Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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Siebentes Kapitel

1. Die Kunst der Renaissance. Tätigkeit Martins V., Eugens IV., Scarampos. Der Campo di Fiore. Palastbauten. S. Onofrio. S. Antonio de' Portoghesi. Hospitäler der Engländer und Deutschen. Nikolaus V. Sein Plan zum neuen Vatikan und St. Peter. Seine Restaurationen. S. Giacomo dei Spagnuoli. S. Salvatore in Lauro. Das Kapitol. Die Aqua Virgo. Pius II. Lariano zerstört. Die Kapelle in Vicovaro. Der Palast Orsini auf der Navona. Torquemada baut die Minerva aus. Paul II. Kirche und Palast S. Marco.

Der Reform der Wissenschaften ging langsameren Schritts die der schönen Künste zur Seite. Die Italiener wandten sich einem lebenskräftigen Realismus zu: das übernatürliche Wesen schwand aus ihrer Kunst, während die Formenwelt natürlicher und verständlicher ward. Aus der Lebensfülle des Südens entfaltete sich endlich ein Reich heiterer Schönheit, dessen monumentale Reste neben denen des Altertums noch heute den wesentlichen Kunstschatz der Menschheit bilden.

Die neulateinische Kunst war überhaupt originaler als die neuklassische Literatur. Die Malerei kannte außer einigen dekorativen Mustern keine alten Vorbilder; sie blieb die eigenartigste Kunst Italiens und ihres Zusammenhanges mit dem Christentum sich stets bewußt. Die Skulptur dagegen, das heidnische Stiefkind der Kirche, stand hinter ihr weit zurück, obwohl gerade ihr das Altertum eine Fülle von Mustern darbot. Die Architektur hatte nur Ruinen vor sich, denn noch blieben die Tempel Siziliens und Griechenlands unbeachtet oder unbekannt. Die Italiener wiederholten begreiflicherweise weder jemals einen Tempel, noch bauten sie Thermen oder Villen nach den Plänen antiker Autoren; aber sie kehrten von der Gotik, welche der Humanismus als barbarisch und unnational verachtete, zu den klassischen Bauformen zurück, zu den Raumverhältnissen und Flächen, den römischen Linien und Säulenstellungen. Sie entlehnten vom Altertum den Reichtum der Dekoration: sie bauten zunächst auf Grundlage der mittelalterlichen Burg Paläste von vornehmer Einfachheit mit schönen Säulenhöfen und ferner prächtige Zentralkirchen, in deren Kuppeln sie das Pantheon kühn in die Luft emporhoben.

Hier ist die Wirkung Roms bedeutend gewesen. Denn seine Ruinen boten die monumentale Anschauung zur Theorie des Vitruv dar. Das pilgerhafte Bestaunen der Trümmerwelt verwandelte sich bei den Künstlern in ein wirkliches Studium der antiken Gebäude. Aus Florenz, wo die neulateinische Architektur entsprang, kamen schon am Anfange des XV. Jahrhunderts ihr großer Begründer Brunelleschi und der Bildhauer Donatello nach Rom; und hier stellten sie Messungen an und entwarfen sie Zeichnungen. Dasselbe taten sodann Francesco di Giorgio Martini, Filarete, Ciriaco, San Gallo, Rosellino, Cronaca, Bramantino und viele andere. Aus dem Ruinenstudium Roms schöpfte der große Leon Battista Alberti die Anregung zu seinem Werke De re aedificatoria, diesem bewundernswürdigen Grundbuch der neuklassischen Kunsttheorien der Frührenaissance. Römische Monumente beherrschten die Phantasie der Künstler; sie zierten jetzt den Hintergrund ihrer Gemälde und Fresken vorwiegend mit Abbildern römischer Portiken, Triumphbogen und Tempel. So wurde Rom die praktische Schule für die toskanische Kunst, und diese selbst hielt sodann, wie die Wissenschaft, ihren Einzug in Rom von Florenz aus, im Gefolge oder auf den Ruf der Päpste.

