Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

2. Kirchenbauten Hadrians. Der vatikanische Porticus. St. Peter. Der Lateran. St. Paul. Die Kunsttätigkeit in Rom. S. Giovanni ante Portam Latinam. S. Maria in Cosmedin. Die Schola Graeca. Monte Testaccio.

Was Hadrian für die Kirchen Roms tat, übertraf fast die Bemühungen seiner Vorgänger; überhaupt gab seine und seiner unmittelbaren Nachfolger Baulust der ersten Periode der weltlichen Herrschaft des Papsttums einen monumentalen Ausdruck. Er baute viele Kirchen von Grund auf neu, andere stellte er wieder her. Der lange Katalog in seiner Lebensbeschreibung hat sie alle verzeichnet.

St. Peter verdankte ihm kostbare Zierden. Wir wissen, daß dorthin ein Porticus führte, der unweit des Hadrianischen Grabmals begann, wo man durch ein Tor ( Porta St. Petri in Hadriano) vielleicht unmittelbar in ihn gelangte. Er lief eine Strecke weit neben dem Flusse her und war der gewöhnliche, etwas beengte Weg, welchen das Volk nach dem St. Peter nahm. Hadrian sicherte ihn durch neue Fundamente, wozu er mehr als 12 000 Quadersteine verwandte, und stellte die Säulenhalle selbst wieder her. Ähnliche Portiken führten nach St. Paul und nach S. Lorenzo vor der Stadt, und auch diese restaurierte der Papst.

Am Atrium St. Peters erneuerte er die Haupttreppe, sowie die beiden Seiten des Qadriporticus. Er zierte den Glockenturm Stephans II. mit großen Türen von Erz, die er aus Perugia von irgendeinem Tempel herbeibringen ließ. Karl gab Balken zum Bau und einige tausend Pfund Blei zur Befestigung des Daches her. Die Musive der Apsis waren schon verfallen; Hadrian stellte sie »nach dem alten Muster« wieder her. Der Boden vor der Konfession, so weit er von den ehernen Schranken bis zum Apostelgrabe reichte, wurde mit Platten reinen Silbers im Gewicht von 150 Pfund belegt, die Konfession selbst im Innern mit goldenen Platten bekleidet, worauf man heilige Geschichten dargestellt sah, während der Altar über ihr mit gebildetem Golde überzogen wurde. Die Inschrift, welche Hadrian dort anbrachte, läßt schließen, daß er und Karl der Große selbst in einer ihr entsprechenden Handlung im Relief dargestellt waren. Es heißt darin von Christus:

Wie vom Geschlecht er der Priester zugleich und der Könige abstammt,
    Also läßt er zumal lenken von beiden die Welt.
Petrus gab er zur Weide die Schafe, dem treulichen Hirten,
    Und er hat sie sodann Hadrianus vertraut.
Auch in der Stadt, der getreuen, verleiht er das römische Banner
    Dienenden, die er sich selbst ganz nach Gefallen erwählt.
Und Carolus empfängt es, der herrlich erhabene König,
    Aus St. Peters mit Ruhm ihn einsegnender Hand.
Dieses Geschenk für jenen zum Heil und zum Herrschertriumphe
    Brachte der Papst hier dar, weihend mit ziemendem Brauch.

Am Apostelgrabe standen silberne Heiligenbilder; der Papst ersetzte sie durch Figuren aus massivem Gold, welche den Heiland, die Jungfrau, St. Peter, St. Paul und Andreas vorstellten. Er erneuerte den ganzen Ornat der Basilika mit überschwenglicher Pracht. Bei Festen hingen Teppiche in Purpur und Gold zwischen den Säulen der Schiffe nieder. