Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

5. Allgemeines Bild Roms im XIII. Jahrhundert. Die römischen Türme und Adelsburgen. Der Turm der Grafen und der Turm der Milizen. Die Burg Capo di Bove an der Via Appia. Der Stadtpalast auf dem Kapitol. Der Stadtplan aus der Zeit Innocenz' III.

Das Zeitalter der Parteikämpfe, des Exils von Päpsten und Bürgern und der Stadtverwüstung war nicht geeignet, Monumente bürgerlicher Architektur zu schaffen oder zu erhalten. Die Großen bauten nur Türme, die Päpste Hospitäler und Residenzen, die Senatoren besserten die Stadtmauern aus. Im XIII. Jahrhundert finden wir kaum eine Nachricht über öffentliche städtische Bauten. Tiefes Schweigen bedeckt die Wasserleitungen; und nur einmal wird berichtet, daß Gregor IX. die Kloaken reinigen, die Brücke S. Maria herstellen ließ. Rom sank in Trümmer. Keine Behörde überwachte die Denkmäler. Erdbeben, Wasserfluten, Stadtkriege, der Turmbau des Adels, die Restauration der Kirchen, das Bedürfnis der Marmorarbeiter, die Nachsuchung fremder Käufer zerstörten die Monumente, und der höher wachsende Schutt begrub tief und tiefer die alte Stadt. In ihre Unterwelt versanken wie durch wohltätigen Zauber viele Gebilde der Kunst. Sie entzogen sich der Gegenwart, welche auf ihren Gräbern ihre wilden Kämpfe fortkämpfte, und sie stiegen als Zeugen der klassischen Vergangenheit erst in später Zeit wieder empor. Noch heute liegen viele Statuen im unterirdischen Rom; sahen wir doch im Sommer 1864 den bronzenen Koloß des Herkules aus den Trümmern des Pompejustheaters, worin er so viele Jahrhunderte lang begraben lag, plötzlich fast unversehrt an den Tag kommen.

Das Relief der Stadt im XIII. Jahrhundert würde uns das sonderbarste Gemälde zeigen. Sie glich einem von bemoosten Mauern umfaßten großen Gefilde mit Hügeln und Tälern, mit wüstem und bebautem Land, woraus finstere Türme oder Schlösser, graue in Ruinen gehende Basiliken und Klöster, vom Pflanzenwuchs umschlungene Monumente kolossaler Größe, Thermen, zerbrochene Wasserleitungen, Säulenreihen von Tempeln, einzelne Säulen, betürmte Triumphbogen emporragten, während sich ein Gewirre enger Straßen, durch Schutt unterbrochen, an Ruinen hinzog, und der gelbe Tiberstrom unter hie und da schon eingestürzten Quaderbrücken diese trümmervolle Wüste melancholisch durchfloß. Rings um die alten Mauern Aurelians lagen innerhalb öde oder als Acker bebaute Strecken, Landgütern an Ausdehnung gleich, mit emporragenden Ruinen; Weingärten und Gemüsefelder durch die ganze Stadt gleich Oasen zerstreut, selbst in der Mitte des heutigen Rom, am Pantheon, an der Minerva, bis zur Porta del Popolo; das Kapitol bis zum Forum herab, auf dessen Schutt Türme standen, mit Weingärten bedeckt, nicht minder der Palatin; die Thermen, die Circus mit Gras überwuchert und hie und da völlig eingesumpft. Überall, wohin der Blick fiel, düster trotzige Türme mit Zinnen, aus Monumenten der Alten aufgebaut, und krenelierte Kastelle originellster Form, aus zusammengerafftem Marmor, Ziegeln und Peperinstücken errichtet, die Schlösser und Paläste des guelfischen und ghibellinischen Adels, welcher auf den klassischen Hügeln in Ruinen fehdelustig dasaß, als wäre dies Rom nicht Stadt, sondern ein durch täglichen Krieg streitiges Landgebiet. Es gab damals in Rom keinen Edlen, der nicht Türme besaß. In Akten der Zeit finden sich bisweilen als Besitzungen von Römern in der Stadt selbst bezeichnet: »Türme, Paläste, Häuser und Ruinen.« Die Geschlechter wohnten in unheimlichen, durch schwere Eisenketten versperrten Quartieren unter Trümmern mit ihren Sippen und Gefolgschaften beisammen, und sie brachen daraus ab und zu mit wildem Waffengetöse hervor, ihre Erbfeinde zu bekriegen.

