Konrad Falke
Der Kinderkreuzzug
Konrad Falke

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22. Jude, Mönch und Weib

Nach langem Abwärtssteigen auf dem Berggrat tritt Franz aus dem Walde heraus und blickt, zwischen den letzten Föhren auf einer Felsenkanzel stehend, durch den nachmittäglichen Sonnendunst hindurch auf die drunten im Tal vorbeiziehende Heerstraße hinab, auf welcher, ganz wie ihm vorausgesagt worden war, verstreute Trüppchen pilgernder Kinder dahinwandern. Nicht mit ihren Kreuzen und Fahnen, wohl aber mit ihren bald roten, bald gelben Röcken und Wämsern stechen sie aus dem Grün der Landschaft hervor, das seine erste Frühlingsfrische eben verloren hat und bereits in Laub und Gras die Schwere alles Irdischen durchdunkeln läßt; und um so mehr lenken die langsam auf dem hellen Grau der Straße sich verschiebenden Farbentupfen die Aufmerksamkeit auf sich, als auch die Obstbäume in den Wiesen ihr weißschimmerndes Hochzeitsgewand abgeworfen haben und sich nach der ersten Begeisterung über das neu in ihnen erwachte Leben allmählich mit der Gewohnheit des Daseins abzufinden beginnen. Nicht minder fangen die jungen Streiter Christi an zu merken, daß einem schon eine schlichte sommerliche Erfüllung schwerer wird als alle Frühlingshoffnungen zusammengenommen.

Franz sieht, daß er den Anschluß an das Kreuzfahrerheer nicht 311 mehr verfehlen kann; und eben darum spürt er auf einmal die Müdigkeit des Tages in den Gliedern und wirft sich unter einen nahen Schattenbusch, um seinen heißgelaufenen Leib etwas verkühlen zu lassen. Da hört er schwere Tritte auf dem Felsensteig, der von rückwärts der Berglehne entlang schief aus der Tiefe heraufklimmt und hier den Beginn des Gratrückens erreicht; es ist der Pfad, den er nachher selber hinabsteigen wird. Wer kommt? Zwei alte, bärtige Trödeljuden, welche mit ihren Reffen auf dem Rücken, die allerlei Alltagsnotwendigkeiten enthalten, gewiß das Kloster in der Höhe heimsuchen wollen, an dem er vorbeizog.

Nacheinander tauchen sie aus der Tiefe auf; und Franz sieht, wie sie keuchend und schwitzend zwischen den Föhren Halt machen, wo auch er gestanden und ins Tal hinabgeschaut hat. Dann stellen sie ihre Traglasten ab und setzen sich auf die beiden länglichen Felsblöcke, welche die Natur als Ruhebänke hingestellt zu haben scheint und die von müden Wanderern auch dankbar als solche benutzt werden. Und also sitzend blicken sie auf die Heerstraße hinunter, auf ihren Gesichtern den Ausdruck einer andauernden Anteilnahme an einem Vorgang, der sie tiefer beschäftigt und sie schließlich zum Austausch ihrer Gedanken zwingt.

»Es kommen immer noch neue Scharen!« sagt kopfschüttelnd der eine, blickt nach rechts aus und kann den über die große Nase hinwegzielenden Blick nicht abwenden.

»Sie sind auf der Suche nach dem Reiche, das nicht von dieser Welt ist,« nickt mit leisem Ingrimm der andere, ältere von beiden. »Verstehst du, Isaak, was das heißt: Mein Reich ist nicht von dieser Welt!?«

»Nein, das kann ich mit dem besten Willen nicht verstehen,« staunt der jüngere vor sich hin.

