheiterhaufen aufschichten zu lassen.

Und jetzt weht der dürre Wind, zusammen mit dem Staub, die Töne des Sterbeglöckleins über die Stadt hin. Ohne Unterbruch lodert die heiße Luft eines Hochsommertages, gleich dem Gruß aus einer nahen Wüste des Satans, über den Mauern und Dächern, als müßte sie irgendwo die ihr verwandte wirkliche Flamme entfachen; raubt den bimmelnden Klängen alle Kraft, so daß jeder glaubt, schon aus der bloßen Verkündigung des Todes das bevorstehende Sterben herauszuhören; bläst den Hunderten von Neugierigen, die durch die Gassen vor das Rathaus strömen, beißenden Sand in die Augen. Wie jetzt der 68 Bischof mit den Inquisitionsrichtern an Ort und Stelle anlangt, sieht er bereits die übrigen Dominikanerbrüder Kopf an Kopf in den offenen Fenstern des großen Saales stehen und auf dem breiten Balkon die Obrigkeit um seinen allein noch leeren vergoldeten Thronsessel herumsitzen; und während er in dem Tor verschwindet und mit seiner Leibesfülle sich die Treppen hinaufbemüht, auf denen ihm aus der Küche ein würziger Bratenduft entgegenhaucht, werden die übrigen Ketzer aus ihren Kerkerlöchern herbeigeschleppt und, bis er auf dem Balkon seinen Platz eingenommen hat, mit auf dem Rücken gefesselten Händen über den Reisighaufen an den Stangen festgebunden: ein einziger Blick überzeugt ihn, daß die abscheuliche Ketzerin, den Leib zusammen mit ihrem Bett von Eisenketten umwickelt, richtig auf dem fünften Holzstoß liegt; und daß der ganze Platz von einer dichtgedrängt stehenden Volksmenge angefüllt ist, die mit gieriger Anteilnahme darauf wartet, daß das längst bekannte Urteil des Inquisitionsgerichtes ausgeführt werde.

»Die Kirche dürstet nicht nach Blut. Ich bitte auch den weltlichen Richter, sich zuerst jener Verirrten dort anzunehmen, weil sie krank ist. Und mit Öl!« Er dreht das große Kruzifix, das neben ihm aufgepflanzt steht, mit eigener Hand herum, so daß der Gekreuzigte den Verurteilten seine Rückseite zuwendet: die Kirche hat nichts mehr mit ihnen zu schaffen! Da schläft auch der Wind, wie immer um diese Nachmittagsstunde, plötzlich ein; als hielte selbst die Erde den Atem an vor dem, was kommen soll.

Eine Bewegung geht wellenartig durch das Volk. Seht den Bischof mit der hohen Mütze und im Ornat! Seht, wie sie die Weihrauchfässer schwingen zur Ehre Gottes! Hört, wie sie jetzt singen, daß der Himmel den abtrünnigen Seelen gnädig sein möge! Wenn er's einer ist, so gewiß dem Mädchen mit 69 den roten Haaren dort: Wer hätte gedacht, daß die eine Sünderin sein kann –

Doch schon knistert auf einen Wink des Richters das Reisig um den Holzstoß der Kranken von leckenden Feuerschlangen; und schon gießen sie von allen Seiten Öl hinzu. Plötzlich schlägt eine Riesenflamme um das Bett empor, auf welchem die Ketzerin in ihrem Fieber Gebete murmelt, und vereinigt sich über ihm zu einem rotlohenden Zeltdach! Wenige, gräßliche Schreie schrillen aus dieser feurigen Wiege christlicher Nächstenliebe hervor – dann frißt das entfesselte Element mit vielfältig aufschnellenden roten Zungen unter Geknatter und Geprassel Holz, Bettstatt, Strohsack und Menschenleib in sich ein, ohne daß ein einziges Auge die befreite Seele davonschweben sähe.

