Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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Sechstes Kapitel

1. Kampf der lombardischen Städte mit Friedrich. Paschalis III. in Rom. Calixt III. Tusculum ergibt sich der Kirche. Die Römer lassen Alexander III. nicht in die Stadt. Sieg der Lombarden bei Legnano. Unterhandlungen Friedrichs mit dem Papst. Kongreß und Friede zu Venedig. Alexander III. schließt Frieden mit Rom. Sein triumphierender Einzug in den Lateran.

Wenn der unerschütterte Mut Bewunderung erregt, mit welchem Friedrich I. gleich nach dem Unglück vor Rom den Kampf gegen die Städte fortsetzte, so ist doch seine Verblendung beklagenswert. Bald sollte dieser Held schmerzlich wünschen, daß er wie Alexander der Große niemals Italien hätte sehen, sondern eh' um das ferne Asien hätte kämpfen mögen. Schon im Frühjahr 1168 mußte er die Lombardei als Flüchtling verlassen. Während er die Kraft des Reichs im Kampf mit dem stärkeren Geist der Zeit erschöpfte, schloß der Papst mit diesem seinen Bund. Ein seltsames Zusammentreffen der Verhältnisse stellte die Freiheit der Republiken in den Schutz der Kirche, die Freiheit dieser in den Schutz jener. Es wäre für die Kirche ein hoher Ruhm, wenn die Beförderung der bürgerlichen Freiheit ihre freiwillige Tat gewesen wäre. Aber die Päpste bekämpften diese in Rom, wo sie Schutz gegen das Papsttum am Kaiser suchte, und sie begünstigten sie zugleich in der Lombardei, wo sie gegen den Kaiser am Papst einen Halt fand. Immer aber war es der Sieg der Demokratie, welcher das Papsttum aus dem Schisma und der kaiserlichen Diktatur rettete.

Der Kampf des lombardischen Bundes gegen Friedrich hat Italien mit einem reinen Glanz wie vom edlen hellenischen Geist für Jahrhunderte geschmückt. Nach so finstern Zeiten ist das machtvolle Erblühen der bürgerlichen Freiheit das schönste Phänomen des Mittelalters. Nur die Stadt Rom blieb verdammt, den Stein des Sisyphus zu wälzen und qualvoll gegen ein Fatum zu streiten, welches mächtiger war als sie. Dem heroischen Kampfe der Lombarden gegenüber ist es peinlich, die Römer fortdauernd mit ihren kleinen Nachbarstädten im Kriege zu sehen, an denen sie den unverschmerzten Schimpf ihrer Niederlage rächen wollten. Sie zerstörten Albano im April 1168, wobei ihnen Christian von Mainz und der kaiserliche Präfekt behilflich waren. Denn beide Männer führten noch trotz jener August-Katastrophe die deutsche Partei in Rom, und dorthin war der Gegenpapst aus Viterbo zurückgekehrt. Paschalis III. konnte eine Zeitlang im Vatikan wohnen, wo die Senatoren ihn aufgenommen hatten, um die Freilassung der Geiseln zu erlangen, aber sie verboten ihm die Stadt. Er mußte in den Trasteveriner Türmen des Stefan Tebaldi Schutz suchen, voll Furcht vor dem Wechsel des Senats, dessen Neuwahl am 1. November 1168 stattfinden sollte. Indes schon am 20. September starb er im Vatikan, und der Abt Johann von Strumi nahm jetzt als Calixt III. seine Stelle ein.

Die Römer spotteten beider Päpste; obwohl sie Alexander III. gern im Exile sahen, duldeten sie doch seinen Kardinalvikar in der Stadt. Hier mühte sich dieser, sie zu gewinnen, und Konrad von Wittelsbach bedrohte zugleich als Alexanders General von Benevent her Latium. Sein Ziel sollte Tusculum sein; die Römer bebten vor Wut, nannte man diesen Namen, und gleich Albano wollten sie das Kastell zerstören. Konrad, durch die Grafen von Ceccano zurückgetrieben, konnte dasselbe nicht erreichen; da vertauschte Raino, der letzte Herr von Tusculum, den bedrängten Ort dem Präfekten Johann, ohne die Rechte des Papsts zu achten. Johann nahm Besitz von ihm, aber die Römer erstürmten das Kastell. Der Präfekt entwich, Raino kam wieder, wurde jedoch von den Bürgern Tusculums nicht mehr aufgenommen; sie ergaben sich vielmehr dem Papst, von welchem sie Schutz hofften, und auch Raino trat alle seine Rechte der Kirche ab. So kam am 8. August 1170 das berühmte Tusculum in päpstlichen Besitz.