Wir zählen die ansehnlichsten dieser Adelsburgen auf; sie sind die wesentlichen Charaktere der Stadt im XIII. und XIV. Jahrhundert, wo die Aristokratie sich in den Besitz Roms geteilt hatte.

In Trastevere standen die Türme der Papa und der Romani, der Normanni und Stefaneschi, wozu später die Festung der Anguillara kam. Auf der Tiberinsel erhoben sich die frangipanischen Türme, welche um die Mitte des XIII. Jahrhunderts den Präfekten von Vico gehörten. Heute ist nur noch einer von den Brückentürmen übrig.

Das vatikanische Gebiet, wo rings um den St. Peter unansehnliche Häuser standen, besaßen die Orsini samt der Engelsburg seit der Mitte des Säkulum; und schon deshalb faßte Nikolaus III. den Plan zu seiner vatikanischen Residenz, denn so befand er sich im Viertel seines eigenen Geschlechts. Mit der Engelsburg beherrschten die Orsini den Zugang zum Vatikan wie zur Stadt, wo sie diesseits der Brücke auch in den Regionen Ponte und Parione saßen. Ihre Paläste standen auf dem Monte Giordano und in den Trümmern des Pompejustheaters auf Campo di Fiore. Der Monte Giordano, durch Schutthaufen antiker Gebäude in der Nähe der Engelsbrücke gebildet, hieß noch im Jahre 1286, wo auf ihm die Orsini bereits wohnten, Monte Johannis de Roncionibus und erhielt bald nachher seinen Namen von Jordan Orsini. Im Jahre 1334 erscheint er schon als ein mit Mauern umgebenes Quartier. Die andere Burg der Orsini auf Campo di Fiore, Arpacata genannt, wurde aus den riesigen Trümmern des Pompejustheaters erbaut. Sie ist verschwunden; sie muß dort gestanden haben, wo heute der Palast Pio steht. So besaß jenes Adelsgeschlecht außer ungezählten Häusern diesseits und jenseits des Flusses drei Hauptfestungen, die Engelsburg, den Monte, die Arpacata.

In einem andern Teil desselben Viertels saßen bereits die Savelli, nämlich dort, wo beim Palast der Cancellaria noch heute eine Straße Vicolo de' Savelli genannt wird. Aber schon der Orsini wegen konnten sie daselbst nicht zur Macht kommen.

Das diesseitige Flußufer entlang, durch die Regionen Ponte, Parione, Regola und S. Angelo bis zum Kapitol hin, erhoben sich Türme vieler Geschlechter. Die Massimi wohnten schon dort, wo ihr heutiger schöner Palast steht; die Margani und Statii hatten sich im Circus Flaminius angebaut; die Bonfilii, Amateschi, Capizucchi, Boccapaduli und Boccamazzi wohnten in benachbarten Vierteln. Am Marcellustheater saßen noch die Pierleoni; aber die Macht dieser Sippschaft Anaklets II. war im XIII. Jahrhundert bereits so hingeschwunden, daß ihr Name kaum noch in der Stadtgeschichte erscheint. Ihre Hauptburg in jenem Theater, das »Haus der Pierleoni«, kam an die Savelli, doch erst im folgenden Jahrhundert.

Das große Marsfeld bot zwar viele Ruinen zum Bau von Burgen, aber wegen seiner Lage nicht hinlängliche Sicherheit. Dies Viertel war den Tiberüberschwemmungen ausgesetzt, noch wenig bevölkert, meist mit Gemüsegärten bepflanzt und daher nur selten das Theater von Stadtfehden, welche den Colonna galten. Denn dies Geschlecht beherrschte die ganze wüste Ebene von der Porta del Popolo bis zum Quirinal, also das einst prachtvolle Stadtgebiet Trajans, Hadrians und der Antonine. Die colonnischen Hauptburgen waren im Marsfeld das Mausoleum des Augustus und der Mons Acceptorii, heute Monte Citorio. In den Ruinen des Stadium Domitians bauten die Millini und die Sanguigni ihre noch stehenden Türme und im Viertel des Pantheon Sinibaldi und Crescenzi ihre festen Paläste.