In den Fenstern des Palastes und auf dem Balkon aber, wo der Bischof mit gefalteten Händen zu Gott betet, singen sie: ganz, wie sie es in der Kirche tun, falsch; und ganz wie in der Kirche durch die Nase. Mit Blicken frommer Mordgier plärren sie über das Gemurmel des Volkes hinweg, in das Geknatter des Feuers hinein; und während sie psalmierend dem Vernichtungswerk der Flammen folgen, spüren sie den Schauder der Genugtuung, daß der Allmächtige über seine Widersacher triumphiert, ihre krummen Rücken hinabrieseln. Nur einer, Magister Gervasius, der Schreiber des Inquisitionstribunals, schielt an drei angstverzerrten Gesichtern vorbei nach dem letzten Scheiterhaufen hinunter, wo Isa zum Himmel emporschaut und mit offenen Lippen in sein dunstiges Abendblau hinein unhörbare Worte stammelt.

Ist er nicht in der Nacht in ihren feuchten Kerker hinabgestiegen und hat ihr noch einmal das Leben schenken wollen, wenn sie ihm ihren Leib schenken wollte? Hat sie ihn nicht mit 70 einer Verwünschung von sich gestoßen zum Danke dafür, daß er sich bereit zeigte, sich von ihrem bösen Blick geheilt zu erklären und seine Anklage zurückzuziehen? Mag sie denn brennen! Er wird ihre Flammen so wenig löschen, wie sie die seinen löschte! Aber er wird vielleicht von seinem Fieber befreit werden, wenn er sie schwarzverkohlt an der Stange hangen sieht . . .

Unterdessen hat das Volk von der alten Hexe, welche die jungen Frauen unfruchtbar machte, kein Auge abgewendet: sie kommt als nächste dran; und ihr wird kein Öl zugebilligt. Während noch der Gluthauch des aufgeregt verlodernden ersten Scheiterhaufens ihr immer wieder das Armsünderhemd hochbläst, so daß ihr ausgemergelter, bereits vom Leben braungebrannter Körper wie ein Schrecknis sichtbar wird, knistern und knattern auch schon die Flammen ihres eigenen Holzstoßes empor, umwickeln sie unversehens wie goldene Drachen und streifen ihr mit einer vereinigten Züngelbewegung das weiße Hemd und die grauen Haare ab. Sie rüttelt machtlos an ihren Banden und stößt schnappende, kraftlose Schreie aus, die übertönt werden von dem neu einsetzenden lauten Gesang der Mönche und dem Geprassel des Scheiterhaufens, welcher auf einmal in helle Wut zu geraten scheint und das dürre menschliche Knochengestell droben an der Stange in seine lodernde Umarmung hereinreißt.

Der Richter blickt auf den dritten Ketzer; die beiden Henker schauen zu dem Richter hinan. »Hochwürden, dieser Mann hat ein gutes Leben geführt und hat bei allen, die ihn kannten, in bestem Rufe gestanden: soll er nicht zuerst erdrosselt werden?« – »Tut, was Eures Amtes ist, und fragt nicht erst lange!« zürnt der Bischof. »Durch Ketzer, die gut gelebt haben, wird das Ansehen der Kirche ganz besonders geschädigt . . .« Ein Zeichen; und die Flammen schlagen auch um diesen Verruchten empor: 71 er schreit nicht, sondern zuckt nur und strampelt und keucht. Nach kurzer Zeit hängt er regungslos am Pfahle, nicht anders als die beiden ersten von den Flammen geröstet. Ein dem seinen völlig fremdes Leben ist es, das noch eine Weile in seinem Körper waltet, ihm überall die Haut schwellt und den Dampf zerplatzender Blasen durch die aufleckende Glut hindurchzischen läßt . . .

Droben aber singen sie wieder und schwingen die Weihrauchfässer. Auch das Weib, das mit dem Teufel gebuhlt hat, darf auf keine Milderung seiner Marter hoffen: schon umtanzen es die Flammen, reißen ihm das Armsünderhemd ab und tragen es über die Köpfe der johlenden Menge hinweg, während fette Glieder und ein unförmlicher Leib durch den Glutschleier hindurch sichtbar werden . . . »Du, trägt die nicht ein Kind?« ruft eine Stimme. – »Vom Teufel, ja! Mag's mit ihr brennen!« . . . Aber das wilde Schreien und Heulen der Sterbenden, die in ihrer Nacktheit tobend an den Stricken rüttelt, ist stärker als alle Worte und übergellt den menschenbesetzten Platz wie eine rasende Beteuerung ihrer Unschuld – bis es plötzlich verstummt, als habe sich eine unsichtbare Hand auf den ketzerischen Mund gelegt. Ein vierter Menschenleib hängt braun und regungslos an der Stange.

Nun blicken Bischof, Richter, Mönche, Volk nach Isa. Die Glut von vier lohenden Scheiterhaufen erleuchtet ihr rotgoldenes Haar, verweht auch ihr immer häufiger die elende Hemdhülle und zeigt den Frommen die verführerische Schönheit ihres jugendlichen Körpers. Flüstert der wie dürstend offenstehende Mund nicht Liebesworte vor sich hin? Wenn man mit der sündigen könnte, möchte sich's wohl lohnen! Aber eben, damit das nicht geschehen kann, verbrennt man sie jetzt. Bereits soll sie einem geistlichen Herrn die böse Sucht ins Blut gezaubert und 72 ihm das Herz versengt haben! Binnen kurzem wird sie so aussehen, daß es auch den Heißblütigsten nicht mehr gelüstet, bei ihr zu liegen . . .

Der Richter winkt; der eine Henker legt Feuer an. Da tönt aus der hintersten Ecke, wo die jungen Kreuzfahrer stehen, eine laut schreiende Jünglingsstimme: »Herr, tu ein Wunder! Herr, ein Wunder!« Stephan hält beschwörend seine Briefrolle empor; und mit Ellenor, die blaß wie der Tod, der sie alle schreckt, neben ihm flehend die Arme gen Himmel hebt, schreien auch Eustachius und Alix und all die andern Knaben und Mädchen in schriller Verzweiflung zu Gott. Es ist ihnen, als stünden sie selber dort an der Stange und spürten die Flammen ihre Fußsohlen versengen und gegen ihre Knie emporschlagen.

Da kommen, während der ganze Platz dorthin schaut, wo die fremden Kinder stehen, aus einer Seitengasse hartklingende Hufschläge angeschmettert, so daß allen ein eisiger Schreck ins Genick fällt. Ein Reiter im Eisenwams zerteilt die aufkreischende Menge bis zu Isas Scheiterhaufen hin, spaltet mit aufblitzendem Schwerte dem wie gelähmt dastehenden Henker den Schädel, so daß das hervorspritzende Blut den zusammensinkenden Leib voraus auf das angebrannte Reisig fällt. Und weiter sprengt er, während das Volk in blindem Entsetzen auseinanderstiebt, mit unablässig nach außen geschwungener Klinge den fünf Scheiterhaufen entlang und auf ihrer andern Seite zurück.

Nur der Bischof, die Richter und die Mönche, die sich in dem Palast in Sicherheit befinden, sehen jetzt, daß diesem ersten Reiter ein zweiter mit wallendem Bart gefolgt ist, vor Isas aufknisterndem Holzstoß jäh sein Roß anhält, mit ein paar raschen Schwertstrichen sie aus ihrer Fesselung losschneidet und, indem er die halb bewußtlos ihm an den Hals Sinkende in seinem linken 73 Arm auffängt, dem bereits wieder durch dieselbe Gasse abreitenden ersten Reiter nachstürmt. Da ertönt auch schon durch das Gejammer und Gestöhne der Überrittenen und Niedergestampften hindurch der Ruf der unversehrt Gebliebenen: »Der Teufel! Sie haben den Teufel hergerufen! Es sind auch Ketzer!«; und alle blicken drohend nach der Ecke des Platzes, wo noch eben die jungen Kreuzfahrer standen und den Himmel um seine Dazwischenkunft anflehten. Sie sind verschwunden, in sinnloser Angst durch die leeren Gassen der Stadt und zum ersten, besten ihrer Tore hinaushastend.

