Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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4. Wahlkampf. Das Geschlecht der Frangipani. Honorius II. wird Papst. Tod Heinrichs V. Der Papst anerkennt Lothar als deutschen König. Die Hohenstaufen erheben die Waffen. Roger von Sizilien bemächtigt sich Apuliens. Er zwingt Honorius, ihn zu belohnen. Tod Honorius' II.

Die neue Wahl drohte Rom augenblicklich zu spalten; denn jetzt suchten die Frangipani einen dem Kaiser befreundeten Kardinal zum Papst aufzustellen, was nach dem Wormser Konkordat möglich, ja natürlich war. Es bezeichnet das Wesen in Rom, daß weder die früheren Gewalttaten dieser trotzigen Kapitäne, noch die durch Calixt erlittene Züchtigung ihren Einfluß irgend vermindert hatten. Die Päpste, welche nicht die Macht besaßen, solche Magnaten zu exilieren, führten ab und zu mit ihnen Krieg, zerstörten ihre Türme und schlossen dann wieder mit ihnen Frieden und Vertrag. Der Haß eines Papsts gegen Feinde, die ihn mißhandelt hatten, konnte sich in dem päpstlichen Wahlreich nicht auf die Nachfolger vererben. Der schnelle Wechsel der Päpste, von denen jeder eine eigene Politik befolgte und jeder den Geschlechteradel der Stadt sich gewinnen mußte, erklären diesen Zustand zur Genüge.

Die mächtige Familie der Frangipani begegnete uns in ihrem Ahnherrn Leo urkundlich zuerst im Jahr 1014. Ihr wunderlicher Name »Brotbrecher« wurde durch die Sage erklärt, daß in uralten Zeiten einer ihrer Vorfahren während großer Hungersnot Brot an die Armen verteilt hatte, und das Wappen des Geschlechts zeigt zwei gegeneinander springende Löwen im roten Feld, die ein Brot in den Krallen halten. Leos Sohn Cencius war zur Zeit Gregors VII. ein einflußreicher Konsul, und dessen Sohn Johann vermählte sich mit Donna Bona, der Schwester des Stefan Normannus. Johann war der Vater jenes Cencius, welcher den Papst Gelasius überfiel, und auch dessen Brüder, Leo und Robert, sind von uns bemerkt worden. Auch sahen wir bereits, daß ihre Türme und Paläste am Titus-Bogen, am Palatin und Colosseum lagen.

Frangipani und Pierleoni waren also die Geschlechter, welche einander den Patriziat bestritten und als kaiserliche und päpstliche Parteiführer das Kardinalkollegium beherrschten. Man war übereingekommen, drei Tage nach Calixts Tode zur Wahl zu schreiten, ohne vorher Kandidaten aufzustellen. Die Frangipani hatten jedoch Lambert von Ostia bezeichnet, während das Volk den Kardinal Saxo von Anagni zum Papst wünschte; und diese beiden waren die Männer des Wormser Konkordats. Mit List erreichte es Leo Frangipane, daß sich alle Kardinäle zur Wahl einfanden. Hier indes proklamierte eine Stimme Teobaldo Boccadipecora als Papst Cölestin, und die Neutralen fielen ihm zu. Aber Robert Frangipane rief wütend den Namen Lamberts aus; seine Partei erhob ihn sofort und setzte ihn im Lateran ein. Vergebens widerstrebten die andern: Teobaldo entkleidete sich aus Furcht oder Edelmut des Purpurs, und Lambert wurde anerkannt. Das Bewußtsein seiner nicht kanonischen Erhebung bewog ihn zwar, die Zeichen des Pontifikats abzulegen, aber nur um sich einstimmig bestätigen zu lassen, denn die feindlichen Kardinäle gaben klugerweise nach. Man sieht: die Dekrete Nikolaus' II. und seiner Nachfolger hatten die Papstwahl dem Einflusse des Stadtadels nicht entzogen; die römischen Könige gaben ihr altes Recht auf, aber die römischen Konsuln fuhren fort, Päpste mit List oder Gewalt zu erheben.

Lambert, ein Kardinal aus der Zeit des Paschalis, der Begleiter des Gelasius im Exil, der geschickteste Minister Calixts II., hatte den Wormser Frieden abgeschlossen, und dies große Verdienst gab ihm Ansprüche, Papst zu sein. Er wurde am 21. Dezember 1124 als Honorius II. geweiht. Nur seine niedere Abkunft aus einem kleinen Ort Fagnano bei Imola war ein Flecken in den Augen derer, die an Calixt die fürstliche Abstammung gerühmt hatten. Ich weiß nicht, so sagte der Abt von Monte Cassino den Boten des neuen Papsts, wessen Sohn S. Heiligkeit ist, nur dies ist mir bekannt, daß er von Kopf bis zu Füßen voll Literatur steckt.

Der kluge Honorius wußte sich jedoch bald Ansehen zu verschaffen. Seinen fünfjährigen Pontifikat störte in Rom kein Aufstand, weil ihm das enge Bündnis mit den Frangipani Sicherheit gab. Auch der kinderlose Tod Heinrichs V. stärkte das Papsttum, denn als das kraftvolle Geschlecht der Salier erloschen war, wurde nicht einer von dessen hohenstaufischen Erben, sondern der Sachse Lothar unter römischem Einfluß zum Könige gewählt und am 13. September gekrönt. Zwar erhoben die Söhne von Heinrichs Schwester Agnes, Konrad und Friedrich, die Waffen, aber sie setzten ihre Ansprüche nicht durch. Honorius selbst eilte, Lothar II. als römischen König anzuerkennen, und so völlig hatten sich die Meinungen mit der Zeit verwandelt, daß sich der Papst, dessen eigene Wahl früher der Genehmigung der Krone unterlag, nun das Recht nehmen durfte, den römischen oder deutschen König zu bestätigen. Man wird überhaupt bemerken, wie durch Gregor VII. der Begriff des Papsttums als des höchsten moralischen Forums auch für die politische Welt zur Geltung gekommen war.

