Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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5. Malerei. Raffael unter Leo X. Giulio Romano. Andere Schüler Raffaels. Marcantonio Raimondi. Michelangelo unter Leo X. Ehrenbildsäule dieses Papsts. Goldarbeiter. S. Giovanni dei Fiorentini. Beginn des Palazzo Farnese. Raffael als Architekt. Bauten Sansovinos. Fassadenmalereien. Villen. Rom unter Leo X. als Stadt. Neue Stadtviertel. Wachsende Bevölkerung. Verfall des Adels.

Leo X. besaß mehr Sinn für die Literatur als für die Kunst. Was diese in Rom zu seiner Zeit Großes schuf, ging meist noch aus den Anregungen seines Vorgängers hervor. Raffael setzte fort, was er im Vatikan begonnen hatte. Schon 1514 vollendete er im Zimmer des Heliodor die Gemälde der Befreiung Petri und der Legende von Leo dem Großen und Attila. Jene sollte den Papst an seine eigene Befreiung aus der französischen Gefangenschaft erinnern, und Leo I. trug die Züge Leos X.

Im Jahre 1517 wurde nach den Kartons Raffaels die Stanza dell' Incendio vollendet. Auch hier haben die Haupthelden als Namensvettern Leos X. dessen Gesichtszüge. Im Bilde der Krönung Karls des Großen trägt dieser Kaiser sehr unpassend das Antlitz Franz' I. Der Gesandte des französischen Königs konnte diesen Dank für das Konkordat in Bologna bescheinigen, aber der Botschafter Maximilians in dieser gemalten Schmeichelei nur eine Drohung sehen. Das letzte Zimmer, die Sala di Costantino, wurde erst unter Clemens VII. durch Giulio Romano und andere Schüler Raffaels nach dessen Zeichnungen ausgeführt. Die Gemälde beziehen sich auf den Sieg des Christentums über das Heidentum; auch die Gründung des Kirchenstaats ist in der fabelhaften Schenkung Constantins dargestellt. Das Genie Raffaels hatte sich in dem Bilderzyklus der Stanza della Segnatura frei und kühn zu den höchsten Idealen der Humanität erheben dürfen; aber in den beiden Stanzen dell' Incendio und di Costantino mußte es von jener Höhe in den Dienst der Kirche und eines in seinem Machtgefühl schwelgenden Papsts herabsteigen.

Für die Logen Bramantes entwarf Raffael seine entzückende Bilderbibel, worin das religiöse Genre und die Idylle des alten Testaments in den anmutigsten Szenen aufgefaßt sind. In Verbindung mit dem phantasievollen Schmuck in Malerei und Stukko, welchen Giovanni von Udine dort ausführte, enthalten diese Loggien eines der herrlichsten Juwele der Malerei.

Die neutestamentliche Fortsetzung der Bilderbibel gab Raffael nicht mehr in den Logen, wie er wohl im Plan hatte. Aber wir besitzen sie in den zehn Tapeten des Vatikan, die seit 1514 in Arras ausgeführt wurden. Hier steigt Raffael aus der Idylle zum Drama im höchsten und größten Stile auf. Seine Kompositionen überbieten alles, was er in den Stanzen gemalt hat durch künstlerische Einheit der Handlung und Gestaltungskraft. Sie sind seine vollendetsten und großartigsten Schöpfungen.

Während Raffael mit seinen vatikanischen Aufgaben beschäftigt war, besaß er so viel innere Freiheit, für das Landhaus Chigis heidnisch antike Malereien zu entwerfen. Das anmutige Gemälde der Galatea ist von seiner eigenen Hand, und nach seinen Zeichnungen malten Giulio Romano, Francesco Penni, Giovanni von Udine und andere Schüler die Geschichte der Psyche. In diesen weltberühmten Farnesina-Bildern geht das antike Ideal durch ein modernes Empfinden hindurch und wird in ihm nochmals idealisiert. Aber es weht darin bei moderner Freiheit noch der antike Hauch, welcher in späteren mythologischen Malereien, wie namentlich bei den Caracci, selbst bei Guido Reni und Domenichino sich schon verloren hat. Kein Meister war antiker als der christlichste aller Maler, und auch hier bezeichnen die Werke Raffaels den Gipfel der Renaissance. In dem entzückenden Gemälde der Hochzeit Alexanders und der Roxane, welches Sodoma in der Farnesina malte, ist der Geist des Altertums schon in das Romantische getaucht, aber selbst Aetion, der antike Maler desselben Gegenstandes, würde die Fresken Sodomas als eines der größten Kunstwerke der Malerei bewundert haben.

