Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweites Kapitel

1. Zacharias Papst 741. Er unterhandelt mit Liutprand. Er reist zu ihm. Neue langobardische Schenkung an die Kirche. Zweite Reise des Papsts zu Liutprand. Der König stirbt. Ratchis folgt auf dem Thron von Pavia.

Nur vier Tage lang blieb der Stuhl Petri unbesetzt: denn schon am 3. Dezember 741 wurde Zacharias zum Papst ordiniert, des Polychromios Sohn, der letzte Grieche dieses Zeitalters, welcher die Tiara getragen hat. Er stammte aus Siberena, dem heutigen S. Severina in Kalabrien, aus welchem Lande schon ein Papst, Johann VII. von Rossano, hervorgegangen war. Wie es scheint, hatte dieser den jungen Zacharias nach Rom gezogen. Hier wurde derselbe Benediktiner im Lateran, und unter Gregor III. Kardinaldiaconus. Wenn man dem Exarchen, was nicht bezweifelt werden kann, seine Erhebung auf den Heiligen Stuhl anzeigte, so hielt man es doch nicht mehr für nötig, die Bestätigung abzuwarten. Das Buch der Päpste hat Zacharias mit dem schönsten Lobe geehrt, und obwohl es das Leben eines jeden Nachfolgers Petri mit einer offiziellen Anpreisung beginnt, so war doch jenes in bezug auf den Vorteil der Kirche wohlverdient. Denn dieser Papst verdankte eine zehnjährige Regierung in Frieden und Glück zum großen Teil seiner Entschlossenheit, Weisheit und Beredsamkeit. Er muß ein für jene Zeit sehr gelehrter Mann gewesen sein; von ihm rührt auch die Übersetzung der Dialoge Gregors ins Griechische her.

Liutprand hatte sich eben aufgemacht, Spoleto wieder zu unterwerfen und Rom zu züchtigen; es war demnach die dringendste Aufgabe des neuen Papsts, diese Gefahr zu entfernen. Der Tod Karl Martells und die Verwirrung des fränkischen Regiments, welches nun dessen drei uneinigen Söhnen Karlmann, Pippin und Grifo zugefallen war, benahmen Zacharias jede Aussicht auf Unterstützung von jener Seite, während zugleich an keine Hilfe von Konstantinopel her zu denken war. Deshalb beschloß er, mit Liutprand auf gütlichem Wege sich zu vertragen. Man kam zu folgendem Vergleich: der König versprach, die vier Städte herauszugeben, wofür der Papst Trasamund fallen ließ und das römische Heer mit den Langobarden zu seiner Unterwerfung vereinigte. Dies Ende nahm der Vertrag der Kirche mit Trasamund: derselbe Herzog, welchen Gregor eben erst gegen die Beschuldigung des Hochverrats so eifrig verteidigt hatte, wurde von dessen Nachfolger zum Rebellen erklärt, dem eigenen Vorteil ohne weiteres aufgeopfert, ja durch die römischen Waffen gestürzt.