312 »Ich auch nicht . . . Wer die Gebote des Herrn erfüllt, dem läßt der Herr es schon hienieden wohlgeraten. Sein Weib ist fruchtbar; und sein Stamm blüht in Kindern und Kindeskindern.«

»Weißt du, was ich glaube, Abraham? Das ist die Rache Jehovas an diesen Christenhunden!« flüstert Isaak fast geheimnisvoll und mit einem Lächeln, in welchem die alte Drohung »Aug' um Auge, Zahn um Zahn« aufleuchtet. »Uns halten sie in ihren Städten eingesperrt wie das Vieh – und schlachten uns auch gelegentlich ab wie das Vieh. Und siehe da: Was tut der Herr, der einst das Meer sich teilen und stillestehen ließ, um sein auserwähltes Volk zu retten? Er verstreut den Samen unserer Peiniger in der ganzen Welt und läßt ihn zugrunde gehen . . .«

»Und läßt ihn zugrunde gehen! – Jehova ist groß; und wir brauchen nicht zu verzweifeln,« nickt der Alte vor sich hin. Dann erhebt er sich und tritt zu seinem Reff, während er sich mit dem Ärmel den angesammelten Schweiß von der Stirne wischt. »Mittlerweile verkaufen wir den Christen unsere Ware; und sie geben uns ihr Geld – damit es unsern Kindern gut gehe in dieser Welt!«

»Hoffentlich muß ich von meinen Wachskerzen keine einzige mehr herunterschleppen!« ächzt verbissen der Jüngere, indem er ebenfalls die Arme in die Tragriemen hineinschiebt und sich unter seiner Last auf die Beine zwingt. »Mögen sie bald alle am Altar der unbefleckten Mutter Gottes stehen . . . Verstehst du das, Abraham: Unbefleckte Mutter Gottes?«

»Bewahre! Aber ist es nötig?« knurrt der rüstige Alte, während er mit krummem Rücken bereits den waldigen Grat hinanzusteigen beginnt. »Das wird auch zu den Dingen gehören, die nicht von dieser Welt sind . . .«

313 Franz blickt den beiden aus seinem Versteck heraus nach. Soll er aufspringen und sie mit seinem Knüppel totschlagen? Während drunten die Kinder ihrer Seligkeit entgegenzuwandern glauben, freuen sich hier diese elenden Krämer darüber, daß Gott sie ins Verderben führe! Aber noch bevor das Geklirr ihrer Bergstöcke in der Höhe verklungen ist, kommt ihnen ein Geklapper von Holzschuhen aus der Tiefe herauf nachgefolgt: es erscheinen zwei Mönche, welche offenbar in ihr Kloster heimkehren, und lassen sich auf eben die beiden Felsblöcke nieder, auf denen die jüdischen Händler gesessen haben.

Franz redet sich ein, daß nur die Dazwischenkunft der Mönche ihn daran gehindert habe, sein wildes Vorhaben auszuführen; dann verliert er sich alsbald in ihrer Betrachtung. Des einen sonnenbraunes Gesicht ist von allen Seiten her einem Würfel ähnlich: man vergißt über den Ecken des spärlich behaarten Hinterkopfes, der runzeligen Stirn und den beiden breit ausladenden Unterkiefern völlig die kleine Nase und die dünnen Lippen, von den kalten grauen Augen nicht zu reden; der Blick gleitet überall wie an Burgmauern ab. Neben diesem Kuttenmann, dessen Seele sich resolut in seiner irdischen Leiblichkeit niedergelassen hat, wirkt das einem mageren Körper entsteigende bleiche Gesicht des andern wie eine höllische Unruhe: das Kinn flieht zurück; die lange Nase über den aufgeworfenen roten Lippen quillt mit roten Nüstern vor; die braunen Augen brennen dunkelheiß unter dem schwarzen Haar, und durch die weitabstehenden Ohren scheint rosig die Sonne hindurch.

Auch diese beiden Wanderer schauen eine Weile in die Taltiefe hinunter, wo immer neue Scharen der jugendlichen Kreuzfahrer vorbeiziehen. Leise dringt der Gesang einer Gruppe herauf, deren Seele der Müdigkeit des Leibes länger widerstand 314 als die der andern; und verhallt dann wieder mählich, mählich, so wie ein weißes Wölkchen am blauen Himmel zerfließt. Franz lebt ganz in dem Lied, das selber nur einer der Töne des großen, über Berg und Tal hinklingenden Reiseliedes der Jugendsehnsucht ist – und das er wohl hört, aber nicht mitsingen kann –; und während sein Blick noch den Schwalben folgt, die mit schrillen Schreien die Föhrenwipfel umflitzen, fühlt er sich plötzlich zu seinem Verdruß durch die Stimmen der beiden Neuangekommenen auf die Erde herabgerissen –

»Was lachst du?« fragt der Alte den Jungen.