Alexander III., damals zu Veroli residierend, befand sich wegen des Erzbischofs Thomas von Canterbury im heftigen Streit mit dem Könige Englands, welcher fruchtlos die römischen Großen mit Geld bestach, daß sie den Papst zu seinen Gunsten stimmten, und nicht minder vergebens ihm selbst seine Schätze und seine Hilfe zur Unterwerfung Roms bot. Alexander empfing Boten des Kaisers, der den Frieden wünschte, und der lombardischen Städte, die er berufen hatte. Auch griechische Gesandte kamen mit erneuerten Anträgen; Manuel Komnenos ließ sich so weit herab, dem größten Vasallen des Papsts, Oddo Frangipane, seine eigene Nichte zu vermählen. Dies Hochzeitsfest wurde in Veroli vollzogen, doch Alexander III. ging auf die Vorschläge der Griechen nicht ein. Auch seine Unterhandlungen mit Friedrich zerschlugen sich; aber in Rom hoffte er jetzt, Aufnahme zu finden. Er zog am 17. Oktober 1170 mit Kriegsvolk in Tusculum ein. Auf dieser Felsenburg mußte der große Papst mehr als zwei Jahre lang im Angesichte Roms leben, denn die Römer ließen ihn nicht in die Stadt. Dort meldete man ihm die Ermordung des Thomas Becket in Canterbury, und dies frevelvolle Ereignis sollte alsbald der mächtigste Hebel für seine Papstgewalt werden; aber während Alexander, der in Tusculum die Boten des englischen Klerus und des Königs Heinrich empfing, mit den wichtigsten Fragen der Kirche beschäftigt war, bildete seine eigene Lage in dem lateinischen Kastell dazu den grellsten Widerspruch. Christian von Mainz bedrängte ihn, und nur mit vielem Gelde erkauften die Tusculanen seinen Abzug; ihn bedrängten die Römer, erbittert, daß er Tusculum schützte. Sie boten ihm endlich voll Arglist einen Vergleich: in die Zerstörung wenigstens eines Teils der Mauern jenes Orts solle er willigen, dann wollten sie ihn in Rom wieder aufnehmen. Achthundert römische Bürger beschworen den Vertrag; aber wider dessen Wortlaut zerstörte das römische Volk sämtliche Befestigungen der verhaßten Stadt. Der betrogene Papst wollte nicht nach Rom zurückkehren; er blieb in dem offenen Tusculum und ging dann am Anfange des Jahres 1173 hoffnungslos sein Exil in Segni fortzusetzen.

So verflossen noch einige Jahre, dann änderte ein großer Sieg der Lombarden alle Verhältnisse. Im September 1174 war Friedrich zum Entscheidungskampfe mit den Städten zurückgekehrt: die heroische Verteidigung Anconas und des neuen Alexandria begeisterte den Mut der kühnen Bürger, bis endlich eine unsterbliche Schlacht ihnen die Freiheit sicherte. Der Tag bei Legnano, wo am 29. Mai 1176 die verbündeten Bürgermilizen den gewaltigen Kaiser aufs Haupt schlugen, war das Marathon der lombardischen Republiken; die jugendlichen Städte feierten einen der reinsten Triumphe der Geschichte: sie befreiten sich und das Vaterland. Die Folge dieses Sieges war freilich erst die geheime Übereinkunft des Kaisers mit dem Papst, welchem er Friedensgesandte nach Anagni schickte, hoffend, ihn vom Vorteil der Städte zu trennen. Um dies zu erreichen, verzichtete er auf die wesentlichen Kaiserrechte, deren Abtretung er einst Hadrian IV. verweigert hatte. So geschah es, daß die imperatorische Gewalt in Rom, die schon seit Lothar verfallen war, gerade durch jenen großen Kaiser aufgegeben wurde, der sich vermaß, die Grenzen des alten Römerreichs herzustellen. Alexander eilte, aus dem Siege der Lombarden alle Vorteile für die Kirche zu ziehen, und die Städte argwöhnten Verrat. Er beschwichtigte sie, nachdem er auf sizilischen Schiffen von Siponto nach Venedig gegangen war, auf einem Tag zu Ferrara, wo er ihnen das feierliche Versprechen gab, den Definitivfrieden nicht ohne sie abzuschließen. Die lombardischen Konsuln konnten ihm erklären, daß er mit Worten oder Bullen, sie mit Taten gegen den großen Feind gefochten hätten; aber doch mußten sie sich für jetzt begnügen, einen halben Preis ihrer heldenmütigen Anstrengungen davonzutragen.

Auf dem ersten, merkwürdigsten aller Kongresse, wo noch nicht Diplomaten an grünen Tischen die Schicksale der Völker entschieden, sondern zum erstenmal Abgesandte freier Städte selbständig neben Kaiser und Papst auftraten, auf dem berühmten Kongreß in Venedig wurde am 1. August 1177 der Friede zwischen Alexander III., Friedrich I., den Städten, dem griechischen Kaiser und Wilhelm von Sizilien abgeschlossen. Calixt III. ward entsetzt, Alexander III. anerkannt, der Besitz des Kirchenstaats ihm zugesichert. Indem der Kaiser auf die Präfektur verzichtete, bekannte er, daß der Papst fortan der unabhängige Herr Roms und des Patrimonium sei. Dieses selbst, der damalige Kirchenstaat, reichend von Aquapendente bis Ceprano, wurde ihm zurückgegeben; aber Spoleto, die Mark Ancona und die Romagna anerkannte der Papst seinerseits als unbezweifelbar dem Reiche gehöriges Land. Den lombardischen Bundesstädten wurde ein Waffenstillstand auf sechs Jahre bewilligt, welcher ihrer staatsrechtlichen Anerkennung voraufging.

