Konrad Falke
Der Kinderkreuzzug
Konrad Falke

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13. Die Hilfe des Grafen

»Herr, die Taube mit dem goldenen Fußring –«

Er schnellt vom Lager auf. Morgendämmerung vom offenen Fenster her. Vor ihm sein Leibknecht.

»Und die Botschaft?!«

»Nichts . . .« Ein bleiches Entsetzen erfüllt das Gemach.

»Keine rote Locke unter der Schwinge?«

Der Knecht starrt, schüttelt den Kopf.

»– Auf! Auf!«

Wie ein Junger wirft der Graf die Decke von sich. Der Knecht kleidet ihn an, legt ihm das Eisenhemd um, stülpt ihm die Haube über. Wann sollte das Alter jung werden, wenn nicht im Kampfe um eine bedrohte geliebte Jugend?

»Herr, sie satteln schon unten im Stall. Die Mägde verpacken den Mundvorrat. Alles wie Ihr es befohlen habt – Hier Euer 63 Schwert!« Während er ihm die Waffe einhängt, schreitet der Graf zur Türe hinaus und die dunklen Wendeltreppen hinab.

Waffengeklirr im Hof. Mann und Roß in leichter Panzerung: außer dem Leibknecht des Grafen zwei weitere Mannen. Aufsitzen! Sind die Vogelbauer festgemacht? Die Fallbrücke rasselt herab – vorwärts! –; die Bohlen dröhnen unter den Hufen. Und während die Brücke langsam wieder hochgezogen wird, reiten sie wortlos in scharfem Trab längs den Waldhängen ins Tal hinunter.

Sie kommen an der Schlucht vorbei, wo der Graf Isa im Bade sah. Es sind erst drei Tage her: bis am Abend können sie den jungen Kreuzfahrern auf der Spur sein. Jetzt sprengen sie unten im Tal dahin, auf der ebenen Heerstraße; und noch vor der ersten Stadt hat der Graf sich eine List ausgedacht.

»Habt ihr die Kinder gesehen, die nach Jerusalem pilgern?«

Die Pferde stehen, dampfen aus heißen Nüstern.

»Freilich, Herr. Das ganze Lumpenpack zog hier durch –«

»Mir haben sie eine Schafherde gestohlen! Eine rothaarige Dirne war auch dabei; die hat die andern angestiftet –«

»Ja! Ja! Erst vorgestern früh kam sie an. Die werdet Ihr schon noch erwischen.«

Sporenhiebe. Ausgreifende Schenkel von vier Rossen. Fort alle zusammen in der Staubwolke.

Und die Tiere fressen mit schäumenden Lefzen die Luft, mit den Hufen den Weg in sich ein. Felder gleiten, Bäume huschen entgegen und vorüber; die Sonne steigt und glüht, der Wind pfeift und kühlt. Um Mittag halten sie auf dem Marktplatz einer zweiten Stadt.

»Habt ihr die jungen Kreuzfahrer . . .? – Eine ganze Schafherde gestohlen . . . – Die Teufelsdirne mit den roten Haaren . . . – Schon weitergezogen?«

64 Die Pferde sind kaum mehr zu halten. Vor ihrem Aufbäumen fliehen die Menschen kreischend auseinander. Einer aber, der selber im Sattel sitzt, hört und versteht, bricht in ein Gelächter aus und schreit ihnen nach:

»Da braucht Ihr Euch nicht zu beeilen, Herr! Die hat nicht nur Eure Schafe, sondern noch einem geistlichen Herrn das Herz gestohlen und wird heute von unsern lieben Nachbarn verbrannt. Ich komme eben daher und habe gesehen, wie sie die Scheiterhaufen aufrichteten . . .«

– oder hat sich ihr eigenes Herz nicht stehlen lassen! knirscht der Graf in den wehenden Bart, während sie schon wieder zum andern Tor hinausrattern. Und kaum sind sie im Freien, so hageln sie in die dürre, hartgebrannte Heide hinein und beginnt ein Galopp auf Leben und Tod! Immer mehr werden die Kräfte der vier sturmgleich dahinfliegenden Pferde entfesselt; immer härter ballen sich die Willen der vier Männer zum verwegenen Entschluß zusammen.

Da bemerken sie unfern zu ihrer Rechten rauchende Trümmer. Also hat die Schreckensnachricht nicht gelogen: eine ganze Gemeinde, die dem neuen Glauben angehörte, wurde hingemordet! Mit einem flüchtigen Seitenblick erkennt der Graf den finstern Meilenstein eines Schicksals, das auch ihm sich unaufhaltsam nähert. Soll er sich jetzt seine Gegner noch selber auf den Hals laden, indem er ihnen einen Vorwand gibt, ihn zu befehden? Aber wenn er das Mädchen aus der Hölle herausholen müßte, er würde sich nicht besinnen –

Endlich tauchen in der Flimmerglut des Nachmittags die blaugrauen Mauern der Stadt auf, die ihr Ziel ist. Er wendet kein Auge von ihr ab – kräuselt sich nicht schon eine feine Rauchsäule über die Dächer empor? Das Tor steht offen – 65 und ist auch, weil alles die Ketzer brennen sehen will, nicht bewacht.

Die Schwerter blitzen aus der Scheide. Die beiden Dienstmannen bringen vor dem todesstillen Tor ihre rasenden Tiere zum Stehen, um den Ausgang freizuhalten, und hören jetzt plötzlich das wimmernde Armsünderglöcklein seine Töne versenden. Der Graf und sein Leibknecht aber sprengen, ein Gewitter gepanzerter Männlichkeit, durch die dunkeldonnernde Halle in die mörderische Stadt hinein . . .

 


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