Ganz vollendet war die Renaissance auch in der Dekoration nach antiken Mustern. Die Zeichnungen dieser Art von Raffael, Peruzzi, Giulio Romano, Giovanni von Udine und andern Künstlern sind von den phantasievollsten Formen. Vasari sagt, daß Raffael selbst in Griechenland Zeichner beschäftigte; aber auch Rom bot noch Reste antiker Zimmermalereien dar. In den Thermen des Titus fand man zur Zeit Raffaels die gewölbten Räume mit jenen Malereien und Stukkaturen, die man Grottesken benannte. In den Gärten des Sallust auf dem Quirinal und Palatin sah man römische Wandgemälde. Raffael entwarf noch mehr antike Gegenstände: die Hochzeit Alexanders mit Roxane in einem Gartenhause der Villa Borghese; Venus und Amor im vatikanischen Badezimmer Bibienas. Denn dieser lebenslustige Verfasser der Calandra ließ sich dasselbe im Geschmack antiker Thermen einrichten, dort wollte er eine Statue der Venus aufstellen, und sie mochte diese Malereien veranlaßt haben.

Die Tätigkeit Raffaels war wunderbar; er zauberte Kompositionen, Staffelbilder, Porträts hervor. Für Goritz hatte er schon im Jahre 1512 den Propheten Jesaias in S. Agostino gemalt, ein Bild, worin er zeigte, daß er die große Weise Michelangelos nicht nachahmen durfte, weil er sie nicht erreichen konnte. Er erreichte sie auch nicht in den Sibyllen in S. Maria della Pace, die er im Jahr 1514 für Agostino Chigi malte. Für denselben entwarf er im Jahre 1516 die Kuppelbilder der Kapelle in S. Maria del Popolo, welche die Planetenschöpfung darstellen; die Mosaiken der Kuppel sind von Luigi di Pace. Die Madonnen, die heiligen Familien, die Altargemälde, die Porträts aus Raffaels letzten Jahren bilden eine staunenswerte Galerie von Werken, aus denen so herrliche Gestalten hervortreten, wie die sixtinische Madonna, die Madonna della Sedia, die Perle von Madrid, die heilige Cäcilia. Die Transfiguration war seine letzte Schöpfung. Er starb am Karfreitag, dem 6. April 1520. Passend fand er sein Grab im Pantheon.

Fünf Tage später starb Agostino Chigi, nachdem er in seinem Testament die Vollendung der Malereien in seiner Kapelle zu S. Maria della Pace befohlen hatte. In seiner andern Kapelle in S. Maria del Popolo wurde er mit großem Pomp am 12. April begraben; mehr als 5000 Personen von allen Ständen Roms gaben dem Toten das Geleit. Sein prächtiges Grabmal dort ist das Werk Lorenzettos. Am 9. November desselben Jahrs starb auch Bibiena, so daß Rom in kurzer Zeit den Verlust dreier gefeierter Männer erlitt.

Mit Raffael vollendete sich die christliche Malerei überhaupt, nachdem sie mit Giotto ihre freiere Entwicklung begonnen hatte. Als monumentale Kunst erschuf sie, mit der einen Ausnahme des jüngsten Gerichts von Michelangelo, in Rom nichts Großes mehr. Ihre Flamme brannte mit bezaubernder Glut in Venedig und Parma fort, wo das christliche Ideal in der Sinnlichkeit unterging, oder sie leuchtete noch mit schwächerem Schein in den Gemälden Andrea del Sartos in Florenz oder in der Mailänder Schule Leonardos, der ein Jahr vor Raffael in Frankreich gestorben war und in Rom kaum eine Spur seines Genies zurückgelassen hat.

Unter Raffaels Schülern war der bedeutendste Giulio Pippi, als Römer von Geburt Romano genannt, ein vielseitiges Talent, Baumeister und Maler. Er hatte manche Entwürfe seines Meisters ausgeführt: in der Loge der Villa Mattei auf dem Palatin die Fresken aus Bibienas Badezimmer in großen Figuren kopiert; in der Villa Madama und in der Turinis (heute Lante) Fresken gemalt; für das Haus Fugger sein bestes Altarbild gefertigt, welches in S. Maria dell' Anima sich befindet. Im Jahre 1524 ging er zu den Gonzaga, für die er seine bekannten Wandgemälde malte, den Gigantensturz und die Geschichte der Psyche. Die Tätigkeit anderer Schüler Raffaels, des Timoteo Viti von Urbino, des Garofalo, Bagnacavallo, Gianfrancesco Penni, Pierin del Vaga, des Giovanni von Udine, des Polidoro von Caravaggio und Vincenzio da S. Gimignano, gehört der Geschichte der Malerei überhaupt an. Wir bemerken hier nur noch Marcantonio Raimondi, der die in Florenz ausgebildete Kunst des Kupferstichs während der Blütezeit der Malerei zu so großer Vollkommenheit brachte. Er arbeitete nach Zeichnungen Raffaels in Rom seit 1510 und gab diesen durch seine meisterhaften Platten Verbreitung, während in Deutschland dieselbe hier heimische Kunst des Kupferstichs durch den großen Albrecht Dürer einen bewundernswerten Aufschwung nahm.

Indem Raffael die Regierung Leos X. verherrlichte, fand Michelangelo in Rom weder als Maler noch als Bildhauer zu tun. Vom Papst vernachlässigt, lebte er in Florenz und brachte fruchtlose Jahre in Steinbrüchen Carraras zu, um Marmor für die Aufträge Leos hauen zu lassen, für die Fassade von S. Lorenzo und die Grabmäler der beiden Medici. Die erste kam nicht zustande, und die berühmten Grabfiguren in der Sakristei jener Kirche gehören erst der Zeit Clemens' VII. an. Aus der Zeit Leos X. besitzt Rom nur eine Statue Michelangelos, den Christus in S. Maria sopra Minerva. Es gibt in Rom überhaupt nur wenig bemerkenswerte Skulpturen aus jener Epoche. Die trefflichste ist die Figur des Jonas in der Kapelle Chigi in S. Maria del Popolo; Lorenzetto führte sie aus, aber Raffael soll ihr Modell gemacht haben. Ein Schüler Sansovinos, Amius mit Namen, war der Meister der kapitolinischen Ehrenbildsäule Leos X., der ersten, die überhaupt einem Papst durch Volks- und Senatsbeschluß gesetzt wurde. Diese sitzende Statue ist ein für jene Zeit ganz auffallend rohes und plumpes Werk.

