Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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4. Familienzwist im Haus Colonna. Die Kardinäle Jakob und Peter verfeinden sich mit Bonifatius VIII. Opposition wider den Papst. Beide Kardinäle abgesetzt. Fra Jacopone von Todi. Manifest wider den Papst. Die Colonna exkommuniziert. Pandulf Savelli sucht zu vermitteln. Kreuzzug wider die Colonna. Belagerung von Palestrina. Die Colonna unterwerfen sich in Rieti. Der Papst zerstört Palestrina. Flucht und Ächtung der Colonna. Sciarra und Stefan im Exil.

Familienhader spaltete gerade das zahlreiche Haus der Colonnesen. Die Söhne des Oddo hatten durch Vertrag am 28. April 1292 die Verwaltung ihrer Familiengüter, deren Mittelpunkt Palestrina war, ihrem ältesten Bruder, dem Kardinal Jakob, übertragen. Die jüngere Linie von Genazzano, die Kinder des Senators Johann, Bruders von Jakob, unter denen sich der Kardinal Petrus und der Graf Stefan befanden, hatten Anteil an jenen Besitzungen. Jakobs Brüder Oddo, Matthäus und Landulf warfen ihm vor, daß er alles den Neffen allein zuwende. In den Streit ward der Papst gezogen: er forderte Jakob wiederholt auf, den Brüdern ihr Recht zu geben, aber die beiden Kardinäle, Oheim und Neffe, weigerten sich dessen und erschienen seither nicht mehr im Lateran. Sie waren die ersten Männer in der Kurie, römische Fürsten vom ältesten Adel, stolz und hochmütig. Sie betrachteten das gebieterische Wesen des Papsts mit Widerwillen und hatten manche Gelegenheit zur Eifersucht, zumal Bonifatius entschlossen schien, den Übermut der römischen Aristokratie zu brechen. Die ghibellinische Neigung erwachte in den Colonna; sie empfingen, trotz ihrer alten Verbindung mit Karl II. von Neapel, Boten Friedrichs von Sizilien, welcher die staufische Faktion in Rom wieder aufzuwecken suchte.

Die politische Partei verstärkte die kirchliche Opposition; denn offenbar waren beide Kardinäle mit der Richtung nicht einverstanden, die das Papsttum der Kirche und den Staaten gegenüber genommen hatte und welche dasselbe früher oder später in die gefährlichsten Kämpfe mit den Monarchien stürzen mußte. Schon zur Zeit Gregors IX. war ein Kardinal Colonna der entschiedene Feind dieser Richtung gewesen. Der Tod Cölestins V. hatte außerdem nicht die Meinung erdrückt, daß Bonifatius VIII. unrechtmäßig Papst sei; die leidenschaftlichen Vertreter dieser Ansicht waren zumal die Brüder vorn Orden Cölestins, welche den Sturz ihres Idols nicht verschmerzen konnten; sie eiferten um so mehr, weil Bonifatius die Akte, die sein Vorgänger zu ihren Gunsten erlassen, aufgehoben hatte, und diesen Fraticellen oder Spiritualen erschien er als Simonist und Usurpator, als die Verkörperung der weltlichen Kirche, welche sie verdammten und durch ihre edlen Träume vom Reich des heiligen Geistes reformieren wollten.

Die Opposition sammelte sich um die Kardinäle Colonna und deren Verwandte Stefan und Sciarra. Diese hatten im besondern den Papst erbittert, denn sie hatten eine Sendung Gold und Silber, welche sein habsüchtiger Nepot Petrus zum Zweck des Ankaufs von Ländereien nach Rom schaffen ließ, überfallen und geraubt. Die Verbindung der Colonna mit Sizilien war ruchbar; das Beispiel des Abfalles des Kardinals Johann und seines Neffen Oddo, Vaters des Kardinals Jakob, zur Zeit Friedrichs II. warnte Bonifatius; er forderte die Aufnahme päpstlicher Besatzungen in Palestrina und anderen Burgen der Colonna, und diese verweigerten sie aus begreiflichen Gründen. Als nun die schismatischen Reden von der Unrechtmäßigkeit seines Papsttums lauter wurden und man Petrus Colonna als deren wesentlichen Urheber bezeichnete, lud Bonifatius diesen Kardinal am 4. Mai 1297 zur kategorischen Beantwortung der Frage vor, ob er ihn für den Papst halte oder nicht. Petrus wich dem Befehle aus und begab sich mit seinem Oheim nach Palestrina. Hierauf versammelte Bonifatius zornentbrannt am 10. Mai 1297 das Konsistorium im St. Peter; er entsetzte ohne weiteres beide Kardinäle ihrer Würde. Die Gründe dieser Sentenz waren: ihre frühere rebellische Verbindung mit Jakob von Aragon, ihre jetzige mit Friedrich; ihre Weigerung, päpstliches Volk aufzunehmen; die tyrannische Ungerechtigkeit gegen die Brüder Jakobs. Das rasche Verfahren des Papsts zeigte die Energie seines Willens, welchem Menschenfurcht unbekannt war, aber auch die unmäßige Heftigkeit seines Temperaments. Waren dies so schreckliche Verbrechen, daß sie so schwere Bestrafung verdienten? Die seit langem unerhörte Absetzung von Kardinälen konnte in den Augen vieler durch jene Gründe nicht gerechtfertigt werden; denn diese Kirchenfürsten befanden sich keineswegs in offener Empörung gegen ihr Oberhaupt.

Die Colonna nahmen den Kampf mit dem Stolze von Aristokraten auf, die sich ihrer Macht bewußt waren. An demselben 10. Mai hielten sie Familienrat in Lunghezza, einem der Abtei St. Paul gehörigen Kastell an den Ufern des Anio, wo ehemals Collatia stand. Mit ihnen waren Rechtsgelehrte, einige französische Prälaten und drei Minoritenbrüder, Fra Benedetto von Perugia, Fra Diodati von Praeneste und Fra Jacopone von Todi, eifrige Anhänger Cölestins V., mit dessen Genehmigung sie auf dem Berge oberhalb Palestrina eine Kongregation von Cölestiner-Eremiten gegründet hatten, welcher jedoch dies Privilegium von Bonifatius war entzogen worden. Fra Jacopone war ein tiefsinniger Mystiker, ein leidenschaftlicher Apostel der Nachfolge Christi, ein Dichter, welcher Talent genug besaß, beißende Satiren auf den Papst in der lingua volgare und im Latein die berühmte Osterhymne Stabat Mater zu dichten. In einem zu Lunghezza verfaßten Manifest, dessen scholastische Färbung den Stil Jacopones zu verraten scheint, erklärten beide Kardinäle, daß sie Bonifatius VIII. nicht als Papst anerkannten, weil Cölestin V. nicht habe abdanken können, dessen Entsagung überdies das Werk trügerischer Ränke gewesen sei. Sie appellierten an ein Konzil; eine solche Appellation, einst zuerst von Friedrich II. erhoben, war gefährlich genug, weil sie jetzt sogar von Kardinälen ausging. Das Manifest ließen die Colonna in Rom anschlagen und selbst auf den Altar im St. Peter niederlegen. Hierauf flüchteten sie nach Palestrina, und dorthin schickte ihnen der Papst am 15. Mai eine Zitation und die Sentenz, welche sie ihrer Kardinalswürde beraubte. Sie antworteten mit einem zweiten Manifest.

Als Bonifatius Cölestin V. zwang, seine Tage im Gefängnis zu enden, hatte er die Möglichkeit eines Schisma richtig vorausgesehen. Wenn sein Vorgänger noch lebte, so würde er jetzt eine furchtbare Waffe in den Händen der Opposition geworden sein. Aber Cölestin war tot, und Bonifatius konnte ohne Mühe die Blöße aufzeigen, welche seine Feinde sich gaben. Diese Kardinäle hatten ihn erwählt, in Rom seiner Krönung beigewohnt, in Zagarolo ihn festlich als Papst anerkannt. Wie kam es nun, daß sie jetzt erst eine Ansicht aufstellten, welche sie mit sich selbst in Widerspruch brachte? Der Zorn Bonifatius' VIII. stand in Flammen: am 23. Mai erließ er eine zweite Bulle, die nun öffentlichen Rebellen zu zermalmen. Er bannte als Schismatiker beide Kardinäle, alle Söhne des Senators Johann und ihre Erben; er erklärte sie für infam, für verlustig ihrer Güter, er bedrohte alle Orte mit dem Fluch, welche sie aufnehmen würden. Seine Lage war jedoch nicht ohne Gefahr; die Entsetzung von Kardinälen verletzte das ganze heilige Kollegium; er eilte, dasselbe durch eine Konstitution zu versöhnen, welche die Würde der Kardinäle hoch erhob, schwere Strafen gegen ihre Mißhandlung verhängte und bestimmte, daß sie fortan, Königen gleich, den Purpur tragen sollten. Er ging nach Orvieto, während seine Feinde ihre Burgen zur Gegenwehr rüsteten. Entschlossen, das Schisma im Keime zu ersticken, sammelte er Truppen unter dem Condottiere der Florentiner, Inghiramo di Bisanzo, und dem eigenen Bruder Jakobs, Landulf Colonna, welchen Rachsucht trieb, gegen seine Verwandten zu streiten.