Der Friede zu Venedig machte eine große Epoche in der Geschichte Italiens, wo nun das Bürgertum in herrliche Blüte kam; er entschied zunächst auch das Schicksal Roms. Aber das Verhältnis zu Kaiser und Papst stellte gerade diese Stadt auf einen ungünstigeren Boden, als es der lombardische war. Friedrich gab die von ihm anerkannte Republik ohne Rücksicht preis, und sein General Christian von Mainz lieh jetzt sogar der Kirche seine Waffen, ihr vertragsgemäß die Stadt und das Patrimonium zu unterwerfen. In einer Zeit, wo ganz Italien dem Frieden zujauchzte, verloren die Römer, sich selbst überlassen, den Mut, mit dem Papst weiterzukämpfen, welchen der Kaiser als den Gebieter Roms anerkannt hatte. Alexander war um die Mitte des Dezember nach Anagni zurückgekehrt; er wußte, daß sein Exil enden werde. Sieben edle Römer brachten ihm Briefe des Klerus, Senats und Volks, ihn zur Rückkehr einzuladen. Mißtrauisch und der erfahrenen Unbilden eingedenk, zögerte er; er schickte Kardinäle und Mittelsmänner nach der Stadt, mit dem Volke abzuschließen. Nach langer Unterhandlung einigte man sich dahin: die jährlich am 1. September zu wählenden Senatoren schwören dem Papst den Eid der Treue; der Dom St. Peters und alle Einkünfte der Kirche werden ihm zurückgestellt; allen nach Rom Reisenden wird Sicherheit gegeben. Römische Boten warfen sich hierauf in Anagni dem Papst zu Füßen und beschworen den Vertrag.

Nach einem langen Exil von zehn Jahren, welche er wandernd in Kampanien hingebracht hatte, ging Alexander III. endlich über Tusculum nach Rom, von deutschem Kriegsvolk unter dem Erzbischof Christian geleitet. Er zog hier ein am 12. März 1178, dem Fest des St. Gregor, im höchsten Pomp von Prozessionen eingeholt, vom Senat und den Magistraten, von der Ritterschaft und Miliz mit Posaunenklang, vom ganzen Volk mit Ölzweigen und Lobliedern begrüßt. Sein weißer Zelter konnte nur langsam die Menge durchschreiten, welche sich herzudrängte, dem Stellvertreter Christi die Füße zu küssen; und erst am Abend gelangte er ans Lateranische Tor. Dann zog er unter dem Jubelruf des Volks in den uralten Sitz der Päpste ein, wo er den Römern die Benediktion gab. Die Osterfeier beschloß hierauf eins der prachtvollsten Triumphfeste, die je ein Papst erlebt hat.

Nirgend in der Welt sind Schauspiele sichtbar gewesen gleich diesen, von so tragischem Bezuge auf die Menschennatur, ihre bedürfnisvolle Ohnmacht, ihren Unbestand und ihre Dauer. Die Flucht der Päpste unter dem Waffenlärm wilder Faktionen wechselte mit ihrem Empfange unter Jubelchören; und die stete Wiederkehr dieser päpstlichen Auszüge und Einzüge gibt der Geschichte der Stadt das ernste Wesen, wie es ein großes Epos hat, und welches wäre größer als sie? Rom schien sich immer wieder in Jerusalem zu verwandeln und der Papst dort einzuziehen wie der Heiland, dessen Vikar er sich nannte, aber das Gemisch von geistlicher Demut und weltlicher Hoffart konnte nicht die Vorstellung entfernen, daß der Stellvertreter Christi die heidnischen Triumphzüge der alten Imperatoren erneuere. Trajan oder Severus würden am 12. März 1178 die veränderte Gestalt des römischen Senats und Volks angestaunt haben, welches einen Triumphator auf einem weißen Maultier umjauchzte, der nur ein in lange weibische Gewänder von Seide gehüllter Priester ohne Schwert war. Und doch war dieser Priester wie ein Feldherr aus langen Kriegen heimgekehrt; vor seinen Knien hatten die Mächtigsten der Welt demütiger gelegen, als je Fürsten vor den alten Imperatoren sich erniedrigten. Ein fernwohnender König hatte sich auf seinen Befehl am Grabe eines ermordeten Bischofs von Mönchen mit Geißelhieben züchtigen lassen; und selbst der römische Kaiser, ein cäsargleicher Held, hatte, zur Erde sich niederwerfend, die Füße Alexanders geküßt und bekannt, daß er von einem Priester überwunden worden sei.


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