Konrad Falke
Der Kinderkreuzzug
Konrad Falke

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21. Gerold als Kreuzritter

Er reitet und reitet und reitet.

Schon sind es über acht Tage her; und es läßt ihn immer noch nicht los. Warum, wenn er doch nur jene eine Nacht für sie sorgen wollte, denkt er mit jedem neuen Tag aufs neue an sie? Aber sie ist ihm ohne Dank und Gruß heimlich vor Sonnenaufgang entflohen; und eben darum eilt er ihr nach und möchte ihrer wieder habhaft werden.

89 Seltsam! Um ihren Dank in Worten entgegenzunehmen, nachdem ihm während des Rittes so lange der süße Druck ihres Leibes gedankt hatte?– Nein: Nur damit etwas zwischen ihnen zum Austrag gebracht würde, das – er fühlt es – wie ein Schicksal über ihnen steht. Sie haben sich noch etwas zu sagen, sich etwas anzutun – ein Liebes oder ein Leides!

Wenn sie freilich, in der Voraussicht seiner Verfolgung, den einen oder andern der Höhenzüge überstieg, so folgt er vergebens dem von ihnen eingefaßten Talgrund. Vergebens mustert er noch immer jedes Kindertrüppchen, das er einholt, nach dem roten Haarschopf und fragt die des Weges Kommenden über eine junge Kreuzfahrerin aus, deren Haupt wie eine Krone glänze, deren Haut heller als Elfenbein leuchte. Man lacht über ihn und läßt ihn auf seinem Roß als einen angehenden Halbnarren des Frauendienstes weitertraben.

Ritter pflegen den überwundenen Gegner ihrer Dame zu schicken . . . Will er die Magd etwa der geliebten Frau senden, damit sie ihr für den gewährten ritterlichen Schutz danke, weil nur die fortglühende Liebe zu seiner Herrin ihn so selbstlos machte, daß er sich einer Verirrten brüderlich annahm? Oder will er doch wenigstens, daß sie um den Grund seiner Selbstbeherrschung weiß und seine zurückgelassene Geliebte um ihn, den so adelig Liebenden, beneidet?

Er ist sich nicht klar, was er will; nur soviel ist ihm klar, daß in ihm selber etwas unklar ist. Und das beginnt zuweilen in ihm wie eine Gärung, zwingt ihn, sein Pferd immer mehr anzuspornen und einen immer schärferen Trab zu reiten. Und dann mischt sich ihm in den Verdruß, daß er die Gesuchte doch nicht mehr finden wird, die schmerzliche Gewißheit, sich von der Geliebten, die sich ihm so hold erwies, immer weiter zu 90 entfernen. Und zuletzt sprengt er in einem tollen Galopp davon.

Aber darf er sich von solchen Gefühlen beherrschen lassen? Trägt er nicht das Kreuzeszeichen auf der Brust; und hat er sich nicht vorgenommen, nach dem Grabe des Erlösers zu wallfahrten? Was geht ihn die Frauenliebe vor und hinter ihm noch länger an, wo er ein Streiter für den Glauben sein möchte? Floh er in der Burg die Gefahr des Entdecktwerdens nur deshalb, um nun in der Welt den Gefahren der Lächerlichkeit zu verfallen?

Er kürzt die Zügel und zwingt sein Pferd und seine Gedanken in gemessenen Schritt. Schon weit zurück liegt das Kloster frommer Brüder, an dem er vorüberstob; und jetzt winkt vor ihm ein hohes Ritterschloß von felsiger Anhöhe herab. Was mag wohl dort für ein Schicksal zu Hause sein? Aber was kümmert das ihn? Soll ihn doch fortan nur noch ein einziger Ort auf Erden an sich ziehen: die Stätte, wo Christus den Kreuzestod erlitt.

Stolz wirft er den Kopf in den Nacken: er ist kein Jüngling mehr, der liebt; sondern ein Mann, der kämpfen will. Eine Lust wäre es ihm, wenn er schon die Ungläubigen vor sich hätte, das Schwert ziehen dürfte und alles, was über den gegenwärtigen Augenblick hinaus die Seele gefangen zu halten sucht, in der wilden Wut der Schlacht vergessen könnte!

Und während sein Pferd noch immer mit mutigem Schlenkern und Schnauben weiße Schaumflocken verstreut, bläst er selber, zwischen geschwellten Lippen hindurch, verächtlich in die linde Frühlingsluft . . . 91

 


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