Nun bemühte sich der Senator Pandulf, einen Bürgerkrieg abzuwenden, indem er im Namen der römischen Gemeinde vermittelnd auftrat. Er schickte Abgesandte zuerst nach Palestrina, dann an den Papst; die Colonna erklärten sich zur Unterwerfung bereit unter Bedingungen, die ihre Ehre sicherten und ihre Hausmacht herstellten; der Papst dagegen verlangte unbedingte Ergebung und Auslieferung der Festungen. Als die Unterhandlungen keinen Erfolg hatten, als in Palestrina Boten Siziliens aufgenommen wurden, wiederholte Bonifatius den Bann und forderte sogar (am 14. Dezember) die »gesamte Christenheit« auf, gegen seine Feinde das Kreuz zu nehmen, wofür er Indulgenzen verhieß. Die Macht des Papsts konnte in der Tat nicht groß erscheinen, wenn er zu dieser Karikatur der Kreuzzüge herabstieg und zu solchen einst gegen große Kaiser angewendeten Mitteln griff, um römische Optimaten zu bekämpfen, die auf der Campagna eine Reihe von Burgen besaßen. Sein Krieg gegen zwei Kardinäle, ein Bürgerkrieg der Kirche, zeigte der Welt den Verfall des Papsttums, kündigte schlimmere Zeiten an und minderte die Ehrfurcht vor dem Oberhaupt der Religion. Es gibt keine Fahne, um welche sich nicht Menschen sammeln, sie als Panier ihrer Begierden oder Meinungen zu erheben. Auch dieser Kreuzzug fand Kreuzfahrer, weil er Beute verhieß und ausdrücklich gegen Ketzer, wozu die Colonna erklärt wurden, gerichtet schien. Selbst Städte Toskanas und Umbriens liehen Streiter dar, und der heilige Krieg gegen die Burgen der Colonna konnte mit Nachdruck geführt werden.

Sie erlagen bald, weil sie allein blieben. König Friedrich sandte keine Hilfe; die Ghibellinen im Kirchenstaat standen nicht auf, und in Latium war die vereinzelte Erhebung Johanns von Ceccano vom Haus der Annibaldi wirkungslos. Die Römer, welche einst den Bruder des Kardinals Jakob auf einem Triumphwagen einhergeführt hatten, blieben neutral; die Bürger freuten sich über die Schwächung eines Aristokratengeschlechts, und Savelli wie Orsini benutzten die Gelegenheit, ihre Gegner zu verderben, mit deren Gütern sie sich dann vom Papst bereichern ließen. Das Kreuzheer belagerte alle Schlösser der Colonna diesseits und jenseits des Tiber. Nepi wurde zuerst, schon im Sommer 1297, bedrängt. Diese einst freie Stadt gehörte damals den Colonna; Parteikrieg, Bedrängnis durch Barone und Verarmung hatten sie zum verzweifelten Entschluß gebracht, sich einem mächtigen Beschützer zu verkaufen; und so hatte sie der reiche Kardinal Petrus am 3. Oktober 1293 erstanden. Sciarra und Johann Colonna von S. Vito hielten sich dort zwar tapfer gegen die Belagerer, aber die Hilfe, welche sie von den Vico und den Anguillara vertragsmäßig zu fordern hatten, ließ sie im Stich; Nepi wurde erstürmt und hierauf vom Papst den Orsini zu Lehen gegeben. Das Kreuzheer überzog zu gleicher Zeit die Stammgüter der Colonna in Latium; Zagarolo, Colonna und andere Schlösser wurden niedergebrannt, die Paläste der Familie in Rom in Schutthaufen verwandelt. Nur Palestrina widerstand. In diesem Stammsitze ihres Geschlechts leiteten Agapitus und Sciarra samt beiden Kardinälen die Verteidigung mit Erfolg. Man erzählt, daß Bonifatius den berühmten Guido von Montefeltre, welcher zwei Jahre zuvor aus Lebensüberdruß die Kutte der Franziskaner genommen hatte, aus seinem Kloster herbeirief, um durch sein Genie die Wege zu dieser uneinnehmbaren Kyklopenburg zu finden, und daß der alte Ghibelline, als er die Festigkeit des Ortes sah, dem Papst riet, ihn mit listigen Versprechungen einzunehmen.