Denn Rom selbst war nicht schöpferisch. Der Genius des Altertums begeisterte die Römer zu Träumen der politischen Renaissance, nicht zu künstlerischen Werken. Als sie ihre Parteikämpfe ausgekämpft hatten, saßen sie träge an den Schutthaufen des Altertums, wie des Mittelalters, und sie ließen ihre Päpste für sie sorgen. Fremde kamen, ihnen die Bücher und den Buchdruck zu bringen, für sie zu bauen, zu malen und zu meißeln, während sich ihr unerschöpfter Boden auftat, um die alten Götter und Heroen, die Weisen und Bürger in Marmor und Erz der Welt zurückzugeben: ein langer Nachzug des Altertums, der noch nicht sein Ende erreicht hat. Die Unfruchtbarkeit der Römer mag aus dem Verfall ihrer Kunsttätigkeit durch das avignonesische Exil und Schisma erklärt werden; doch lag ihre Ursache tiefer, nämlich in dem unnationalen und zugleich unpolitischen Charakter der Weltstadt überhaupt. Die Natur derselben machte auch jede einheitliche architektonische Gestaltung unmöglich; der Raum, bei einer kleinen Bevölkerung, war zu groß, die Ruinen waren zu häufig und zu kolossal, und endlich fehlte der selbständig fortbildende Volksgeist. Auch die schönsten Monumente der neuitalienischen Architektur erschienen in Rom nur räumlich zufällig, vereinzelt und unorganisch. Sie sind persönliche Schöpfungen schnell wechselnder Kirchenfürsten. Die Päpste haben nur stellenweise das stets fallende Rom gestützt und ausgebessert oder verschönert. Rom hat kein bestimmtes Zeitgepräge, und das ist sein Reiz.

Wir wollen die Renaissance in Rom mit kurzen Zügen andeuten, soweit sie einem geschichtlichen Prozeß angehört. Im ganzen bietet heute das XV. Säkulum davon nicht viel mehr dar als einige Kirchenbauten, Paläste, Festungen und Mauern. Die Restaurationspäpste restaurierten, die Papstkönige bauten, das bürgerliche Volk blieb meist teilnahmlos.

Martin V. fand die Straßen versumpft, die Wohnungen zerrüttet, die Kirchen versunken. Die Behörde der Magistri Viarum war eingegangen; er erneuerte sie im Jahre 1425. Zwar sagt die alte Biographie dieses Papsts, daß die Römer wieder zu bauen und ihre Häuser zu restaurieren begannen, doch kann diese Tätigkeit nur vereinzelt gewesen sein. Es war Martins Plan, alle Pfarrkirchen wiederherzustellen, wozu er auch die Kardinäle ermunterte. Einiges geschah. Er erneuerte die Kirche Santi Apostoli und errichtete sich aus einem daneben bestehenden Palast eine Residenz, worin er zu wohnen pflegte. Er deckte das Pantheon neu mit Bleitafeln. Am wankenden St. Peter erneuerte er den Quadriporticus, im Vatikan stellte er manches Verfallene her. Am meisten tat er für die Basilika des Lateran. Noch erinnert dort an ihn der Rest des musivischen Fußbodens. Aber der Verfall der Kirchen war so allgemein, daß Martin die geringeren ihrem Schicksal überließ: er befahl sogar, kostbaren Marmor aus ihnen zu nehmen, um ihn für jenen lateranischen Fußboden zu verwenden. Hie und da stellte auch ein Kardinal seine Titelkirche her, so Alfonso Carillo die alte Basilika der Vier Gekrönten, welche bei dieser Gelegenheit verkleinert wurde. Jean de Rochetaille restaurierte S. Lorenzo in Lucina, welche Kirche übrigens unter Nikolaus V. vom Kardinal Calandrini neu gebaut wurde. Die Brücke der Senatoren ließ Martin herstellen.