Die römischen Kirchen bieten Grabmäler leonischer Zeit dar, doch keines mehr von der Bedeutung der Werke Sansovinos. Die dekorative Bildhauerei erschuf zahlreichen Arabeskenschmuck in Stukko und Marmor und schöne Holzarbeiten, wie an den Türen der Vatikanischen Stanzen. Leo X. ließ diese auf Raffaels Rat von Giovanni Barile aus Siena, dem Neffen des in derselben Kunst berühmten Antonio, anfertigen. Alle geringeren Zweige der Skulptur blühten zu einer Formenschönheit auf, wie sie keine spätere Zeit mehr gesehen hat. Die Medaillen und Gemmen, die Gefäße in ziseliertem und getriebenem Metall, die Reliquieneinfassungen, die Juwelierarbeiten beschäftigten eine große Menge von Künstlern. Seit langer Zeit bestand in Rom die Innung der Goldarbeiter ( nobile collegium Aurificum et Argentariorum urbis). Erst war sie mit den Sattlern und Schmieden vereinigt, dann trennte sie sich von ihnen im Jahre 1509 und erbaute sich mit Bewilligung Julius' II. die Kirche S. Eligio in der Via Julia, wozu Raffael den Plan machte. Benvenuto Cellini, der im Jahr 1519 zum ersten Mal nach Rom kam, hat uns aus der Zeit Clemens' VII. einen lebhaften Einblick in jene Kunsttätigkeit gegeben, welche oberitalienisch und florentinisch war. Sein berühmter Vorgänger Caradosso oder Cristoforo Foppa aus Pavia glänzte als Medaillenkünstler unter Julius II. und arbeitete auch für Leo X., der schon als Kardinal eine reiche Sammlung von Schaumünzen und Gemmen angelegt hatte. Die Kunst des Medaillierens erreichte die Stufe der Klassizität. In Verona blühte sie schon seit dem XV. Jahrhundert durch Vittore Pisano, Matteo de' Pasti, Giulio della Torre. Fast alle bedeutenden Künstler arbeiteten für diesen Industriezweig. Auf alle großen Begebenheiten, von allen namhaften Männern machte man Schaumünzen. Man arbeitete mit gleichem Geschick in Pietra Dura, man schnitt mythologische und geschichtliche Figuren mit bewundernswürdiger Feinheit in Diaspro, Agat, Diamant und Bergkristall. Darin glänzten Giovanni Fiorentino, genannt dalle Carniole, Giovanni Bernardi di Castel Bolognese, Pier Maria da Pescia und der berühmte Valerio Belli, genannt Vicentino, aus der raffaelischen Schule, welcher für Clemens VII. die schöne Kiste von Kristall machte, die Franz I. zum Geschenk erhielt. Alle Kostbarkeiten dieser Art, die sich in den Palästen Roms sammelten, gingen in den Stürmen des Jahres 1527 unter, so daß wir heute von der Gold- und Juwelierkunst jener Zeit eine nur unvollkommene Vorstellung haben. Die Antike drückte auch dieser Kunst ihren Stempel auf. Sie vermochte die klassische Form noch streng und rein aufzufassen, während sie schon bei Cellini in das Barocke überging. Nachdem sie in der Zeit des Konsulats und Kaiserreichs Napoleons ihre verunglückte Erneuerung versucht hatte, ist sie im heutigen Rom zur antikisierenden Allgemeinheit übergegangen, da sie alle Kunstformen der Vergangenheit, ägyptische, etruskische und die christlichen der Katakombenzeit in sich aufgenommen hat.

Nichts wahrhaft Großes geschah unter Leo X. für die architektonische Erneuerung Roms. Noch als Kardinal hatte er S. Maria in Domnica auf dem Coelius restauriert nach dem Plane Raffaels und dort die Nachbildung eines antiken Schiffs von Marmor aufstellen lassen. Als Papst erbaute er die Kirche S. Giovanni an der Via Julia, wo sie der Mittelpunkt der im dortigen Viertel angesiedelten Florentiner sein sollte. Jacopo Tatti Sansovino machte dazu den Plan. Durch Aufschüttung am Tiber wurde Raum gewonnen. Aber der Bau schritt so langsam vor, daß die Vorderseite erst im XVIII. Jahrhundert fertig wurde. S. Giovanni ist die letzte größere Kirche, die überhaupt in Rom neu gebaut wurde, und ihre nüchterne Gestalt lehrt das Verschwinden des religiösen Geistes in der kirchlichen Baukunst.