»Ich denke daran, daß das da unten alles fleischgewordene Lüste sind. Wandelnde Todsünden, die jetzt Gott der Sühne entgegenführt.«

»Gott ist weise,« versetzt mit zwinkernden Augen der andere. »Es gibt ohnehin zu viel Menschen! Viel zu viel Menschen . . . – Aber das ist doch nicht zum Lachen, wie?«

»Doch, doch! Wenn du recht hinblickst, Bruder, so siehst du überall dort, wo jetzt ein Bub oder ein Mädchen durch die Welt zieht, einen Mann und ein Weib verbuhlt sich in Armen liegen –«

»Du bist nicht übel hellsichtig! Du blickst ja in die Zeit wie in einen Brunnen hinunter!« lacht der robuste Kuttenträger los, indem er den Jungen mit dem Ellenbogen anstößt. »Und das gefiele dir selber auch, nicht, bevor dich ›wandelnde Todsünde Gott der Sühne entgegenführt‹?«

»Sollen wir mit unserm Leben nur die Sünde der andern büßen und nicht auch selber wissen, wie sie schmeckt? Und hat nicht Christus gesagt, daß, wer ein Weib auch nur in Gedanken begehrt, schon ein Sünder sei? Wer aber kann das vermeiden? Nun also! Wenn ich schon ein Sünder sein soll, so will ich's auch eben recht sein. Mir genügt's nicht an der bloßen Gedankensünde . . .«

315 »Du bist ein Teufelskind!« kichert der Alte immer noch vor sich hin, so daß es aussieht, als sei ein dicker Turm ins Erdbeben geraten. »Du hältst dich zwar nicht ganz an den Buchstaben der Schrift; aber dafür ist deine Auslegung um so schlagender. – Will das doch einmal unserm Abt sagen, der auch immer meint, man sei für seine Träume haftbar . . .«

»Also du meinst wie ich: Wenn schon denn schon!? – Du, hätten wir da nicht von diesen Mädchen ein paar in unser Kloster mitnehmen können, dir und uns allen zur Ergötzung? – Wenn sie Gott schon will zugrunde gehen lassen, warum sollten sie nicht zuerst seinen Dienern das Leben versüßen dürfen?«

Sein Gefährte will eben erwidern, er wolle sie offenbar nicht anders als wilde Tierlein abfangen, da hören sie hinter sich Schritte. Und wie sie Franz gewahren, der heimlich aus seinem Versteck aufgestanden ist und sich den Anschein gibt, als käme er den Waldgrat herunter, ziehen sie beide den Rosenkranz hervor und neigen ihre Häupter so leise flüsternd über die abgegriffenen Holzperlen, als könnten sie damit die noch eben laut gesprochenen Worte wieder zurücknehmen. »Gelobt sei Jesus Christus!« spricht Franz, indem er zu ihnen tritt. – »In Ewigkeit, Amen!« erwidern die Mönche.

Und wieder folgt Franz mit dem Blick den bunten Wanderscharen der jugendlichen Kreuzpilger, auf welche er so kurz hintereinander zuerst die schlimmen Wünsche des Hasses, dann die noch schlimmeren der Gier hat hinabstoßen hören. Und obschon ihm diese Knaben und Mädchen, deren Führer er sein wollte, nach jedem Zusammentreffen über kurz oder lang wieder ausweichen, so daß er nur noch wie ein Zuschauer neben ihnen hergeht, so erbarmt sich doch sein gewitzigtes Herz ihrer Unerfahrenheit und ihres Leichtsinns. Und es ist nur eine Frage, 316 die ihm schon lang auf der Seele brennt, wie er jetzt halb für sich selbst, halb zu den Mönchen die Worte spricht:

»Wenn Gott ein Gott der Liebe ist: Wie kann er es zulassen oder gar selber bewirken, daß Tausende junger, frommer Seelen voll Verblendung in ihr Verderben hineinrennen?«

»Dann kannst du ebensogut fragen, Bruder: Warum läßt Gott das Böse zu in dieser Welt? Warum verjagt er den Teufel nicht, wenn bei ihm doch alle Dinge möglich sind?«

Und die flackernden Augen des Jungen brennen Franz aus einem bleichen Gesicht entgegen, dem am Kinn ein kurzer, dunkelkrauser Bart entsproßt.