Als der Herzog erkannte, daß er verloren sei, warf er sich dem Könige zu Füßen und wurde mit der Tonsur und Kutte begnadigt. Sofort fiel auch Benevent in die Gewalt Liutprands. Der Sieger kehrte nach Tuszien zurück, aber er machte keine Miene, die vier Städte auszuliefern. Zacharias verließ daher Rom im Frühjahr 742, um den König an die Erfüllung des Vertrags in Person zu mahnen. Als dieser von dem Aufbruch des Papstes hörte, ließ er ihn durch seinen Sendboten nach Narni geleiten, dann durch ein festliches Gefolge von Herzögen mit kriegerischem Pomp nach Interamnium (Terni) im Spoletischen führen, wo er selbst vor der Basilika St. Valentin ihn empfing. Die hinreißende Beredsamkeit des Papsts gewann einen schnellen Sieg über den gläubigen König; er gab Horta, Ameria, Polimartium und Bleda zurück, doch nicht dem griechischen Kaiser, ihrem rechtmäßigen Herrn, sondern dem Papst und dem heiligen Petrus: er verbriefte diese Schenkung durch eine Urkunde, welche man im St. Peter niederlegte. Dies war die dritte langobardische Schenkung an den Papst, aus Rechten der Eroberung. Zacharias wußte von dem greisen Könige noch mehr zu erlangen: das Patrimonium der Sabina, welches bereits dreißig Jahre lang im langobardischen Besitze war, das von Narni, Osimo, Ancona, Numana und Valle Magna bei Sutri, Kirchengüter, die Liutprand erobert hatte. Der König besiegelte seine Großmut durch die Bestätigung eines zwanzigjährigen Friedens mit dem Dukat Rom; er gab auf die Bitten des Papsts auch alle römischen oder griechischen Gefangenen frei. So groß war die Nachgiebigkeit des Königs und so groß das Genie der Priester Roms! Jeder Bissen, welchen Liutprand an der päpstlichen Tafel verzehrte, kostete ein Stück Land, aber der alte König erhob sich vom Mahl und sagte mit artigem Lächeln: er erinnere sich, niemals so kostbar gespeist zu haben. Am Montag reiste der Papst zurück, begleitet von Agiprand, dem Herzog von Chiusi, und von einigen Gastalden, welche ihm hierauf die vier Städte übergaben. Zacharias zog »mit der Palme des Sieges« in die Stadt ein, wo ihm das Zujauchzen des Volks sagte, daß Rom eine päpstliche Besitzung sei. Im St. Peter sprach er zu den versammelten Römern; am folgenden Tage zogen sie in Prozession vom Pantheon durch das Marsfeld in die Basilika des Apostelfürsten, Dankgebete für diese großen Erfolge darzubringen.

In demselben Jahre 742 wiederholte Zacharias seine Reise, wozu ihn dringende Umstände aufforderten. Denn Liutprand, welcher nur mit dem römischen Dukat einen Separatfrieden geschlossen hatte (und dies beweist, daß er ihn als selbständiges Gebiet betrachtete), bedrängte jetzt Ravenna, die Aemilia und Pentapolis. Der Exarch Eutychius rief die Vermittlung des Papstes an, und seine Schreiben begleiteten die Briefe des Erzbischofs Johann, Ravennas und der übrigen bedrohten Städte. Zacharias versuchte erst, Liutprand durch Gesandte und Geschenke zu gewinnen; da dies nichts fruchtete, ging er selbst. Er übergab die Regierung der Stadt dem Patricius und Dux Stephan und reiste ab. Dem ungestümen Gast, welchen der Exarch bereits mit allen Ehren eingeholt hatte, wollte der König ausweichen, aber kein irdisches Hindernis konnte einen Heiligen aufhalten, dem eine Wolke unterwegs als Sonnenschirm diente und freudige Heerscharen am Himmel voranzogen. Kühn drang er in die langobardische Hauptstadt Pavia ein, wo er am 28. Juni anlangte. Der König erlag nach langem Sträuben der Kunst des Priesters, dessen Beredsamkeit ihn mit Zauber umstrickte; er gab die gemachten Eroberungen dem griechischen Reich zurück, und selbst von Cesena und seinem Gebiet, um welches es sich handelte, behielt er nur ein Drittel als Pfand, um auch dies nach der Rückkehr der Friedensboten aus Konstantinopel der »Republik« wiederherzustellen.

Bald nachdem Zacharias von dieser erfolgreichen Fahrt heimgekehrt war, wurde er von seinem Feinde durch den Tod befreit. Der großmütige Fürst der Langobarden starb nach einer 32 Jahre langen Regierung, und mit ihm ging der Stern seines Volks für immer unter. Dieser größte der Könige desselben hatte das Langobardenreich politisch geeinigt und dem Kaiser wie dem Papst furchtbar gemacht. Die Freude in Rom steigerte wenige Monate darauf der Sturz seines Neffen und Nachfolgers Hildeprand vom Thron, welchen jetzt Ratchis, der Herzog von Friaul, einnahm. Zacharias beglückwünschte den neuen König, dessen katholische Gesinnung ihm bekannt war, und erhielt von ihm die Bestätigung eines zwanzigjährigen Friedens für ganz Italien. Sowohl zu dem Falle Hildeprands als zur Erhebung des Ratchis hatte die päpstliche Staatskunst mitgewirkt.


 << zurück weiter >>