Konrad Falke
Der Kinderkreuzzug
Konrad Falke

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16. Zwiegespräch I

»Was machst du da?«

»»Du siehst es. Ich liege an einem schönen Bächlein im Gras, bequem auf dem Rücken, mit den Armen unter dem Kopf, und schaue durch die Weidenkätzchen, die über mir hangen, in den Abendhimmel hinauf . . .««

»Also du faulenzest?«

»»Ja, ich faulenze. Was soll man auch im Lenz anderes tun? Und was hast du etwa anderes vor, wo du so daherspaziert kommst?««

»O bitte – ich bin müde. Rechtschaffen müde.«

»»Ist das ein so großer Unterschied?««

»Natürlich . . . Müde ist, wer möchte und nicht kann. Faul, wer könnte, aber nicht will.«

»»Hui! Man merkt dir immer noch an, daß du aus der Klosterschule entlaufen bist. – Willst du mir wirklich eine Predigt halten, Jonas?««

»Wenn du nichts dagegen hast, so leiste ich dir etwas Gesellschaft. – Vom heutigen Marsch sind mir alle Glieder aufgeschwollen; ich möchte fast sagen: die Seele ist mir geschwollen . . . Ach, sich so auszustrecken tut gut . . .«

»»Ganz deiner Meinung. Man kann auch im Liegen, nicht nur im Stehen, fromm sein . . . Aber ihr Männer wollt immer mit viel Geräusch die Welt durchstürmen!««

»Heute nicht mehr. Heute brennen mich die Füße wie im Fegefeuer . . . Wenn wir nur schon in Jerusalem wären!«

296 »»O – ich bin in Jerusalem!«

»Wieso?«

»»Ich bin immer in Jerusalem, wenn ich glücklich bin.«

»Und warum bist du jetzt glücklich?«

»»Weil ich endlich einmal vor den andern Ruhe habe! Die beten jetzt und lassen sich wieder von der unausstehlichen Nonne etwas vorquatschen. Wie die immer den Mund büschelt, als hätte sie in Gedanken versäumte Küsse nachzuholen . . .««

»Sonst sieht man kaum, daß du die andern fliehst . . . Wo ist Arnold? – Es ist schon ein Wunder, wenn ihr einmal nicht beieinander steckt!«

»»Ach, der! Der muß natürlich bei der Vesperandacht mit dabei sein; der tut's nicht anders . . . Das ist ein Bravio!««

»Bravio? – Was heißt das?«

»»Nun, das heißt, daß er ganz widerwärtig brav ist. Stinkbrav, wenn du's wissen willst . . .««

»Dich kann man allerdings nicht Solydia taufen –«

»»Wenn du nur gekommen bist, um mich zu verhöhnen, so geh lieber wieder!««

»Wieso? – Ich meine nur: dich würde der Papst auch nicht heilig sprechen.«

»»Mir genügt, wenn du mich selig machst.««

»Du – mir scheint, du bist doch noch nicht ganz in Jerusalem.«

»»Kann sein. – Mir ist es eben langweilig um den Mund.««

»Langweilig um –? Das ist nicht übel.«

»»Nun ja: meine Lippen haben es einsam.««

»Sollen ihnen die meinen ihr Beileid ausdrücken? – So – und so – und so!!!?«


»»Sind wir nun etwa nicht in Jerusalem?«« 297

 


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