Konrad Falke
Der Kinderkreuzzug
Konrad Falke

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33. Zwiegespräch III

»Lore!«

»»Was denn?««

»Kennst du die Geschichte von Tristan und Isolde?«

»»Nein.««

»Ist auch nicht nötig.«

»»Was waren denn das für zwei?««

360 »Wie wir zwei. Sie glaubten auch, daß dort Jerusalem und das heilige Land und alle Seligkeit sei, wo man sich in Armen liegt.«

»»Und ist das etwa nicht so?««

»Natürlich ist es so . . . Und einmal rasteten sie, wie wir hier, im schattigen Wald und fanden es süß, sich mit ihren Lippen eine Geschichte ohne Worte zu erzählen, bis die größte Hitze vorüber war.«

»»O, war das unklug von ihnen! – Oder ist es etwa klug, eine Glut mit der andern austreiben zu wollen?««

»Uns jedenfalls ist es gelungen . . . Meine Stirne ist frei und kühl; und hier die Haut an deinem Nacken und zwischen deinen Brüsten fühlt sich ebenfalls frisch an . . . – Zeig mal her: ich will sehen, wie manchmal ich diese Haarsträhne mir um den Finger wickeln kann!«

»»Du denkst wohl: so manches Mal, als du mich schon um den Finger gewickelt hast?««

»Du? – Fängst du wieder an, ein kralliges Fälklein zu sein? – Ei, wie du mit der Sonne droben in den Blättern boshaft um die Wette blinzelst! . . . Da: leg dein Haupt in meinen Arm und schlaf!«

»»Nein. Ich will jetzt die Geschichte von Tristan und Isolde hören.««

»Fällt mir nicht ein. – Liebesgeschichten sind nur für jene, denen selber die Liebe fehlt . . . Gehören wir zu ihnen?«

»»Warum hast du mich denn darnach gefragt?««

»Weil mir's gerade so einfiel – und weil ich daran dachte, daß wir, auch wenn wir Jerusalem niemals zu Gesicht bekommen sollten, zum mindesten miteinander eine fröhliche Hochzeitsreise machen . . .«

361 »»Können wir Gott besser dienen, als wenn wir lieb zu einander sind? – Und gelegentlich ein bißchen Zank ist wie das Salz zur Speise, nicht? – Das gehört zur gegenseitigen Erziehung!««

»Jedenfalls ist's eine angenehmere Schule als die, der ich entlaufen bin. Müßt' ich nochmals durch sie hindurch, ich wollte das Leben nicht mehr von vorne anfangen! Hundertmal aber mit dir, du weiland Klosternovize . . .«

»»Auch die Liebe will gelernt sein . . . Das Unglück der meisten Menschen rührt davon her, daß sie das nicht einsehen wollen! – Mich wundert nur, daß es einem nie langweilig wird!««

»Mich nicht. – Oder wird dir ein klares Bächlein mit seinem Geplauder langweilig, wo du doch jeden Tag Durst hast? – Also! Kuß!«

»»Du – hat's jetzt nicht in den Büschen geknackt? – Wenn nur kein wildes Tier –?«

»Dummes Zeug! Du träumst bereits . . . Schlaf, mein liebes Schaf!«

»»Nein, nein – Hörst du: ein Stöhnen und Schluchzen –««

»Wahrhaftig! – Richtig! – Eine alte Jungfer, die von der Straße hereingeguckt und uns zugesehen hat –«

»»Dort läuft sie! – Wie ein geprügelter Hund: so ist sie über uns erschrocken! – Die arme Schachtel mit dem blöden blauen Band im Haar!««

»Laß sie laufen! – Komm, wir wollen noch ein Stündchen schlafen! – Ich bin sicher, die weiß die Geschichte von Tristan und Isolde von A bis Z auswendig . . .« 362

 


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