Die ganze Richtung der Zeit ging auf das Weltliche. Rom besaß Kirchen genug, aber nicht seiner Größe angemessene Wohnungen. Zur Zeit Leos X. entstand mancher Palastbau, der noch heute die Stadt ziert, obgleich die Anmut und Reinheit des Bramanteschen Stils bereits in massigen Formen oder in gekünstelter Wirkung unterging. Der großartigste aller Paläste Roms ist der Palast Farnese, das herrliche Denkmal des jüngeren Antonio di Sangallo, wenn auch sein ursprünglicher Plan verändert wurde. Nur seiner ersten Anlage nach gehört er in die Zeit Leos X. Der Kardinal Alessandro Farnese ließ ihn bauen und dann, als er selbst Papst war, durch Michelangelo fortsetzen, welcher die oberen Arkaden des Hofs und das bewundernswürdige Krönungsgesims errichtete. Sangallo baute in der Via Julia für sich selbst einen Palast, der später an die Sacchetti kam. In der Via delle Coppelle baute er für Marchionne Baldasini den Palast, welcher nachher Palma hieß, und im Jahr 1532 die Fassade des Münzhauses in den Banken von S. Spirito.

Auch Raffael war ein großer Meister in der Baukunst; für solchen hielt ihn Bramante, denn ihn allein ersah er sich zu seinem Nachfolger als Architekt des St. Peters. Ein gründlicher Forscher auf diesem Gebiet der Renaissance schreibt Raffael folgende Bauten in Rom zu: die kleine Kirche S. Eligio degli Orefici; die Farnesina; die Kapelle Chigi in S. Maria del Popolo; den Palast Caffarelli (Vidoni); den Palast des Giambattista dall' Aquila, eines Kämmerers Leos X., die Logen des Vatikan, die seinen Namen tragen, und die Villa Madama. Nach seiner Zeichnung wurde auch sein eigener Palast von Bramante gebaut. Er steht noch im Borgo auf dem Platz Scossacavalli und heißt heute dei Convertendi. Dort ist Raffael gestorben.

Von Jacopo Tatti Sansovino besitzt Rom den Palast Niccolini in den Banken, welchen der Florentiner Giovanni Gaddi erbauen ließ. Ihm gegenüber steht der große Palast Cicciaporci, das beste römische Bauwerk das Giulio Romano, für Giovanni Alberini im Jahr 1521 errichtet. Demselben Baumeister schreibt man den schönen Palast Cenci (Maccarani) auf dem Platz S. Eustachio zu. In seiner Nähe steht der Palast Lante, eins der trefflichsten Werke der römischen Renaissance, dessen Baumeister zweifelhaft ist.

Reiche Herren, meist päpstliche Kurialen, ließen sich schöne Wohnhäuser bauen und deren Vorderseiten mit Malereien verzieren. Vasari gibt eine Beschreibung von den Gemälden, die Balthasar Peruzzi für das Haus des Francesco Buzio auf dem Platz Altieri machte; hier hatte er auf dem Fries alle Kardinäle der Zeit abgebildet, auf der Fassade die zwölf Kaiser und Szenen aus der Geschichte Caesars dargestellt. Man wählte gern für solche Malereien Gegenstände aus dem Olymp und der Heroensage, bisweilen auch aus der römischen Geschichte, und so stellte sich in Rom auch äußerlich die heidnische Renaissance in diesem reizenden Schmucke dar. Neben Peruzzi malten solche Fassaden Polidoro da Caravaggio und Vincenzo da S. Gimignano.

Auch mehr und mehr Villen entstanden, innerhalb wie außerhalb der Stadt. Auf dem Palatin besaßen die Capranica schon im XV. Jahrhundert Gärten. Dort kaufte Inghirami einen Weinberg, worin Albertini Reste antiker Malereien sah; dort legten im Jahre 1515 die Mattei eine Villa an, über den Resten von Bauten des Augustus. Nach verschiedenen Schicksalen ist aus ihr die barocke Villa Mils geworden. Auf dem Janiculus baute Giulio Romano um 1524 das schöne Landhaus, welches später von den Lante den Namen erhielt. Es gibt kaum einen Punkt oberhalb Roms, der eine so hinreißende Ansicht gewährt. Diesen Sitz wählte sich Baldassare Turini aus Pescia, ein kunstliebender Mann von höfischer Stellung, für welchen Raffael die Madonna del Baldachino gemalt hatte. Auf den Abhängen des Monte Mario ließ sich Julius Medici, später Clemens VII., ein prachtvolles Landhaus bauen, dessen Zeichnung Raffael angab und dessen Ausführung Giulio Romano übernahm, aber nicht vollendete. Er und Giovanni von Udine schmückten es mit Malereien und Stukkaturen; es ist die heutige Villa Madama, jetzt das traurigste Bild verfallener Herrlichkeit. Schon stand über dem Monte Mario die Villa der Mellini.