Die größten Adelsburgen lagen indes im eigentlichen alten Rom auf den Hügeln, die sich zum Forum und zum Circus Maximus herabsenken. Dies war der Schauplatz der Stadtgeschichte im Mittelalter, seitdem die Volksgemeinde ihren Sitz im Kapitol genommen hatte. Die verödeten Hügel bekamen dadurch neues Leben und bevölkerten sich zum Teil wieder trotz ihres Mangels an Wasser. Auf dem Coelius und Palatin herrschten die Frangipani, denen indes die Annibaldi vom lateranischen Viertel her, wo ihr Hauptsitz war, das Colosseum bereits streitig machten. Dies Amphitheater, von welchem das Erdbeben am 1. Juni 1231 einen beträchtlichen Teil eingestürzt hatte, das Septizonium auf dem Palatin, die Turris Cartularia, die Triumphbogen des Titus und Constantin, wahrscheinlich auch der Arcus Fabianus in der Gegend von S. Lorenzo in Miranda, der Janus Quadrifrons und die Türme am Circus Maximus bildeten die große frangipanische Burg, oftmaliges Asyl der Päpste und Stätte ihrer Wahl. Diese Festung, welcher als Schanzen die berühmtesten Monumente des alten Rom dienten, mit schwarzen Mauern, Zinnen und Türmen, war sicher die originellste der Welt zu nennen und muß den sonderbarsten Anblick gewährt haben.

Der Palatin und seine Kaiserpaläste waren ganz verfallen oder nur von Mönchen, Priestern und dem Dienstvolk der Frangipani bewohnt. Großartig muß damals diese Trümmerwelt gewesen sein, und noch hätte vielleicht ein kundiger Antiquar die Paläste des Augustus, Tiberius, Caligula, Nero und Domitian unterscheiden können. Auch das erst in unserer Zeit aufgegrabene palatinische Stadium muß damals noch zum Teil freigelegen haben. Der Coelius war bevölkerter als jetzt; denn noch im Jahre 1289 wird dort die uralte Straße Caput Africae genannt; ein Beweis, daß jener Hügel nicht, wie man geglaubt hat, schon infolge der Verwüstung durch Robert Guiscard verödet war. Auch das Viertel um das Colosseum her und nach dem Lateran zu war noch einigermaßen bevölkert. Im Ritualbuch des Cencius werden bei Gelegenheit der Austeilung von Geldgeschenken für Ehrenpforten auf der Strecke vom Turm Cartularia bis zu St. Nikolaus am Colosseum dreiundzwanzig Häuser bezeichnet, darunter der Familien Mancini, Rainucci, Bulgarelli und Crassi. Dagegen nahm die Bevölkerung vom Colosseum zum Lateran wieder ab, und von S. Clemente aufwärts bis dorthin wird kein Haus angeführt.

Der Aventin, zur Zeit Ottos III. noch bewohnt, dann verödet, wurde von den Savelli übernommen. Sie besaßen hier schon lange einen Palast bei der S. Sabina; denn Honorius III. schenkte einen Teil davon den Dominikanern zum Klosterbau. Honorius IV. baute ihn zu seiner Residenz aus und umgab ihn mit Mauern und Türmen. Große Reste dieser savellischen Burg in der Bauweise, die man saracinesco nennt, haben sich noch erhalten. Sie blieb der Hauptsitz des Geschlechts, und dieses besetzte später auch die Marmorata und das Marcellustheater. Die Marmorata trug fortwährend ihren Namen von dem Marmorlager auf dem alten Emporium, welches wohl schon ganz mit Schutt überdeckt war. Mehrere Kirchen standen dort unter dem Aventin am Fluß, mit dem Zunamen de Marmorata. Honorius IV. wollte den Aventin neu bevölkern. Er lud viele Römer dort zum Anbau ein; doch der Mangel an Wasser ließ diese savellische Kolonie nicht gedeihen.

Volkreicher waren die Abhänge des Esquilin, weil dort vielbesuchte Kirchen standen, wie die S. Maria Maggiore, bei welcher Nikolaus IV. eine päpstliche Residenz angelegt hatte; ferner die Abhänge des Quirinal und die noch stark bewohnte Subura, während der Viminal von Einöden und Weinbergen bedeckt lag. Die Trümmer der entlegenen Thermen Diokletians luden kein Adelsgeschlecht zum Bau von Burgen ein, auch nicht die versumpften riesigen Bäder des Caracalla oder das prätorianische Lager.