»Das will ich allerdings fragen!« schreit Franz auf einmal wild heraus. »Ich möchte wissen, warum es keine Treue mehr gibt in dieser Welt; und warum gerade der Gute leiden muß in ihr.«

»Mein Bruder in Christo!« beginnt da der ältere Mönch voller Salbung und sichtlich bemüht, den kalten Spott und Eigennutz in seinem Wesen zu überwinden. »Die Antwort auf diese Frage kann nur einer Gelahrtheit gelingen, die sich vielleicht deinem Verständnis nicht ohne weiteres erschließt –«

»Mach's kurz!« grollt ihn Franz an. »Eine Antwort über Gott, die nicht jeder verstehen kann, ist überhaupt keine Antwort.« Und er schwingt bedrohlich seinen Knotenstock, als gälte es, von dem Alten eine verschwiegene Wahrheit zu erpressen.

Aber schon fährt dieser mit listig zwinkernden Äuglein fort: »Lieber Freund! Die Welt ist Gottes Kleid; und Gott, das ewige Leben, ist ewige Bewegung. Wie sollte da nicht das Kleid Falten und wie sollten die Falten nicht Schatten werfen? So ist auch das Böse der Schatten, welcher zu nichts anderm dient, als um uns das Licht, das Gute, erkennen zu lassen – und mithin nichts Wirkliches . . .«

317 »Nichts Wirkliches, du Hund?« brüllt Franz und packt den Vierschrötigen Philosophen bei der Kutte. »Nichts Wirkliches, wenn einem, der betrogen und verlassen wurde, das Herz im Leibe sich umdreht? Nichts Wirkliches, wenn dort unten so viele Jünglinge und Mädchen, die nichts von Sünde wissen und nur der Sehnsucht ihrer Seele folgen, in ihren Untergang hineinpilgern? Und du kannst auf dieses Schauspiel herniederblicken und dich freuen darüber, daß von den »vielzuvielen Menschen« wenigstens diese bald aus der Welt vertilgt sein werden, du Wolf im Schafspelz?«

Da schnellt der Jüngere herum, der zuerst begriffen hat, daß sie belauscht worden sind. »Was geht es dich an, was wir hier miteinander reden, du Spion?« zischt er ihm giftig in die glühenden Augen. »Wie kommst du dazu, die Zähne zu fletschen und mit den Armen zu fuchteln, als wärst du selber der Weltenrichter und nicht ein stockdummer Landstreicher? Wahrlich: Du bist ein Schaf im Wolfspelz!«

»Und du ein Schaf im Schafspelz! Aber ein stinkender Bock!« schreit Franz und holt mit seinem Knüppel über dem Haupte aus. »Ich will dir bei lebendigem Leibe das Fell gerben, so daß du nachher ein halbes Jahr nicht mehr liegen kannst – nicht einmal mit einem Maitli zusammen!«

Und während die beiden Mönche zeternd, und mit ganz unvermuteter Geschwindigkeit in ihren Holzschuhen, den felsigen Gratweg hinaufhasten und alsbald zwischen den Tannen verschwinden, haut Franz noch immer wie ein Rasender um sich. Aber er ist doch stehen geblieben; und er hat auch nicht zugeschlagen, als es noch Zeit war zum Treffen! Warum? – Weil er nichts Wirkliches verteidigte; sondern nur etwas, von dem er wohl wünschte, daß es Wirklichkeit wäre . . .