Als ländlichen Aufenthalt, zumal der Jagd wegen, liebte Leo X. besonders die Malliana am Tiber. Nach Raffaels Zeichnungen ließ er dort in einer Kapelle Fresken malen. Auch dies schöne Denkmal der Renaissance ist heute im tiefsten Verfall. Wir erwähnten schon der Gartenhäuser, die von Kardinälen auf dem Quirinal angelegt wurden, wo schon unter Prospero Colonna auch die Anfänge des Gartens der Colonna entstanden waren. Wir bemerkten die Landhäuser des Chigi und Colocci, des Goritz und Blosius Palladius. In der Nähe der Engelsburg besaß Jacopo Gallo, der Freund Michelangelos, ein schönes Landhaus, in welches Sadoleto sein Gespräch über das Lob der Philosophie verlegt hat. Der Sinn für den Villenbau war erwacht. Man wollte ein schön geschmücktes Haus in freier Lage besitzen, wohin man sich aus dem Lärm der Stadt zurückziehen konnte. Man legte Gärten an mit Springbrunnen und schattigen Gängen; man stellte darin Antiken auf.

Trotz der vielen öffentlichen und privaten Bauten bot die Stadt Leos X. keineswegs einen schönen oder nur wohnlichen Anblick dar. Überhaupt vermochten die Päpste nicht, die Stadt Rom ganz zu erneuern; während ihrer langen Herrschaft gab es nie eine Zeit, wo jene nicht den Eindruck des Verfalles gemacht hätte. Der Charakter trümmervoller Wildnis und zauberischer Einöde, worüber wie in keiner andern Stadt der Welt der melancholische Geist der Vergangenheit schwebte, machte bis auf unsre Zeit den wesentlichen Reiz von Rom aus. Alles Neue war hier vereinzelt und unorganisch. Herrliche Paläste mit gemalten Fassaden standen in lückenhaften Straßen oder unter finstern Wohnungen des Mittelalters. Dieser Gegensatz entsprach dem geistigen Wesen der Stadt. Die Herrschaft des Kirchlichen drängte das Bürgerliche zurück. Klöster mit ihren großen ummauerten Bezirken nahmen überall in der Stadt weite Strecken ein und entzogen diese dem Anbau. Auch der kosmopolitische Charakter Roms hinderte die architektonische Individualität. Man vergleiche Florenz, Genua, Venedig, selbst kleinere Städte Italiens mit Rom, um zu erkennen, daß diese Stadt nicht das Gepräge organischen Wachstums aus dem Volksgeiste trägt. Leo X. bemühte sich, die labyrinthischen Gassen zu erweitern und zu regeln, doch konnte das nicht durch Edikte ausgeführt werden. Ganze Stadtteile, wie die Viertel Monti, Teile von Trevi und Colonna, von Campitelli und Ripa, blieben in ihrem verwilderten Zustande, und sie sind es im ganzen bis auf den heutigen Tag geblieben.

Seit Jahrhunderten hatte sich das Marsfeld als das wahre Stadtgebiet festgestellt. Hier wurde am meisten gebaut. Leo rief dorthin auch Toskaner, zumal in das Viertel, wo er die drei schon längst entstandenen Straßen, welche auf den Platz del Popolo münden, besser einrichten ließ. Eine derselben, die heutige Ripetta, hieß damals von ihm Leonina. Gleichwohl war auch hier alles lückenhaft und von Weingärten unterbrochen, zumal am obern Corso. Überhaupt konnte kaum eine Straße des damaligen Rom vollendet oder geschlossen heißen, nicht einmal die Via Julia.