Mächtige Familien besetzten dagegen jene Abhänge des Quirinal und verschanzten sich in der Nähe der alten Kaiserfora. Im XIII. Jahrhundert war gerade dies Gebiet der Kampfplatz der Faktionen. Denn dort saßen die Pandulfi von der Subura, die Capocci, welche sich in den Thermen Trajans angesiedelt hatten, und die Conti, während in der Nähe die vierte Burg der Colonna, der uralte Sitz der Grafen von Tusculum, in den Thermen Constantins lag. Noch heute stehen auf jenen Abhängen die gigantischen Überreste von zwei Türmen jener großartigen Zeit. Während die übrigen Adelsburgen untergingen, erhielten sich der »Turm der Grafen« und der »Turm der Milizen« in bedeutenden Überresten so fest und unzerstörlich wie Bauten des antiken Rom, mit denen sie einst gewetteifert hatten.

Der »Grafenturm« ( Torre de' Conti) bezeichnet die Epoche der Macht des Geschlechts Innocenz' III.; der ehrgeizige Richard Conti erbaute ihn mit den Mitteln seines päpstlichen Bruders im alten Forum des Nerva, und von hier aus wurde die republikanische Freiheit Roms bekämpft. Die riesigen Ruinen der Fora des Augustus, Nerva und Caesar boten sich leicht zu einer Festung dar, und die Conti errichteten sie als eine Zwingburg, welche das Kapitol wie die frangipanischen Türme schrecken konnte. Der Bau jenes gewaltigen Turms fiel in den Anfang der Regierung Innocenz' III. Nichts beweist, daß er schon Jahrhunderte stand und von den Conti nur vergrößert wurde. Tuffquadern bildeten seine Grundlagen aus antiken Resten, gebrannte Ziegeln seine Mauern. Viereckig, über der gewaltigen Basis in drei sich verjüngenden Stockwerken mit einem dreigezackten Aufsatze von Zinnen, schien er in die Wolken emporzusteigen. Man pries ihn als den herrlichsten aller Stadttürme, ja als ein Wunderwerk, obwohl er keineswegs durch architektonische Schönheit, sondern nur durch kolossale Größe ausgezeichnet war. Petrarca, der ihn sah, ehe ihn ein Erdbeben zertrümmerte, beklagte seinen Fall mit dem Ausruf, daß er in der Welt ohnegleichen sei. Er wurde demnach nicht einmal von dem berühmten Trouillas des avignonesischen Palasts erreicht, welchen Johann XX1I. als ein schrecklicher Turmbauer Nimrod, wie Petrarca spottete, dort errichten ließ. Er überdauerte manchen Sturm; selbst das Erdbeben im Jahre 1348 zerstörte nur sein Obergeschoß, denn Benozzo Gozzoli malte noch im XV. Jahrhundert ein Bild über seiner Eingangstüre. Erst Urban VIII. ließ ihn bis auf seine heutigen Reste abtragen.