Palestrina wurde durch Vertrag zu Fall gebracht. In Trauerkleidern, einen Strick um den Hals, erschienen die beiden Kardinäle nebst Agapitus und Sciarra zu Rieti (im September 1298) und warfen sich dem Papst zu Füßen. Bonifatius VIII. saß, umgeben von seiner Kurie, gekrönt auf dem Thron und blickte majestätisch auf die Gedemütigten herab, welche jetzt bekannten, daß er Papst sei. Er begnadigte sie und bestimmte eine Frist zur Beendigung des ganzen Streits, bis zu welcher sie unter Aufsicht in Tivoli bleiben sollten. Palestrina und alle Kastelle der Colonnesen wurden sofort ausgeliefert. Der Haß des Papsts gegen Rebellen, die seine geistliche Gewalt angegriffen hatten, kannte keine Grenzen mehr; er wollte ein Geschlecht unschädlich machen, das nach der Tyrannis in Rom strebte wie die Visconti in Mailand. Das Strafgericht, welches er sofort gegen Palestrina verhängte, offenbarte seine Absicht. Über diese berühmte Stadt der Fortuna goß ein seltsames Verhängnis dieselbe Schale des Zorns in einem langen Zeitraume zweimal aus. Sulla, dem sich Praeneste ergeben, hatte die Stadt dem Erdboden gleichgemacht; nach 1400 Jahren ergab sich dasselbe Praeneste einem Papst, und auch dieser warf den Ort mit altrömischem Zorn auf den Boden. Bonifatius gab seinem Vikar in Rom den Befehl, Palestrina umzureißen. Wenn Barbarossa, der hundert Jahre früher das ihm fremde Mailand zerstörte, oder wenn Attila, der in grauer Zeit Aquileja zermalmte, mit Recht barbarisch erscheinen, mit welchem Titel soll ein Papst bezeichnet werden, der im Jahre 1298 eine Stadt vor den Toren Roms, einen der sieben alten Bischofssitze der römischen Kirche, mit kaltem Blut auf die Erde warf?

Palestrina stand damals, wo es heute steht, auf der Mitte des von Oliven und Lorbeern umgrünten Berges. Auf seinem Gipfel thronte, von uralten Kyklopenmauern umgeben, die getürmte Rocca S. Pietro, wo einst Konradin in Ketten saß, und es standen dort Paläste und viele Häuser. Unter dieser Burg lag terrassenförmig die festummauerte Stadt, wie sie aus den Trümmern des sullanischen Fortunatempels gebaut worden war. Viele altertümliche Paläste standen darin; manche Reste jenes Tempels waren noch wohl erhalten. Der Hauptpalast war zum Teil antik. Man schrieb ihn dem Julius Caesar zu und deutete dies aus der Form eines C, welche er schon damals hatte, wie auch der heutige Palast in derselben Kurve gebaut ist. Mit ihm war der schönste Schmuck der Stadt verbunden, ein damals der Jungfrau geweihter Rundtempel, ähnlich dem Pantheon in Rom und ruhend auf einer hundertstufigen Marmortreppe von solcher Breite, daß man sie bequem emporreiten konnte. Andere antike Monumente, manche Bildsäulen, viele Bronzen aus dem unerschöpflichen Reichtum der Blütezeit Praenestes hatten sich unter dem Schutz der kunstliebenden Colonna erhalten, die in ihrem Palast den Luxus ihrer Zeit, die Schätze des Altertums und die Urkunden ihres Hauses vereinigt hatten. Alles dies fand in wenigen Tagen den Untergang; nur die Kathedrale St. Agapitus blieb verschont. Über den Trümmerhaufen wurde der Pflug geführt und Salz gestreut, gleichwie, so sagte der Papst mit fürchterlicher Ruhe, über das alte afrikanische Karthago. Bonifatius VIII. schien sich darin zu gefallen, das Wesen eines antiken Römers und zugleich die alttestamentliche Gestalt des zornigen Jehova nachzuahmen. Sein Blitzstrahl war nicht bloß theatralisch: er zermalmte wirklich eine der ältesten Städte Italiens, die in ihrer noch antiken Gestalt gleich Tusculum unterging, obwohl sie dann ärmlich wieder aufgebaut wurde.

