Konrad Falke
Der Kinderkreuzzug
Konrad Falke

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21. Rupprecht und Marei

Es ist doch nicht so einfach, wenn man sich jeden Abend aufs neue fragen muß: Wo legst du heute dein Haupt zur Ruhe?

Marei schaut mit bekümmerten Blicken nach der Sonne, die schon beinahe die Wipfel des Waldes berührt . . .

Ach, es ist eben immer dasselbe, so weit man auch reist: Himmel, Berge und Täler, Flüsse und Bäche; und hie und da eine Menschenwohnung. Wozu all diese Mühsal?

Und Rupprecht schaut durch eine Lücke in den Baumkronen verdrossen nach der Sonne, die bereits mit kraftloser Milde den Abend vergoldet, morgen aber mit neuer Kraft ihm auf den Buckel brennen wird . . .

Beim Kruzifix, wo die beiden Wege zusammentreffen und als eine einzige, breitere Straße weiterlaufen, kommen sie zu gleicher Zeit an, betrachten einander, jäh den Schritt anhaltend, vom Scheitel bis zu den Zehen, und lachen sich fröhlich ins Gesicht.

»Gehst du auch nach dem heiligen Land, Maitli?«

»Natürlich. Siehst ja mein Kreuz . . .«

»Ist dir's auch so wenig Ernst damit, wie mir?«

»Und ob! Hab' genug von der Reise . . .«

Sie schreiten eine Weile nebeneinander hin. Hei, das heißt man rasche und gründliche Bekanntschaft machen! Und ihre Schritte passen so gut zusammen, als ob sie immer so miteinander gewandert wären.

»Wie heißt du?«

»Marei. – Und du?«

309 »Rupprecht.«

»Zusammen hätten wir's leichter. Nicht?«

Sie schweigen wieder still und wandern. Und auch ihre Blicke wandern hinüber und herüber. Gewiß hätten sie's zusammen leichter!

Das ist noch eine stramme Magd! – Das ist wahrlich kein übler Bursche! – Wie kommt es nur, daß sie aneinander so ausnehmend Gefallen finden?

»Gib mir einen Kuß!«

»Warum nicht?«

Sie stehen still. Sie drücken die Lippen lächelnd und doch vorsichtig, wie im Vorpostengefecht, aufeinander. Die Hände halten sie sogar, weil sie nichts dabei zu tun haben, schüchtern auf den Rücken.

»Also bleiben wir beisammen?«

»Ich wäre schön dumm, wenn ich davonliefe!«

Sie wandern wieder weiter und sprechen lange Zeit kein Wörtlein mehr. Ist auch gar nicht nötig: sie verstehen sich so schon gut genug! Vor der Nacht braucht es diesmal keinem zu fürchten.

Plötzlich verlangsamt Rupprecht seinen Schritt.

»Sieh da, ein Heugaden!«

Marei guckt durch die offene Tür hinein. Das ist anders als bei der Waldkapelle!

»Hat noch vorjähriges drin . . .«

Rupprecht wirft einen Blick über die still blühende Wiese. Pfingsten im Abendfrieden.

»Wird bald neues dazukommen . . . – Reicht aber für uns beide zum Nachtlager.«

»So – das war einmal ein gesegneter Wandertag!«

310 Die Sonne ist zu den Bergen gesunken. Die Sterne flimmern schüchtern und schalkhaft zugleich durch den wasserhellen Himmel.

Rupprecht und Marei schließen die Türe von innen, legen sich nebeneinander hin und sind, ehe sie sich dessen versehen, ruhig und glücklich eingeschlafen . . .

 


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