Sein Zwillingsbruder war der wegen seiner hohen Lage noch großartigere Turm der Milizen ( Torre delle Milizie). Der Wanderer in Rom bestaunt ihn noch heute vom Monte Pincio aus oder aus dem Kloster Aracoeli, wo er sich am besten darstellt, als die mächtigste Ruine des Mittelalters die Stadt überragt und als ausdrucksvollstes Wahrzeichen an das guelfische und ghibellinische Zeitalter Roms gemahnt. Das Volk oder die Phantasie der Pilger erblickte in ihm den Palast Oktavians, und erst sehr spät fabelte man, daß Nero von seiner Zinne dem Brande Roms zitherspielend zugeschaut habe. Man erinnerte sich in Rom, daß die Gärten des Maecenas und das Haus des Poeten und Zauberers Virgil in jener Gegend lagen. Der Turm steht auf dem quirinalischen Abhange über dem Trajans-Forum, wo das bekannte Lokal der Balnea Neapolis ( Magna napoli) sich befindet. Das dortige Viertel hieß im Mittelalter Biberatica; es erstreckte sich vom Quirinal über Magnanapoli bis zum Forum Trajans und den Santi Apostoli. Der Turm selbst gab einer Straße den Namen Contrata Miliciarum. Seine Erbauungszeit ist ungewiß; sein Stil und sein dem Grafenturm ähnliches Mauerwerk sprechen für die Zeit Innocenz' III. oder Gregors IX., und wahrscheinlich stand auf seiner Stelle schon ein viel älterer Turm. Er stieg aus seiner breiten und hohen Basis als ein viereckiger bezinnter Koloß empor; auf dem Unterbau erhob sich ein zweiter verjüngter Aufsatz, gleichfalls viereckig und von mächtigen Pfeilern gegliedert. Aus der bezinnten Plattform desselben stieg endlich noch ein verjüngter, oben platter, viereckiger Turm empor. Das Ganze war mit einem krenelierten Kastell verbunden und so eine vollständige Burg. Weil auf dem Quirinal, wo der Turm heute im Klosterbezirk der Nonnen von S. Caterina di Siena steht, schon im XII. Jahrhundert ein Ort Miliciae Tiberianae genannt wird, so geht daraus hervor, daß er auf einem antiken Monument errichtet wurde, welches vielleicht eine militärische Station der Kaiserzeit war. In der letzten Hälfte des XIII. Jahrhunderts gehörte er den Annibaldi, von welchen er an die Gaëtani kam. Sein Besitz galt für so wichtig, daß seine Herren von ihm wie von einer Baronie den Titel führten: Petrus, der Nepot Bonifatius' VIII., nannte sich seit dem Jahre 1301, wo er ihn von Richard Annibaldi erstand, Dominus Miliciarum Urbis, Herr der Stadtmilizen, und wahrscheinlich erhielt er damit das Recht, in dieser großen Stadtfestung Kriegsvolk zu halten.

Jene beiden Türme sind die Denksäulen des römischen Mittelalters, wie die Säulen der Kaiser Trajan und Antonin die Denksteine der römischen Kaiserzeit, merkwürdige Charakterfiguren der Stadt, welche deutlicher als Geschichten die unbändige Kraft jenes Jahrhunderts aussprechen. Als sie in nur mäßiger Entfernung voneinander vollendet dastanden, mußten sie von gewaltiger Wirkung sein. Sie überragten ganz Rom, schon in Meilenweite sichtbar, wie heute die Kuppel des St. Peter. Diese Turmkolosse geben jedoch das entschiedenste Zeugnis vom römischen Wesen, welches im Mittelalter blieb, wie es im Altertum gewesen war. Kein Formensinn, kein Gefühl für Belebung der Massen wie bei den Toskanern zeigt sich hier; nur finstere und majestätische Kraft. Die Römer nahmen ihre Vorbilder aus den Ruinen der Vorfahren; sie wollten Kolosse schaffen, die mit jenen wetteiferten, und beide Türme erhoben sich mit steilen und nackten Wänden als kyklopische Werke des Mittelalters über Rom.

Die Reihe der genannten Adelsburgen enthält die Namen aller großen Geschlechter Roms jener Zeit; es fehlt darunter das jüngste des XIII. Jahrhunderts. Die Gaëtani hatten Paläste auf der Tiberinsel und im Viertel der S. Maria Maggiore, doch keine Stammburg in Rom; aber sie legten um dieselbe Zeit, als sie Herren der »Milizen« wurden, vor dem Tore Sebastian die merkwürdige Feste Capo di Bove auf der Appischen Straße an. Dies Kastell erhielt den Namen vom Grabmal der Caecilia Metella, seinem Kern und Mittelpunkt; denn das herrliche Mausoleum der Tochter des Metellus Creticus und Gemahlin des Crassus hieß schon im grauesten Mittelalter von den Stierschädeln auf seinem Gesims Capo di Bove. Wie die Grabmäler des Augustus und Hadrian und der Plautier an der lukanischen Aniobrücke mochte es schon längst in einen Baronalturm verwandelt gewesen sein. Die Verödung der Appischen Straße ließ es in Vergessenheit fallen, bis der colonnische Krieg Bonifatius VIII. veranlaßte, es seinem Neffen zu übergeben. Der Graf Petrus legte dort ein Kastell an, um von hier aus die Bewegungen der Colonna zu überwachen, mochten sie aus ihren Campagnaschlössern auf der Lateinischen oder Appischen Straße heranziehen. Die Reste dieser bald darauf durch die Savelli erweiterten Festung, welcher die Nähe der Ruinen des Circus Maxentius Stärke gab, selbst die des alten Baronalpalasts und eines dort im XIV. Jahrhundert entstandenen ummauerten Burgfleckens nebst einer Kirche gotischen Stils stehen noch heute aufrecht. Man sieht dort die Wappenschilder des Hauses Gaëtani. Das Material dieser Bauwerke ist der Tuff von Albano. Seine schwarze Farbe und die kleinliche Architektur stehen in grellem Gegensatz zur Majestät des antiken Grabmals aus gelben Travertinquadern, über dessen Gesims jene Tuffsteine aufgemauert sind, um das Mausoleum in einen Turm mit Zinnen zu verwandeln. Das Innere des Grabmals war übrigens nicht beschädigt worden; denn der Sarkophag der Caecilia Metella blieb darin unversehrt, während hundert Belagerungsstürme über ihm fortrasten, und es war erst Paul III., der diese Urne von dort in den Palast Farnese bringen ließ, wo sie noch steht.

