Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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2. Pelagius und Johann III. bauen die Kirche der Apostel in der Region Via Lata. Verfall der Stadt Rom. Zwei Inschriften als Denkmäler des Narses.

Trotz dieses allgemeinen Elends begann Pelagius den Bau der schönen Kirche der Apostel Philippus und Jacobus, währenddessen er selbst am 3. März 560 starb. Erst sein Nachfolger, der Römer Johannes III. Catelinus, vollendete diese Basilika. Sie ist dieselbe, welche nach den zwölf Aposteln benannt wird, oder vielmehr ihre Stelle nimmt der Neubau Clemens' XI. vom Jahr 1702 ein; denn von der ursprünglichen Kirche ist nichts mehr übrig als sechs antike Säulen. Sie war von bedeutender Größe und mit Gemälden in Mosaik wie in Farben geschmückt. Weil sie in der Via Lata unterhalb der Thermen Constantins erbaut war, entstand die Meinung, dieser Kaiser habe sie ursprünglich gegründet, und sie sei dann erst von Pelagius erneuert worden. Es ist sehr wahrscheinlich, daß zu ihrem Bau sowohl Raum als Materialien von jenen Thermen verwendet wurden; denn diese mußten damals im Verfalle sein, und Narses wird sich um so weniger gescheut haben, dies zu bewilligen, als die Bäder überhaupt nach der Zerstörung der Wasserleitungen nicht mehr gebraucht wurden. Eine Basilika konnte in jener Zeit nicht errichtet werden, ohne daß man für sie antike Gebäude benutzte, und nur so wird jener Bau bei der damaligen Erschöpfung Roms begreiflich. Es ist jedoch eine Fabel späterer Zeit, daß Narses für diese Kirche Säulen vom Forum des Trajan hergegeben und die Trajanssäule selbst mit ihrem Gebiet der neuen Basilika zu ewigem Recht verliehen habe. Die unmittelbare Nähe jenes Forum gab zu dieser Sage Veranlassung; doch war eine derartige Schenkung von ausgezeichneten Altertümern an Kirchen damals nicht in Gebrauch. Beide große Kaisersäulen wurden freilich im Lauf der Zeit, wie manche andere Monumente, Eigentum städtischer Kirchen. Im Jahre 955 bestätigte Agapitus II. die Säule Marc Aurels dem Kloster S. Silvestro in Capite, und die Säule Trajans gehörte nachweislich vor 1162 der Kirche St. Nicolai ad Columnam Traianam, welche neben ihr gebaut worden war, als das herrliche Forum ringsum schon in Ruinen lag. Diese Kapelle war aber eine der acht Kirchen, die der von Pelagius errichteten Basilika zugehörten.

Die Kirche der Apostel muß als ein unter des Narses Auspizien erbautes Denkmal der Befreiung Italiens von den Goten und ihrer arianischen Ketzerei betrachtet werden. Johann III. erhob sie vielleicht zu einem Kardinalstitel, und ihm schreibt man auch die Feststellung ihres Gebiets in einer Bulle zu, welche Honorius II. im Jahre 1127 bestätigte. Doch dieses Dokument trägt alle Spuren des XII. oder XIII. Jahrhunderts.

Der Eifer des Kirchenbaues war bald die einzige öffentliche Tätigkeit in Rom, und ihr verdankte auch ein Teil der armen Römer Arbeit und Lohn. Die Wohnungen der Menschen und die Anstalten des bürgerlichen Lebens verfielen, aber die goldgeschmückten Häuser der Heiligen vermehrten sich. Sie selbst entstanden freilich nur aus der Plünderung der antiken Pracht, und auch jeder bürgerliche Häuserbau, jede notwendige Wiederherstellung öffentlicher und privater Gebäude konnte nur geschehen, indem die verlassenen Monumente dazu benutzt wurden.

Das alte Rom ging mit immer größerer Schnelligkeit in Trümmer. Noch zum letzten Male hatten die Goten den Staat und die Stadt der Römer aufrechterhalten; als ihre Herrschaft untergegangen war, fielen auch diese mit ihnen selbst. Die Reste des antiken Bewußtseins und der alten Ehrfurcht vor den Monumenten der großen Väter schwanden in dem Volk dahin, in welchem die erlauchten Namen der Patrizier fast erloschen waren. Konstantinopel empfand keine Pietät für Rom, dessen Bischof die Eifersucht der orientalischen Kirche erregte. Vergebens suchen wir nach Zeugnissen für die Ausführung dessen, was Justinian der unglücklichen Stadt in der Pragmatischen Sanktion verheißen hatte. Ihre Wiederherstellung zu erleichtern, hatte er selbst jeder Privatperson ausdrücklich Erlaubnis erteilt, aus eigenen Mitteln Ruinen zu restaurieren. Aber wer fand sich, Tempel, Thermen oder Theater zu erhalten? Und wo waren die Behörden, welche wie zur Zeit Majorians oder Theoderichs darüber wachten, daß nicht der Privatgebrauch die Werke der Alten als Fundgrube von Material mißhandelte? Die Geschichte der Stadt ist gleich nach der Beendigung des Gotenkrieges und während der Statthalterschaft des Narses in ein tiefes Dunkel gehüllt. Es findet sich kein einziges Gebäude genannt, welches diesem die Herstellung verdankte. Nur zwei Inschriften blieben die alleinigen Denkmäler der sogenannten Befreiung Roms durch ihn. Sie befanden sich auf der Salarischen Anio-Brücke, welche Totila abgeworfen und Narses im Jahre 565 wiederhergestellt hatte. Ihre pomphafte Prahlerei bei der Geringfügigkeit des Werks, einer kleinen Brücke über einen kleinen Fluß, ist für die Epoche bezeichnend.

»Unter der Regierung Unseres Herrn, des allerfrömmsten und immer triumphierenden Justinianus, Vaters des Vaterlandes und Augustus, in seinem 39. Jahre, hat Narses, der ruhmvolle Mann, Expraepositus des heiligen Palasts, Exkonsul und Patricius, nach dem Sieg über die Goten, nachdem er ihre Könige mit bewundernswürdiger Schnelligkeit im offenen Kampf überwunden und niedergestreckt und die Freiheit der Stadt und des ganzen Italien wiederhergestellt hatte, die Brücke der Salarischen Straße, welche von dem schändlichen Tyrannen Totila bis aufs Wasser zerstört worden war, unter Reinigung des Flußbettes in besseren Stand gesetzt und erneuert.«

Lobpreisende Distichen, zu denen irgendein Poet des damaligen Rom noch Begeisterung fand, riefen auf derselben Brücke dem Wanderer zu.

Seht, wie trefflich der Pfad der umwölbenden Brücke sich richtet
    Und zusammen der Weg, welcher gebrochen, sich fügt.
Jetzt nun treten daher auf reißender Welle des Stroms wir,
    Schauen mit Lust, wie er braust murrend der murmelnde Schwall.
Geht, o Quiriten, bequem lustwandelnd den Freuden entgegen,
    Und es ertöne zumal: Narses! im singenden Chor.
Der es vermocht', halsstarrigen Goten den Trotz zu bejochen,
    Lehrte die Woge zugleich tragen ein steinernes Joch.

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