Sein kunstfreundlicher Nachfolger Eugen IV. konnte erst nach seiner Rückkehr aus dem Exil diese rühmliche Tätigkeit fortsetzen. Er stellte viele Kirchen her, auch St. Peter und den Vatikan, neben welchem er das Münzgebäude anlegte. Er restaurierte den Lateranischen Palast und gründete daneben die Sakristei und ein Kloster, bei dessen Anlage man auf viele antike Kammern, Fußböden und schöne Statuen stieß, Reste des Palasts der Laterani. In der Lateranischen Basilika ließ er zuerst, was zu beklagen war, die Säulen und Pfeiler einmauern. Eugen dachte auch an die Erweiterung der Straßen Roms, die damals ein kaum entwirrbares Labyrinth bildeten. So wurden schon im Jahre 1442 die Buden fortgeräumt, welche die Vorhalle des Pantheon verunstalteten. Die herrlichen Säulen wurden damals zuerst wieder frei. Man pflasterte den Platz vor dem Pantheon mit Travertin und die ins Marsfeld führende Straße. Bei dieser Gelegenheit fand man die zwei basaltnen Löwen, welche jetzt im ägyptischen Museum des Vatikan stehen, und die prachtvolle Wanne aus Porphyr, die das Grabmal Clemens' XII. im Lateran ziert. Nach ihrer Ausgrabung war sie vor der Halle des Pantheon aufgestellt worden. Man glaubte damals, daß sie die Asche des Augustus enthalten habe, und die am Pantheon entdeckten Fragmente einer bronzenen Statue hielt man für die des Agrippa. Eugen setzte eine jährliche Summe von 325 Dukaten zur Wiederherstellung der Stadtmauern aus und ließ einige Tore restaurieren. Die Burg Ostia ließ er ausbessern; man entdeckte damals in der alten Kathedrale jener Hafenstadt unter dem Hochaltar die Reste Monicas, der Mutter des großen Kirchenvaters Augustinus, und brachte sie von dort in die Augustinerkirche nach Rom.

Eugens bevorzugter Architekt war der Venetianer Bregno oder Antonio Riccio, wie sein wirklicher Name lautete; seine rechte Hand, man könnte sagen, sein Agrippa, bei all dieser verdienstlichen Tätigkeit war der Kardinal Camerlengo Scarampo. Dessen Vorgänger Vitelleschi hatte Städte Latiums zerstört, sich selbst einen Palast in Corneto gebaut, aber für Rom nichts Nennenswertes getan. Nur den Vatikanischen Borgo, welcher durch die Kriegszüge des Königs Ladislaus ganz verfallen war, hatte er wieder zu bevölkern gesucht. Mehr tat hierauf Scarampo für Rom; man hat ihm nachgerühmt, daß er die in Trägheit versunkenen Römer zu einem menschlicheren Zustand zu erheben bemüht war.

Die Stadt verdankte ihm im Jahre 1456 die Anlage des Campo di Fiore. Dieser Platz, wo einst das Theater des Pompejus stand, nahm damals mehr Raum ein als heute. Er hieß das »Blumenfeld«, von der Wiese, die ihn ausfüllte. Bis zur Zeit Eugens weidete darauf Vieh. Scarampo ließ ihn pflastern; er selbst wohnte im nahen Palast S. Lorenzo in Damaso. Seit Eugen begannen überhaupt die Kardinäle mit Eifer zu bauen. Francesco Condulmaro errichtete auf den Ruinen jenes Pompejus-Theaters einen Palast, welchen später der Kardinal Pietro Isvalies mit Gemälden und Bildsäulen verzierte. Bald darauf kam er an die Orsini und später an die Prinzen Pio von Carpi. Jean le Jeune erweiterte ein Gebäude am Bogen des Marc Aurel auf der Via Lata so großartig, daß Biondo diesen Bau den schönsten nach dem Vatikan nennen konnte. Heute steht an dessen Stelle der Palast Fiano. Niccolò Acciapacci baute bei S. Maria in Via Lata einen Palast auf dem Lokal, worauf später der Palast Doria entstand. Zur Zeit Eugens begann auch Dominicus Capranica seinen Palast in der Nähe von S. Maria in Aquiro; da er ihn zu einem Gymnasium bestimmt hatte, errichtete sein Bruder Angelo, Kardinal unter Pius II., das noch dauernde Kollegium-Gebände. Dieser Palast Capranica, heute das älteste Monument der römischen Frührenaissance, zeigt am deutlichsten den Übergang der Gotik in den neulateinischen Stil.