318 Er setzt sich jetzt selber auf die eine der beiden Felsbänke und stiert wieder auf die Heerstraße hinunter, wo im beginnenden Abendschein endlos die Kinder vorbeiwandern. Sind sie denn so aller Sünden frei, daß er sich für sie in diesem Maße entrüsten durfte? Und hat er es nicht immer wieder aufs neue erfahren müssen, daß nicht nur die andern Menschen nicht sind, wie man sie sich vorstellt, sondern daß man oft selber nicht der ist, der man sein möchte? Armer, kleiner König Nikolaus: Wie du schon längst in einem unbekannten Wäldchen begraben liegst, während die jungen Kreuzfahrer dort unten getreulich dir nachzuziehen glauben, so ist auch schon so manchem aus deiner jugendlichen Heerschar die goldene Krone reinen Gefühls in den Staub des langen Weges gesunken, während er sich immer noch einredet, er pilgere ihr entgegen . . .

Da tritt – auf dem Felsenpfad aus dem Tal heraufgestiegen – ein junges Weib auf die Kanzel heraus, mit einem roten Tuch um den Kopf und einem Laib Brot im Armkorb, und schaut aus ihrem vom Widerschein des Tuches rosig beleuchteten Antlitz mit lachenden Augen und Lippen auf die Kinderscharen hinunter, wie auf jemand, von dem man noch einmal Abschied nehmen will.

»Bist du den Kindern auch begegnet?« fragt sie Franz.

»Einen ganzen Laib Brot hab' ich an sie verfuttert von den zweien, die ich heimbringen sollte!« redet sie fröhlich vor sich hin. Und sie steht breit und fest da und winkt mit der freien Hand über das Gefelse ins Tal hinab.

»Aber was wird dein Mann dazu sagen?«

»O, seinen Laib kriegt er! Und ich denke dann an die glücklichen, dankbaren Gesichter, als ich am Wegrand saß und allen, die die Hand streckten, ein Stück abschnitt. Und wenn ich meinen 319 Kindern erzähle, daß sie ihren Teil armen Brüderchen und Schwesterchen geschenkt haben, so werden sie so glücklich sein wie ich und auch ohne Brot wissen, daß es Sonntag ist . . .«

Und sie winkt wieder, obgleich die jungen Kreuzfahrer sie nicht sehen können: nur um zu winken. So wie sie schenkte, nur um zu schenken! Aus der gütigen Kraft und Fülle ihres Wesens heraus.

»Ist es nicht ein vermessenes Unternehmen dieser Unmündigen, das heilige Land erobern zu wollen?« forscht Franz weiter.

»Freilich! Ich möchte nicht mit ihnen ziehen!« lacht sie ihn an, wobei ihr auf den vollen Wangen und an der Kehle die Schweißperlen glänzen. »Aber warum sollen sie nicht auf ihre Weise selig werden? Und warum sollte ich ihnen nicht helfen dabei? Wenn jeder nur soviel beiträgt wie ich, so kommen sie schon ans Ziel . . . Ja, wie schön könnte es überhaupt in dieser Welt sein, wenn jeder dem andern helfen wollte, selig zu werden! . . . Gute Reise und – gute Nacht!«

Mit diesem letzten Wunsch, den sie mit einem schalkhaften Blick begleitet, wendet sie sich ab und steigt, am kräftigen Arm ihren übriggebliebenen Laib Brot im Korb tragend, den Waldgrat hinauf. Warum will sie andere selig werden lassen? Weil sie selber selig ist! Und Franz schaut und sinnt ihr noch nach, wie sie schon lange die Tannen in ihr Dunkel aufgenommen haben.

Wahrlich, über so einer könnte er sogar seine Agathe vergessen! Aber wenn einem »so eine« begegnet, gehört sie immer schon einem andern; denn nur bei einem Mann wird ein Mädchen zum Weib. Es ist leichter, einen blühenden Garten in Besitz nehmen zu wollen, als ihn aus einem magern Boden hervorzuzaubern . . .

320 Und Franz schreitet, dem Zickzack des Felsenpfades nach, vollends der Taltiefe zu. Soll er wirklich wieder einmal zu den jungen Kreuzfahrern stoßen und sehen, ob es ihm nicht doch gelingt, sein Schicksal mit dem ihrigen zu verflechten? Oder soll er auch diese Nacht wie ein Halbwilder auf irgend einem Baume schlafen? Er stellt es dem Zufall anheim, der ihm bisher noch immer weitergeholfen hat.

 


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