Welche Verheerungen sonst die Erbauer jener gaëtanischen Burg am Circus des Maxentius wie an den Monumenten der Via Appia anrichteten, um sich des Materials zu bedienen, mag man sich leicht vorstellen. Die alte, schon seit Jahrhunderten geplünderte Gräberstraße wird damals eine der ärgsten Verwüstungen erlitten haben. In antiken Gräbern auf der Campagna wohnten Hirten und Kolonen, und auf dem ganzen Ager Romanus, dem Weichbilde der Stadt, erhoben sich zahllose Türme, teils aus alten Grabmonumenten, Tempeln und Resten von Villen, teils neu und zum Schutze der sparsamen Landwirtschaft aufgebaut. Noch heute gibt es im Bezirk von Rom viele Tenuten oder Güter, welche von mittelalterlichen Türmen ihre Namen tragen.

Bedroht von nahen Burgen des Adels stand auf dem Kapitol das Senatshaus, der Sitz der Republik. Die Senatoren wohnten hier, obwohl in der Mitte des XIII. Jahrhunderts der Klosterpalast der Vier Gekrönten bisweilen als ihr Aufenthalt bemerkt wird. Aber wenn in diesem Karl von Anjou und der Infant von Kastilien ihre Residenz nahmen, so wohnten doch ihre Prosenatoren auf dem Kapitol, und dasselbe gilt von den andern nichtfürstlichen Senatoren. Die Tatsache, daß feierliche Staatsakte zur Zeit des Anjou im Kloster Aracoeli vollzogen wurden, zeigt, daß das damalige Senatshaus nicht Raum genug darbot, während jenes feste Kloster von großem Umfange war und auch dem städtischen Richterkollegium zur Versammlung diente. Es war das Palatium Octaviani der Legende, seit 1250 zugleich Sitz des Franziskanergenerals, und noch heute ist dies Gebäude über den steilen Tuffwänden des Kapitols eins der mächtigsten Monumente des römischen Mittelalters.

Die erste Gestalt des Senatspalasts im XII. und XIII. Jahrhundert ist für uns nur undeutlich erkennbar. Auf dem Stadtplan aus der Zeit Innocenz' III. erscheint er als ein Viereck mit Zinnen und einem Flankenturm; die Front zeigt nur zwei Bogenfenster und eine Eingangstür ohne Treppe; doch diese Zeichnung ist sehr roh und auch ungenau. Um 1299, wohl aus Rücksicht auf das Jubiläum, ist der Palast neu ausgebaut worden, als Pietro di Stefano und Andrea de' Normanni Senatoren waren. Diese Herren erbauten dort einen auf Säulen ruhenden offenen Saal, welcher für die Sitzungen des Gerichtstribunals bestimmt war; man gab ihm den von Langobardenzeiten her gebräuchlichen Namen Lovium, womit ein Porticus (Laube) bezeichnet wurde. Die Inschrift jener Senatoren ist in Abschriften erhalten. Mit diesem Saalbau, welcher dem ganzen Palast ein neues Aussehen gab, waren noch andere Bauten verbunden. Eine Inschrift des Jahres 1300 spricht von einem Opus marmoreum, welches die Senatoren Riccardo Annibaldi und Gentile Orsini hinzugefügt hatten. Ohne Zweifel wurde eine Freitreppe angelegt, die in den Palast führte. Diese Treppe ist abgebildet in der Goldbulle Ludwigs des Bayern vom Jahre 1328, wo der Senatorenpalast – und dies ist bezeichnend für seine Bedeutung und die Ideen der Zeit – die Mitte des Stadtpanoramas einnimmt, als ein Gebäude mit zwei Flankentürmen und zwei Stockwerken, nicht mehr kreneliert, sondern bedacht. Das untere Stockwerk hat nur zwei Bogenfenster, das obere deren vier, so dicht aneinander gestellt, daß sie eher das Aussehen eines in der Front fortlaufenden Porticus haben. Seit 1299 und 1300 konnte der Senatspalast als ein Neubau betrachtet werden, und als palatium novum findet er sich auch in einem Senatsakt des Jahres 1303 bezeichnet. Dieser Umbau aber hat sicherlich zu einer barbarischen Plünderung der Ruinen des Kapitols Veranlassung gegeben.