Unter den vernichtenden Blicken des Bischofs erhebt sich der Bürgermeister, um sofort die Verfolgung der beiden Reiter anzuordnen; aber die Stadtknechte haben es weniger eilig, dem leibhaftigen Gottseibeiuns nachzujagen. Auf dem Platze lohen unterdessen, ganz für sich allein, fünf Scheiterhaufen – vier gesättigt erlöschende um unkenntlich verschmorte Menschenleiber; der fünfte, lebhafteste, wie ein geprellter Liebhaber um eine leere Stange herum –: und wie dieses letzte, so hat auch das erste der Feuer eine Besonderheit für sich, indem unter dem verkohlten Leichnam der Ketzerin das Bett, auf dem sie lag, völlig weggebrannt ist, so daß sie nur noch in der jetzt rotglühenden Kette hängt, mit welcher sie umwickelt und an dem Pfahl festgebunden wurde. In der windstillen, aber immer noch föhn- und feuerwarmen Abendluft liegt, in unbewegliche Rauchschwaden eingewirkt, der Geruch gerösteten Fleisches und verbreitet sich, zusammen mit dem langsam abziehenden Pöbel, der murrend seine Toten und Verwundeten mit sich schleppt, allmählich über die ganze Stadt.

Aber das sind weltliche Dinge, mit denen sich die Diener der heiligen Kirche nicht zu befassen brauchen und welche ihnen die 74 Feier des Tages nicht beeinträchtigen dürfen. Als ob nichts geschehen wäre, tritt der Koch mit einem silbernen Waschbecken auf den Balkon heraus; und der Bischof taucht die Hände hinein und trocknet sie mit würdevollen Bewegungen an dem dargebotenen Tuch ab. Auch die Mönche werden von Knaben mit Wasserschüsseln bedient, wobei sich ihre Gedanken allmählich von den Ereignissen des Platzes ab und den Herrlichkeiten des festlich ausgeschmückten Saales in ihrem Rücken zuwenden: alle werden sie gewahr, daß während des Ketzergerichtes auf der langgestreckten Tafel die wohlduftenden Gerichte für das Festmahl zu Ehren des hl. Dominikus aufgetragen worden sind und nur darauf warten, daß ihnen die gebührende Ehre erwiesen wird.

Das schwere Tagewerk ist zu Ende. Die hl. Inquisition hat die Feinde Gottes für einmal wieder – wenigstens soweit es ihr möglich war – ausgerottet; ganz besonders der Bischof bewegt sich in diesem Gefühl seinem Sessel entgegen, welcher in der Mitte des ausgedehnten Tisches an der Mauerseite steht. Und mit einem Rundblick äußert er sich feierlich: »Setzen wir uns, meine Brüder!«

Und sie setzen sich und preisen den Allmächtigen, der soviel Wunderbares gewirkt hat zum Ruhme seines Namens und dem seines auserwählten Dieners, des hl. Dominikus. Und während durch die offenstehenden Fenster der brenzlige Gestank der Richtstätte hereindringt, essen und trinken sie mit großer Fröhlichkeit von den Gaben des Herrn, die vor ihnen stehen. Und erst beim Nachtisch meldet sich, zuerst bei dem, dann bei jenem und zuletzt bei allen, im Hintergrunde ihrer satten Seelen das fromme Bedauern, daß sie nicht auch die gefährliche junge Hexe haben brennen sehen . . . 75

 


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