Auch eine neue Klosterkirche entstand im Jahre 1439, Sant' Onofrio auf dem Janiculus, welche die römische Familie de Cupis und ein frommer Sulmonese Nicolaus von Forca Palena gründeten. Eugen übergab sie dem Orden der Hieronymiten. Der Kardinal Anton Martinez de Chaves gründete die Kirche der Portugiesen, S. Antonio im Marsfelde. Solche Nationalstiftungen hatten zu ihrem Hauptzweck ein Pilger- und Krankenhospital. So besaßen auch die Engländer das ihre schon seit 1398 in der Straße S. Maria del Monserrato. So war um 1399 auch der Anfang des deutschen Hospitals, der späteren S. Maria dell' Anima gemacht worden.

Auf Eugen IV. folgte der erste große Restaurator der Stadt, Nikolaus V. Zwei Leidenschaften beherrschten ihn, das Büchersammeln und das Bauen. Wenn man ihn dort mit einem Ptolemäer verglich, kann man ihn hier mit Hadrian vergleichen. In der Tat erstand bei diesem Papst der großartige Architektursinn antiker Römer wieder. Er griff Rom mit ganz imperialer Kühnheit an; die ganze Stadt wurde zum ersten Mal seit dem Altertum, wenigstens in seiner Auffassung, eine architektonische Totalität. Hier ist Nikolaus V. genial. Die ihn beherrschende Idee war modernes Bewußtsein der Renaissance: Rom sollte das unvergängliche Monument der Kirche, das heißt des Papsttums, werden und so vor allen Völkern in Herrlichkeit auferstehen. Von den kühnen Ideen Nikolaus' V. konnte freilich kaum etwas ausgeführt werden; sie blieben Entwürfe, wirkten aber mächtig nach.

Manche Teile Roms waren entvölkert; so lag das Viertel vom Bogen des Gallienus und S. Vito nach S. Maria Maggiore und S. Prassede öde; Nikolaus rief die Römer auf, sich dort niederzulassen und versprach dafür Freiheit von jeder Steuer. Zunächst hatte er nichts Geringeres im Sinn als eine allgemeine Restauration der Stadt und neben ihr einen caesarischen Umbau der Leonina, eine Übertragung des Palatin auf den Vatikan. Er wollte bauen als ein römischer Papstkönig. Er begann allmählich, bis ihm die Jubiläumeinnahmen erlaubten, mit kolossalen Mitteln arbeiten zu lassen. Rom glich einem einzigen Bauplatz, einer riesigen Werkstätte; Scharen von Handwerkern und Arbeitern strömten in die Stadt und bildeten hier ganze Kolonien. Massenhaft wanderten namentlich lombardische Künstler und Techniker ein. Bauunternehmer im großen, jahrhundertelang in Rom nicht gesehenen Stil der Spekulation schlossen Kontrakte mit dem reichen, verschwenderischen Bauherrn. Travertin wurde bei Tivoli gebrochen und zu Wagen mühsam nach der Stadt gefahren, vielleicht sogar auf dem Anio verschifft, welcher zu diesem Zweck gereinigt werden sollte. Zu gleicher Zeit wurden die Stadtmauern hergestellt, Brücken restauriert, Befestigungstürme ausgeführt, Kirchen erneuert, Fundamente zum neuen Vatikan gelegt. Diese Tätigkeit war fieberhaft. Ruhmsucht und der Gedanke an den nahenden Tod berauschte und quälte den Papst zu gleicher Zeit.

Die Mauern Roms ließ er im Jahre 1451 herstellen. Sie zeigen noch hie und da das bescheidene Wappen des Papsts. Die Milvische Brücke ließ er durch einen Turm befestigen; das Nomentanische Brückenkastell hat noch die Gestalt, die er ihm gab. Selbst das Kapitol ward neu befestigt. Kaum ein anderer Papst baute so viel Burgen als dieser glückselige Mann der Bücher. Jene in Narni und Orvieto ließ er anlegen, das Schloß der Albornoz in Spoleto vergrößern. So etwas wie die Vertreibung Eugens IV. sollte sich nicht mehr wiederholen. Indem Nikolaus die lange Reihe der aus Rom flüchtigen Päpste überblickte, kam er zu dem Schluß, daß sie solches Schicksal nicht würden erlitten haben, wenn hinreichende Festungen sie geschützt hätten. Fortan sollte das Papsttum durch eine vatikanische Burg gegen innere Revolutionen gesichert werden. Die Engelsbrücke, von welcher er die Buden entfernte, deckte Nikolaus durch Türme auf den Flankenmauern des Kastells, und dieses selbst verstärkte er. Der berühmte Alberti zeichnete ein Schirmdach, welches jene Brücke erhalten sollte, aber nicht erhielt. Nun sollte auch der ganze Borgo befestigt werden, der neue Vatikan aber sich als eine avignonesische Papstburg darin erheben. In der Tat begann Nikolaus, eine Mauer um den Palast zu errichten und den dicken Rundturm an der Viridaria zu bauen.