Honorius II. bannte die Hohenstaufen, in denen er auch die Erben des Investiturstreits ahnte; er wiederholte die Exkommunikation im Jahre 1128, denn damals war Konrad als Kronprätendent in Mailand erschienen. Viele lombardische Städte anerkannten ihn, und am 29. Juni wurde er vom Erzbischof Anselm zu Monza sogar gekrönt. Doch sein Königtum hatte nicht Bestand; es verwirrte nur augenblicklich die Verhältnisse Norditaliens. Die Römer, um deren Gunst er warb, verwarfen ihn, sie luden vielmehr mit Honorius Lothar zur Kaiserkrönung ein.

Wichtiger wurden Ereignisse in Süditalien, wo große Veränderungen vor sich gingen. Im Juli 1127 starb zu Salerno, vom ganzen Volk beklagt, Wilhelm, Rogers Sohn, Herzog von Apulien, kinderlos wie Heinrich V. Sein Verwandter Graf Roger von Sizilien konnte sich als den natürlichen Erben seiner Länder betrachten, und in der Tat behauptete er, von Wilhelm als solcher anerkannt worden zu sein. Der junge kühne Fürst, schon als Kind seit 1101 Nachfolger seines Vaters Roger I., ergriff die Gelegenheit, ganz Süditalien zu vereinigen; denn von allen ehemaligen Staaten waren dort nur selbständig geblieben Capua unter Jordan II. und Neapel, regiert vom Herzog Sergius. Als nun Roger nach Apulien eilte, sich zum Herrn Salernos und Amalfis machte und die Huldigung vieler Städte empfing, beschloß der Papst, die Gründung einer süditalischen Monarchie zu hindern. Den Ansprüchen Rogers setzte er die päpstliche Lehnshoheit entgegen, die Länder Wilhelms erklärte er für heimgefallen an den Heiligen Stuhl. Er eilte nach Benevent; der von ihm gebannte Roger, über die Weigerung erbittert, ihn als Lehnsmann der Kirche mit Apulien zu investieren, ließ das Beneventische verwüsten. Nun berief Honorius im Dezember 1127 Bischöfe und Barone zum Parlament nach Capua; er belieh mit dem dortigen Fürstentum Robert II., den Sohn des eben verstorbenen Jordan und forderte die Versammelten zum Krieg gegen den Usurpator auf.

Aber der geniale Fürst konnte des Kreuzzuges spotten, welchen Honorius gegen ihn predigte, und ruhig abwarten, bis das Heer der Barone auseinanderlief. Die Geschichte Leos IX. wiederholte sich; als Roger dem verlassenen Papst auf dem Fuße nach Benevent folgte, bot er Frieden, und der Graf zwang den heiligen Vater, hinauszukommen vor die Stadt und ihm auf der Brücke des Flusses Calore (im August 1128) die Belehnung mit Apulien und Kalabrien zu erteilen.

Die Gründung der neapolitanischen Monarchie konnte von der Kirche nicht gehindert werden; dies wichtige Ereignis veränderte die Politik Italiens und der Päpste, wie wir in der Folge sehen werden; aber Honorius erntete aus dem Frieden mit Roger augenblicklich den Vorteil, daß er die Lehnsherrlichkeit über Süditalien sich erhielt.

Dies waren die Angelegenheiten, welche ihn fortdauernd beschäftigten, so daß er in beständiger Bewegung zwischen Rom und Apulien blieb; tief verwickelt in weltliche Händel, eher ein Staatsmann als ein Priester zu nennen. Die Frangipani sicherten ihm Rom und boten ihm die Mittel dar, die Kapitäne der Campagna, namentlich die Grafen von Segni und Ceccano, in Zaum zu halten. Auch Honorius II. erfuhr nicht minder als Paschalis, welche Last der weltliche Besitz für den Papst sei; es wäre aber ein anwiderndes Gemälde, wollten wir die kleinen Kriege darstellen, welche er wiederholt gegen die Burgherren Latiums führte. Als er sich zum Sterben niederlegte, brachte man ihn nach dem verschanzten Kloster St. Gregor auf dem Clivus Scauri: in Türmen, zwischen den Schwertern der Parteimänner, starben die damaligen Päpste. Das blasse Antlitz des Verscheidenden blickte noch von einem Fenster, wohin man ihn gestellt hatte, auf das tobende Volk, das ihn schon tot glaubte; er sah noch die Parteien um die Papstkrone streiten, ehe sie seinem Haupt entsunken war, und er starb in der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1130. Wenn ein Papst gestorben war, durfte die Neuwahl nicht eher geschehen, bis er begraben war, aber die Tumulte des päpstlichen Wahlreichs ließen dies häufig nicht zu. Honorius, kaum kalt, wurde mit Hast in eine offene Grube im Kloster gesenkt, damit die dort versammelte Faktion zur Wahl schreiten konnte, dann schleppte man den Toten mit unschicklicher Eile nach St. Johann, und der tote und der neugewählte Papst zogen zu gleicher Zeit in den Lateran ein.


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