Konrad Falke
Der Kinderkreuzzug
Konrad Falke

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7. Die Schergen der Hölle

Ha, gebannt waren sie jahrelang, weil sie als gute Kriegsknechte nach dem Willen derer mordeten, die sie bezahlten! Nun auf einmal sind sie zu Gnaden gekommen: Sie werden nicht mehr Rotten des Teufels genannt, die jeder Ritter wie tolle Hunde niederschlagen soll; nein, seit sie für die Kirche morden, sind sie im Handumdrehen auch wieder Söhne der Kirche geworden! Für diesen Kreuzzug gegen die Ketzer sind selbst sie dem Papste recht, welcher zu Rom sitzt wie die Spinne im Netze und gerade jetzt wieder einmal das Netz zusammenzieht!

Ist es aber wirklich ein Krieg für den Glauben? Ist er nicht bloß der erwünschte Vorwand für den Herrn Simon von Montfort, dem Grafen Raimund von Toulouse seine Ländereien wegzunehmen? Und wenn die großen Herren unter dem Kreuzbanner rauben und stehlen, warum sollten sie, ihre Dienstmannen, unter ihm nicht morden und sengen dürfen? Mag man sie immerhin Schergen der Hölle nennen: Wenn der Satan von dem allmächtigen Gott geduldet wird, so werden auch seine Sendlinge ihre Berechtigung in der Welt haben!

Und überdies: Was gibt es Besseres, um zu vergessen, daß man auch einmal in die große Mühle kommt, als selber zu vernichten und zu zermalmen? Haßt nicht gerade die Kraft, die schaffen kann, alles Geschaffene: schon weil es sich in seiner lichten Vollendung über ihren dunklen Zorn erhaben glaubt; und weil es ihr mit seinen festen Formen den Platz für weitere 31 Schöpfungen versperrt? Wahrlich, so sind sie, die bestellten Henker, nichts Geringeres als des Schöpfers linke Hand!

Welche Lust, wenn diese elenden Menschen durch die Straßen hasten und ihnen in die Schwerter rennen! Welches Fest, wenn die rotgoldene Flamme von Giebel zu Giebel springt und mit gierig leckendem Daherwehen all diese alten Fuchshöhlen ausbrennt, daß es wieder Raum gibt für neue Dächer und neue Wiegen! Und erst die Wonne, wenn man die Weiber in ihrer Kammer erwischt und wie ein Verfolgter, der im Vorbeigehen einen Becher in seinen Durst hineinleert, selber nicht weiß, ob man aus all dem Rauch, Balkenkrachen und Funkengeknister noch mit dem Leben davonkommt! Dann ahnen diese zappelnden, strampelnden Leiber auf einmal und strahlen es aus ihren entsetzten Augen: daß Gott und Teufel eins sind; und auch Schöpfung und Vernichtung eins! Und selbst bis in die Kirchen hinein hat der römische Oberhirt ihrem Schwert Erlaubnis gegeben, so daß das Gotteshaus für die Ungläubigen nur zur tödlichen Sackgasse wird. Dort können sie zuguterletzt bis an die Ellenbogen im zuckenden Fleische wühlen!

Was sie doch für ein stattliches Heer sind, das sich auf diesem Sammelplatz vereinigt hat! In drei Stunden ist Abend und sind sie bei der Stadt angelangt, die heute drankommt: Verrat wird ihnen die Tore öffnen, die sonst hart einzurennen wären; und dann mag's wieder einmal losgehen! Mit der stumpfen Keule, die herniederflegelt, und der scharfen Klinge, die herabsaust; und mit der würgenden Faust, wenn der Hand im Kampfe die Waffe entzweigebrochen oder verloren gegangen ist! Und Blut wird man wieder einmal schnuppern, das süßer riecht als alle Blumen in Klostergärten; denn in ihm wohnt der Schöpfungstraum und der Schöpfungsrausch und kann einen wohl 32 um den Alltags-Verstand bringen! Die Welt ist ein höllisches Gebrodel von Zeugen und Vernichten, von Tun und Erleiden: Wohlan, sie wollen nichts anderes sein als die Welt!

Seht, dort treten schon die päpstlichen Legaten mit den Kreuz- und Fahnenträgern an die Spitze; gleich wird der Anführer zum Aufbruch winken. Wie, noch nicht? Was grinst er und bespricht sich lange mit dem Kardinal? Ob denn in dieser Stadt alles Ketzer seien; oder woran man die Gläubigen von den Ungläubigen unterscheiden könne? Heia, da gibt der Kirchenfürst mit dem kleinen Kruzifix, das er in der Hand hält, selber das Zeichen zum Abmarsch –

»Tötet sie alle! Gott wird die Seinen zu erkennen wissen . . .«

 


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