Den Anblick des Oberpriesters der Religion hinter Mauern, Türmen und feuerspeienden Bombarden mag die Geschichte Roms und der Menschheit oder des Papsttums erklären und verantworten; so viel ist gewiß, daß Nikolaus V. den Widerspruch solcher mißtrauischer Bedürfnisse des Fürsten mit seiner geistlichen Würde wohl empfand, denn er wollte sein vatikanisches Befestigungssystem mit einem Umbau der Leonina genial vereinigen. Dieser verrottete Borgo sollte zu einer riesigen Papststadt werden. Von einem Platz vor der Engelsburg sollten drei Straßen, den Vicus curialis bildend, auf den Petersplatz führen, mit sechs großen Portiken, mit Kunsthallen, Künstlerwerkstätten und Wechselbanken. In dem herrlichsten der Paläste, einem Verein von Prachtgebäuden mit Parkanlagen, dachte er sich den Papst und die gesamte Kurie wohnend. Er sollte nicht seinesgleichen auf Erden haben. Er wollte darin selbst ein Theater für die Kaiserkrönung, ein Konklavehaus und ein Schauspielhaus errichten. Durch ein herrliches Triumphtor sollte man in diese Papstburg eintreten.

Ein neuer Petersdom, hochgekuppelt, in lateinischer Kreuzesform, mit zwei Türmen vor seinem Vestibulum und großartigen Gebäuden zu den Seiten für den Klerus, sollte sich an der Stelle der alten Basilika erheben und auf dem Platz davor der Obelisk zu stehen kommen, die Figur Christi tragend und ruhend auf einem bronzenen Postament mit den vier ehernen Apostelkolossen. Der Bologneser Ridolfo Fioravante, zubenannt Aristoteles, hatte den Plan seiner Aufrichtung entworfen.

Diese ganze Neustadt mit Dom und Palast, mit Kirchen, Klöstern, Brunnen, Gärten, Portiken, Bibliotheken, wollte Nikolaus mit einer hochgetürmten Mauer umgeben, so daß die Papstburg, wie Manetti sagt, nur den Vögeln des Himmels ersteigbar sein konnte; und er gefiel sich in dem Gedanken, inmitten dieses Papstklosters zu thronen, wie ein Großkönig Asiens in seinem Paradies. In Wahrheit gedachte er alle sieben Wunderwerke zu überbieten und den Ruhm Salomos zu erreichen, welcher das Königshaus und den Tempel zugleich erbaute. Dem kühnen Entwurf lagen die Pläne von Kaiserbauten, vom Palatin, von den Foren und Thermen zugrunde. Da er leider nicht ausgeführt werden konnte, hat er nur als eine der kolossalsten Phantasien der römischen Renaissance Bedeutung. Die Päpste durften es übrigens nicht beklagen, daß der Plan Idee blieb; wenn sie sich in eine solche Marmorfestung zurückgezogen hätten, so würden sie das Ansehen eines europäischen Dalai Lama erhalten, sich aber zum Verzicht auf Rom verurteilt haben. Die Italiener mögen es deshalb bedauern, daß diese Absperrung des Papsttums in der Leonina, von welcher schon die heilige Birgitta träumte, nicht wirklich wurde.