Die Bevölkerung wuchs. Das Anwachsen moderner Städte hat seine wesentlichen Quellen in der Vermehrung des bürgerlichen Wohlstandes durch Handel und Gewerbe und in der Einwanderung. Die erste dieser Quellen konnte in Rom nie sehr lebhaft sein. Die Masse des römischen Volks lebte meist von den Bedürfnissen der Priesterkaste oder, wie schon in alten Zeiten, von dem Zufluß der Fremden. Rom genoß unter Leo X. Ruhe, während Italien von Kriegen entflammt war. Daher zogen viele Italiener nach der Stadt wie in einen sichern Hafen. Seit Sixtus IV. hatten sich selbst Sklavonier und Albanesen an der Ripetta festgesetzt, und seit Julius II. drang eine zahlreiche lombardische Kolonie in das Marsfeld. Genuesen, Florentiner, Lombarden, selbst Spanier, selbst Deutsche, Flamländer, Lothringer und Burgunder saßen von Trastevere bis tief ins Marsfeld hinein in Vierteln, deren Mittelpunkte ihre Nationalkirchen bildeten, und noch heute haben sich viele nationale Namen von Straßen erhalten. Die Kunst und Wissenschaft, die Kirche und der päpstliche Hof zogen jährlich Scharen von Ankömmlingen herbei, welche in Rom ihr Glück suchten, wie zur Zeit der alten Kaiser. Wenn die einen nur mit der Flut und Ebbe der Fortuna erschienen und verschwanden, so blieben andere in der Stadt und wurden hier zu Römern. Nach der Angabe des Francesco Vettori stieg die Einwohnerzahl Roms zur Zeit Leos X. um ein Drittel, und Jovius berechnete sie vor dem Unglück des Jahres 1527 auf 85 000 Seelen.

Trotz alledem war das römische Volk eins der ärmsten Italiens. Prälaten und Höflinge, Nepoten und Abenteurer häuften wohl augenblickliche Reichtümer auf, doch das mittlere und ruhende Vermögen Roms blieb gering. Der städtische Adel und das große Bürgertum verfielen mehr und mehr. Hunderte von senatorischen Familien, deren Namen in den Fasten der kapitolinischen Magistratur verzeichnet standen, oder von alten Adelsgeschlechtern saßen noch in ihren geschichtlich gewordenen Vierteln, aber sie blickten mit Trauer auf ihren unaufhaltsamen Verfall. Fortdauernde Kriege hatten alle Landschaften um Rom verwüstet: schrecklich hatten die Borgia unter dem Adel aufgeräumt und gewaltsame Umwälzungen in seinem Besitz herbeigeführt. Diese Verluste ersetzte die Herstellung nach dem Tode Alexanders VI. nicht mehr. Colonna und Orsini glänzten zwar noch als die ersten Feudalgeschlechter Roms, und noch betrachtete man sie wie unabhängige Fürstenhäuser, doch zur Zeit Leos würden sie in der Statistik italienischer Dynasten kaum mehr mit einer Rente von 25 000 Dukaten aufgezählt worden sein. Die Conti und Gaëtani, die Savelli und Annibaldi, die Frangipani, Pierleoni, Astaldi und Cenci, kurz der ganze geschichtliche Adel der Stadt, waren herabgekommen. Selbst Familien, die damals verhältnismäßig die glücklichsten schienen, wie die Farnesi, Altieri, die Valle, Massimi und Cesarini, verdankten ihre bessere Lage nur augenblicklichen Verhältnissen.

