Konrad Falke
Der Kinderkreuzzug
Konrad Falke

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4. Gerolds Selbstgespräch

Der Böse muß seine Hand im Spiele haben, daß ich diese Maid mit den roten Haaren nicht mehr finde! Oder ist sie am Ende gar eine Teufelin und von ihm selbst gesandt, mich von meinem Weg und Vorsatz abzuziehen? Wahrlich, sie war wie vom Erdboden verschwunden; und doch sprengte ich gleich hinter ihr her und hätte sie erreichen müssen, wäre sie auf der Straße weitergewandert . . .

Oder hat sie mich am Ende schon in der Kapelle erkannt und sich absichtlich hinter einem Busch vor mir versteckt? War ich ihr gut genug, sie vor den Bauernrüpeln zu retten; aber nicht gut genug, daß sie mir dankte, wie man einem Ritter dankt? Als ich endlich zurücktrabte, da war es schon zu spät: an zu vielen Kreuzwegen konnte sie abgeschwenkt sein; und wo ich unter verschiedenen Straßen zu wählen hatte, entschloß ich mich sicher für die falsche . . .

Mehr als acht Tage ist das her. Und jetzt reite ich mitten durch das Land, in welchem die Ketzer leben und in ihren frechen Liedern keinen Hehl daraus machen, daß sie einen andern Glauben haben als wir. Man spürt es ordentlich, daß hier die Luft vergiftet ist und daß die Gebete ohne rechte Kraft zum Himmel 17 steigen: auch mir will es nicht mehr gelingen, so wie ich sollte an das Grab des Erlösers zu denken . . .

Da kämpfen sie für den wahren Glauben, gegen die Ketzer; aber die beiden pilgernden Hirtenknaben fielen nicht minder ihrer Mordgier zum Opfer. Gut, daß es mir bis jetzt gelungen ist, diesen Wölfen auszuweichen! Wenn ich ihnen in die Quere käme, sie würden mich ebenfalls zerreißen. Das heißt eine Menschheit! Wenn sie nur morden und sengen können, so ist ihnen jeder Vorwand gut genug –

Aber was geht mich all dieses Blendwerk der Hölle an, Hexen und Ketzer? Schöne, dunkle Frau in meinem Herzen: Dein strenger und doch so süßer Blick will, daß ich mit den Kindern nach dem heiligen Lande ziehe! Und dein Wille allein soll etwas über mich vermögen, weil du auch deine Liebe mir schenktest! Oft freilich glaube ich, daß ich doch nicht nach Jerusalem, sondern auf irgendeinem wunderbaren Umweg nur zu dir, zu dir wallfahrte; und daß ich mein Heil erst dann gefunden haben werde, wenn ich wieder bei dir angelangt bin . . .

Ich will sie vergessen, die andere, der ich um deinetwillen wie einer Schwester begegnete – und die mich vielleicht eben darum wie einen lästigen Bruder verhöhnt. Ob sie mit dem Erzfeind im Bunde ist oder nicht: Sie soll meine Gedanken und Taten nicht länger von dem Pfade ablenken, den die Vorsehung mich führen wird, gleichviel wohin! Und wenn ich bete, so will ich für dich beten, die du mir mit dem Blicke der Seele und der Treue des Herzens nachfolgst und im Hintergrund meines Erlebens wie eine schützende Mutter dastehst: denn das ist nun einmal die Erfahrung, die ich gemacht habe, daß meine Seele nur noch beten kann, wenn sie zu dir betet; und daß alles andere mir nicht viel mehr als ein Traum ist, an den ich nicht glaube . . .

18 Was kann ich dafür: Seit ich dich kenne, trägt für mich die Mutter Gottes deine Züge! Ist das Lästerung, weil deine und meine Liebe Sünde ist in den Augen der Menschen? In meinem Herzen ist sie nicht Sünde. Du hast der Sünde die Sünde genommen! Du hast mich rein erhalten und gut gemacht. Du bist die Königin meines Geistes und die gnädige Herrin meines Leibes. Ein Weib wie du müßte es sein, das eines Tages die Welt erlöst. Amen!

 


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