Die Ausführung des Plans, wie ihn Manetti geschildert hat, setzte die Zeit von vielen Päpsten und die Schätze des Rhampsinit voraus, und man mag daraus erkennen, was ein damaliger Papst sich zutrauen durfte. Nikolaus bediente sich für seine Entwürfe des Florentiners Bernardo Gambarelli, zubenannt Rosellino, und ganz besonders des genialen Leon Battista Alberti, als dieser nach Rom kam und ihm durch Biondo befreundet wurde. Alberti zeigte ihm hier im Jahre 1452 sein Buch über die Baukunst, die erste Schrift der Art nach dem Vitruv; seine dem Mittelalter und der gotischen Bauweise feindlich abgewendeten Kunstanschauungen eröffneten ein neues Zeitalter der Architektur, und Nikolaus V. ging auf sie ein.

Sehr merkwürdig ist dieser erste Entschluß zum Neubau des St. Peter, denn er setzte die Zerstörung des alten Doms, also den kühnen Bruch mit einer geheiligten Tradition voraus. Die alte Basilika drohte damals in ihrer nördlichen Seite, welche auf den Fundamenten des Circus Caligulas ruhte, zu weichen und zeigte bedenkliche Risse; dies war für Nikolaus ein Vorwand seines kühnen Plans, aber er begann den Umbau keineswegs an der bedrohten Stelle, die sogar noch lange stehen blieb, sondern am Chor. Das alte Templum Probi ließ er schonungslos zerstören, um die neue Tribüne zu bauen, und so verschwand jene Grabkapelle der Anicier. Wir würden von ihr keine Vorstellung mehr haben, wenn sie nicht Maffeo Vegio damals gesehen und beschrieben hätte. Als Nikolaus starb, erhob sich die Tribüne erst einige Fuß hoch; vom neuen Vatikan war die heutige Kapelle S. Lorenzo, wie es scheint, ursprünglich das Arbeitszimmer jenes Papsts, vollendet und im Rohen der großartige Umbau des Palasts Nikolaus' III. durch eine Reihe von Gemächern, deren untern Stock später Alexander VI. ausbauen ließ, während das obere Geschoß die berühmten Stanzen enthält. Beim Tode Nikolaus' V. standen um ihn her Mauern und Gräben, die Grundzüge riesiger Entwürfe, schon im Beginne Ruinen.

In Rom selbst vollendete er die Herstellung fast aller vierzig Stationen-Kirchen, er restaurierte S. Stefano Rotondo, S. Maria Maggiore nebst dem anstoßenden Palast S. Prassede, Lorenzo vor den Mauern und St. Paul. S. Teodoro wurde neugebaut. Neu entstand die spanische Kirche S. Jacopo auf der Navona, welche Alfonso Paradinas, Bischof von Rodrigo, im Jahre 1450 gründete. Um dieselbe Zeit stiftete der reiche Kardinal Latino Orsini Kirche und Kloster S. Salvatore in Lauro. Er schenkte sie der Kongregation S. Giorgio in Alga und vermachte ihr seine ansehnliche Bibliothek. Diese verbrannte bei der Plünderung Roms im Jahre 1527.

Auf dem Kapitol ließ Nikolaus wahrscheinlich den ganz verfallenen Palast des Senats erneuern. Er erbaute neu den Palast der Konservatoren; und so erhielt das mittelalterliche Kapitol ein moderneres Aussehen. Sehr verdienstlich war die Herstellung des Aquädukts der Virgo, welcher übrigens schon unter Eugen IV. benutzt wurde und von allen antiken Aquädukten damals allein in Gebrauch war. Nikolaus ließ die Ausmündung dieser meist unterirdischen Wasserleitung mit einer einfachen Fontäne schmücken, und diese erhielt von dem Dreiweg, wo sie stand, den Namen Trevi. Sixtus IV. vollendete dieses Werk, dessen Pläne die großen Künstler Alberti und Rosellino entworfen hatten. Aber erst Clemens XII. ließ die heutige Brunnenfassade von Niccolò Salvi anlegen, und im Jahre 1744 weihte Benedikt XIV. dies Wunderwerk ein.

Nicht allein Rom, sondern den Kirchenstaat wollte Nikolaus V. mit Monumenten zieren. In Viterbo und Civita Vecchia, in Civita Castellana, Assisi, Gualdo und Fabriano ließ er Gebäude errichten, Plätze anlegen, Kirchen herstellen. In Wahrheit, seit den Karolingern hatte kein Papst so viel gebaut. Voll Genugtuung ließ er eine Medaille prägen, mit dem Abbild der ummauerten Stadt und der alten Inschrift Roma Felix.