Im Anfange des XVI. Jahrhunderts verfaßte Marcantonio Altieri, derselbe, welcher als einer der Konservatoren während der Krankheit Julius' II. den Frieden der Barone vermittelt hatte, eine Schrift; er ließ darin edle Römer den tiefen Verfall der Stadtgeschlechter beklagen. »Rom, einst die Königin des Weltalls, ist heute so herabgekommen, daß den Römern ihre eigene Stadt wie eine öde und düstere Höhle erscheinen muß. Vom Viertel Monti nach Cavallo, nach Trevi und zum Viertel der Conti fehlen die Cerroni, Novelli, Paparoni und Petrucci, ferner die Salvetti, Nisci, Cagnoni, die Lupelli, Pirroni und Venettini; die Dammari, Foschi und Pini, die Masci, Capogalli, Mantaca und Carboni, die Palocchi, Acorari, Pedacchia und Valentini; die Palelli, Arcioni, Migni, Capomastri, Subbatari, Negri; sodann die Mancini, Scotti, Infessura, Diotajuti, Boccamazi, Cenci, Tasca, Portii; die Calvi, Lalli, Buonsignori, Grifonetti, Frangipani und Marcellini. Alle diese Familien, durch Vermögen, Zahl und Altertum einst so herrlich und berühmt, sehen wir heute entweder ganz oder halb zerstört. Was den Rest der unseligen Stadt betrifft, wie viele Sitze, die einst zur Ergötzung der Edelleute gegründet waren, sind da heute nicht so geschwunden, daß man kaum noch die Spur der Halle entdeckt, wo sie einst empfangen wurden. Doch was reden wir von den Palästen, es genügt ein Blick in die Straßenviertel: denn jammernd muß man sagen, daß der größte und blühendste Teil ihrer Bewohner, daß so viele würdige und ehrenhafte Männer nebst ihren Familien daraus entschwunden sind. Wer sollte nicht mit tiefem Schmerz den einst glorreichen Platz Colonna betrachten, der ehemals von Vater, Kindern und Enkeln der Buffalini belebt war, nicht zu reden von den Cancellieri, Treiofani, Tetellini, von den Normandi, Sbonia, Valerani, Vari, Carosi, von den Sorici, Ceretani und Boccacci, von den Juvancolini, Palosci, Jacobazzi, den Capoccini und Signorili und von andern zahllosen achtbaren Geschlechtern der Nachbarschaft. Heute fehlen sie dort fast gänzlich, und an ihrer Stelle findet man nur einen Zusammenfluß verworfener und niedriger Leute.«

Die Unterredner betrachten noch andere Viertel und Gegenden Roms wie Pigna, Piscina, Piazza Giudea, Campitelli, worin sie den Verfall fast jeder dort namhaften Familie beklagen. Wir wollen, so sagt der trauernde Altieri, vom Reste Roms schweigen, um unsern Jammer nicht durch die Wahrnehmung zu mehren, wie viele Geschlechter in dieser nicht großen Stadt verfallen sind, zumal uns das Genie und die Mittel zu ihrer Wiederherstellung fehlen. Ein Pierleone erinnert hierauf an die ehemalige Größe seiner Familie, in deren Palästen einst der Papst Urban II. ein Asyl gefunden habe und die jetzt zum Elend herabgesunken sei. Ein Capoccia stellt ein ähnliches Bild des vergangenen Glanzes und der jetzigen Verarmung seines edlen Hauses auf, und auch der stolze Altieri bekennt sich so tief herabgekommen, daß er, um zu leben, sich mit Feldwirtschaft befassen und mit dem niedrigsten Volk verkehren muß. Er verweist seine Leidensgefährten auf das allgemeine Los, welches die großen Familien Italiens in diesem Jahrhundert dahingerafft habe, wie Aragon, Sforza und Malatesta, die Ordelaffi und Montefeltre, welche alle in kurzer Zeit getötet oder zerstreut und auf klägliche Weise an den Bettelstab gebracht worden seien. Man müsse sich daher mit dem Ausspruch Pindars über den Unbestand des Glücks beruhigen und das unerbittliche Schicksal in Geduld dahinnehmen.

Dies ist das Bild, welches Römer selbst in dem gepriesensten Zeitalter der Stadt vom Untergange und Verfall der angesehensten Klassen des römischen Volks gezeichnet haben, und wir nahmen es hier auf, um übertriebene Vorstellungen vom Glück und Glanze Roms in jener Zeit zu berichtigen. Wenige Jahre gingen seit jener Schilderung Altieris dahin, und es trat die furchtbare Katastrophe ein, welche auch dieses Bild der ewigen Stadt auslöschte.


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