Wie Sulla eine Militärkolonie in der Ebene der zerstörten Stadt angesiedelt hatte, so befahl auch Bonifatius den jammernden Einwohnern, deren ganzes Privatvermögen er zum Fiskus zog, sich seitwärts anzubauen. Sie errichteten Hütten in der niederen Gegend, wo heute die Madonna dell' Aquila steht; der Papst gab diesem Ort den Namen Civitas Papalis und übertrug auf ihn das Kardinalbistum Palestrina. Im Juni 1299 ernannte er Theodoricus Rainerii von Orvieto, seinen Vikar in Rom, zum Bischof der neuen Stadt, deren Bewohnern er ihre Güter als Leben zurückgab; doch schon im Frühjahr 1300 warf er den kaum gebauten Ort als ein zornentflammender Tyrann wieder um, worauf die Einwohner ins Elend wanderten und sich zerstreuten. Trotzdem war Bonifatius VIII. keineswegs ein Feind des städtischen Gemeinwesens; unter seinen Akten gibt es manche, welche beweisen, daß er die Rechte der Städte gewissenhaft achtete und manche Kommunen gegen die Eingriffe der Provinziallegaten großmütig schützte.

Auf die barbarische Zerstörung und den Verlust ihrer Güter erhoben die Colonna einen Schrei der Verzweiflung und Wut. Sie klagten den Papst laut des Treubruchs an; sie erklärten, daß ihre Unterwerfung infolge eines durch die Römer und den Kardinal Boccamazzi abgeschlossenen Vertrages geschehen sei, wonach sie die päpstliche Fahne in ihren Kastellen aufziehen, diese selbst aber behalten sollten. Die Wahrheit dieser Aussagen bestritt noch im Jahre 1311 zu Avignon der Kardinal Francesco Gaëtani, indem er behauptete, daß ihre Unterwerfung nicht im Wege der Kapitulation, sondern bedingungslos und nach Auslieferung der Kastelle geschehen sei. Das Urteil über das Verfahren des Papsts war schon damals geteilt; die Stimme des Volks zieh ihn des Verrats, und dieser Meinung hat Dante ein dauerndes Gepräge gegeben. Soviel ist gewiß, daß die Colonna durch Hoffnungen getäuscht wurden, die man ihnen im Namen des Papsts gemacht hatte. Sie fürchteten jetzt für ihr Leben selbst. Stefan, der sich ebenfalls unterworfen hatte, sollte, so hieß es, durch gedungene Johanniter ermordet werden; er und die andern seines Hauses entzogen sich dem päpstlichen Tribunal durch die Flucht, worauf sie Bonifatius nochmals exkommunizierte. Er ächtete sie, verbot allen Städten und Ländern, sie aufzunehmen, zog ihre Besitzungen ein und verlieh einen großen Teil davon an römische Edle, namentlich die Orsini. In dies Verderben wurde auch Johann Annibaldi von Ceccano hineingerissen, während der unglückliche Fra Jacopone bis an den Tod Bonifatius' VIII. in einem finstern Kerker zu Palestrina schmachtete, aus welchem er den unerbittlichen Papst in bewegten Versen um seine Absolution vergebens anflehte.

Die Colonna flohen, der eine hierhin, der andere dorthin; der wilde Sciarra irrte wie einst Marius in Wäldern und Sümpfen umher; man sagt, daß ihn Piraten an der Küste von Marseille auffingen und an die Ruderbank schmiedeten, bis er vom Könige Frankreichs losgekauft wurde. Die beiden Kardinäle verbargen sich in Etrurien oder Umbrien bei befreundeten Ghibellinen. Stefan suchte ein Asyl in Sizilien. Als er selbst dort nicht sicher war, wanderte er an die Königshöfe Englands und Frankreichs. Dieser edle Mann, ein Flüchtling vor dem maßlosen Zorn eines Papsts, den die Welt nicht liebte, wurde überall, wo er sich zeigte, mit Ehrerbietung betrachtet; er stellte im Exil das Muster eines römischen Verbannten dar, so daß ihn der schmeichelnde Petrarca mit Scipio Africanus verglichen hat. Wir werden diesen berühmten Römer in den Geschichten der Stadt noch wiederfinden, selbst noch in den Zeiten des Tribuns Cola, wo er, ein hochbetagter Greis, an dem Grabe seines unglücklichen Feindes Bonifatius und auch an den Gräbern seiner Kinder stand.


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