Diese Baulust fand indes heftige Ankläger, wie den zelotischen Minoriten Capistrano. Man tadelte den Papst, daß er Byzanz türkisch werden ließ, aber Millionen für Bücher und Quadersteine verschwendete. Fromme Christen konnten zweifeln, ob eine so ganz caesarische Baulust mehr für die Größe oder für die Kleinheit eines Papstes sprach, doch auf einem andern Standpunkt wird auch imperiale Verschwendung im Großen eine preiswürdige Eigenschaft sein. Sie wirkt in der Kultur fort, und sie bewahrt die Menschheit vor dem Versinken in das ärmliche Wesen abmessender Nützlichkeit. Rom hat stets diese Impulse monumentaler Großartigkeit gehabt, erst unter Kaisern, dann unter genialen Päpsten, die ihnen nacheiferten. Die Reaktion gegen so kühne Baupläne trat schon unter dem Nachfolger Nikolaus' V. ein, und hauptsächlich infolge des Falles von Byzanz. Calixt III., der die kostbaren Tafelgeräte seines Vorgängers zu Geld machte, verachtete auch dessen Bauten; ihr Material gab er den Römern preis. Er selbst setzte nur den Bau der Stadtmauern fort und vollendete den Turm von Ponte Molle. Von Kirchen verdankte ihm nur S. Prisca die Wiederherstellung.

Auch Pius II. bestaunte nur den echt römischen Sinn Nikolaus' V., ohne daß er selbst ihn teilte. Die Wiedereroberung der Hagia Sophia war auch eine höhere Pflicht als der Neubau des St. Peter. Die Denkmäler Piccolominis bewahrt nicht Rom, sondern Siena und Pienza, welches er durch Rosellino mit Palästen und einer Kathedrale schmücken ließ. Den St. Peter reinigte er, indem er aus dem Mittelschiff Tabernakel und Grabmäler in die Nebenschiffe bringen ließ; er selbst baute dort eine Andreaskapelle, erneuerte die großen Treppen des Vorhofs und begann die Loggia für die Segensprechung, wozu er sieben Säulen aus dem Porticus der Octavia fortnahm. Wenn er die Kastelle Gandolfo und Savelli herstellte, so geschah das vielleicht aus antiquarischer Liebhaberei; aus strategischen Gründen ließ er die Burg in Tivoli bauen, wobei er das dortige alte Amphitheater rücksichtslos zerstörte, um es als Steinbruch zu verwenden. Dagegen befahl er, eins der ältesten Kastelle Latiums niederzureißen. Dies war Lariano auf dem Algidus, lange ein Besitz der Annibaldi, dann der Colonna, noch von Kardinal Prospero im Jahre 1462 wieder aufgebaut, dann nach dessen Tode von seiner Schwester Viktoria dem Kardinal Piccolomini überliefert. Pius II. ließ diese Burg zerstören, und später schenkte Alexander VI. das Burggebiet der Stadt Velletri. Pius wollte den Anio schiffbar machen, auch den Hafen Trajans (Portus) reinigen, was unterblieb. Bei seinen Streifzügen durch das Aniotal konnte er in Vicovaro die Kapelle St. Jakob bewundern, welche Francesco Orsini um 1450 begonnen und dessen Neffe Johann, Bischof von Trani, vollendet hatte. Sie steht noch unversehrt, das vereinzelte Denkmal der Kunstliebe auch eines römischen Barons: eine achteckige gekuppelte Kapelle mit schönem Portal und vielem Schmuck und Figuren. Ein Schüler Brunelleschis war ihr Erbauer. Francesco Orsini, Graf von Tagliacozzo, erster Graf von Gravina und Conversano und auch Stadtpräfekt, baute in Rom selbst am Ende der Navona den alten Palast der Mosca aus. Nach vielen Veränderungen verwandelte sich dieser orsinische Palast in den heutigen des Hauses Braschi.