Die Römer wetteiferten offenbar mit den Republiken Umbriens und Toskanas, wo Perugia und Siena, Florenz und Orvieto sowohl Dome als großartige Gemeindepaläste errichteten. Der Bau der berühmtesten Stadthäuser in Italien fiel in das Ende des XIII. und den Anfang des XIV. Jahrhunderts; so wurde der Palazzo Vecchio in Florenz im Jahre 1298 erbaut, und in das Ende des XIII. Jahrhunderts gehört auch der Bau der Dome von Orvieto, Florenz, Bologna und Perugia. Die noch dauernden Stadtpaläste Italiens, in deren Architektur die romanische Gotik zu ihrer schönsten Erscheinung kam, gehören unter die prächtigsten Denkmäler des Mittelalters und sprechen für die Macht und den Wohlstand der freien Städte. Rom konnte ihnen nicht gleichkommen. Selbst manche Adelsburgen der Stadt waren großartiger als das Gemeindehaus mit seinen seltsamen Trophäen von Ketten, Torflügeln und Glocken kleiner eroberter Orte oder mit dem Rest des Mailänder Fahnenwagens. Der römische Senatspalast war ein wunderlicher Bau, halb antik und halb barbarisch, und sein stolzester Schmuck dieser, daß er auf Monumenten der alten Römer stand, umgeben von den Ruinen der Herrlichkeit des einst weltbeherrschenden Kapitols. Als Sinnbild der römischen Republik galt damals der Löwe; man hielt ihn lebend in einem Käfig am Kapitol. Über einer Türe des Palasts war ein Löwe abgebildet, welcher auf sein Junges mit Milde herabsah. Jeder Senator wurde bei seinem Antritt an dies Bild geführt, um die Distichen zu beherzigen, welche dort aufgeschrieben standen und zur Großmut mahnten.

Höchst bedeutend für die topographische Anschauung Roms im XIII. Jahrhundert ist endlich die Tatsache, daß dieser Epoche der erste uns erhaltene Stadtplan angehört: eine rohe Zeichnung, aber kostbar genug, weil sie die Stadt Innocenz' III. wiederzugeben versucht. Die Hauptcharaktere Roms, sowohl die antiken als die christlichen, sind darin abgebildet, und der Darstellung wie der Namensbezeichnung jener liegen offenbar die Mirabilien zugrunde. In einer Randnote des Plans steht folgende Klage geschrieben: »Rom hat seine Asche unter dem Herzog Brennus gesehen und seinen Brand unter Alarich und dem jüngeren Sohne des Königs Galaon von Britannien beklagt. Es bejammerte die tägliche Zerstörung seiner Ruinen. Wie ein erschöpfter Greis kann es kaum am fremden Stabe sich aufrecht halten. Sein Alter ist durch nichts ehrwürdig als durch die Schutthaufen antiker Steine und die trümmervollen Spuren der Vergangenheit. Der heilige Benedikt, Bischof von Canusia, sagte, als Rom von Totila zerstört wurde: Rom wird nicht von den Völkern vertilgt werden, sondern durch Wetter, Blitze, Orkane und Erdbeben erschüttert in sich selbst vermodern.«


 << zurück weiter >>