In die Zeit Pius II. gehören auch die Bauten des Kardinals Torquemada in der Minerva, wo er den Klosterhof errichten und mit Gemälden ausschmücken ließ; auch das Gewölbe der Kirche und die Kapelle dell' Annunziata ließ er ausbauen. Hiebei unterstützten ihn die Savelli und Gaëtani und jener Francesco Orsini, welcher den Ausbau der Minerva auf eigene Kosten vollenden ließ.

Paul II. begann schon als Kardinal im Jahre 1455 den Bau seines Palasts S. Marco in so echt römischen Verhältnissen, wie sie bisher für das Wohnhaus eines Kardinals unerhört gewesen waren. Dieses gewaltige Gebäude konnte nur von einem fürstlichen Hofe ausgefüllt werden; es ward auch nie fertig; aber auch unvollendet ist es eins der großartigsten Monumente Roms, auf der Grenzscheide des Mittelalters und der modernen Zeit. An jenes erinnern noch die Zinnen und der nicht vollendete Turm. Die Gotik ist verschwunden. Die Außenflächen haben unten römische Bogenfenster, oben die geradlinigen der Renaissance. Das Ganze zeigt ein großräumiges Wesen von buntartiger Stärke und von düsterm Ernst; schwerfällige Kraft ohne Anmut. Der Hauptschmuck sollte der innere Säulenhof sein, und dieser erste solcher Art in Rom würde wohl der prachtvollste geworden sein, wenn er wäre vollendet worden. Der Architekt baute die Arkaden in dem größeren Hofe aus Pfeilern und Halbsäulen, wobei er die Bauform am Colosseum zum Vorbilde nahm. So kam in Rom die Halbsäulenordnung wieder zur Anwendung. Mehrere Künstler bauten an dieser Kardinalsburg, Giacomo da Pietrasanta, Bernardo di Lorenzo, Vellano von Padua, doch sind die Nachrichten darüber zweifelhaft. Der Bau verschlang große Summen; sein Vorsteher ward unter Prozeß gestellt, aber freigesprochen. Der Papst selbst plünderte antike Monumente zugunsten seines Palasts, sogar das Colosseum, und wohl hat er sich nicht allein niedergestürzter Trümmer desselben bedient, sondern auch noch stehende Teile zerstören lassen. Seitdem das Hospital des Salvator Besitzer und Wächter des Colosseum geworden war, hatte dessen Bruderschaft das Recht auf die niedergestürzten Quadern, welche sie zugunsten des Hospitals zu verkaufen pflegte.

Schon als Kardinal bewohnte Paul II. den Palast S. Marco, als Papst vereinigte er in ihm seine herrliche Sammlung von Antiken; er sah von dort den Karnevalsrennen zu, wodurch die Via Lata den Namen Corso erhielt. Am Palast bauten sein Neffe Marco Barbo, die Kardinäle Lorenzo Cibò und Domenico Grimani weiter fort, ein berühmter Kunstmäzen und Kunstsammler, wie es Paul II. gewesen war. Paul III. verband den Palast durch einen bedeckten Gang mit der päpstlichen Sommerwohnung auf Aracoeli, und überhaupt war er Eigentum der Päpste, bis ihn Pius IV. im Jahre 1564 der venetianischen Republik für ein dem päpstlichen Nuntius in Venedig geschenktes Haus abtrat. Seither bewohnten die herrlichen Räume des Palazzo di Venezia die Botschafter der erlauchten Republik und die Kardinäle von S. Marco, endlich die Botschafter Österreichs. Und noch heute nach dem Verluste Venedigs ist er das Eigentum Österreichs. Von den uralten Rechten des Imperium germanischer Nation auf Italien und Rom seit Karl dem Großen ist so der alleinige Überrest ein einzelner Palast und nichts mehr.

Paul II. ließ auch die Basilika S. Marco ausbauen, indem er sie in den Palast selbst hereinzog. Auch hier ist das Bemerkenswerteste die schöne Vorhalle aus Travertin. Als Architekt wird Giuliano da Majano genannt, und dieser Künstler arbeitete auch im Vatikan, wo die Tribüne der Peterskirche hergestellt, die Loge der Segensprechung vollendet und im Palast selbst ein prachtvoller Hof von drei Säulenstellungen übereinander gebaut wurden. Dieser Säulenhof ging in den späteren Umbauten unter.


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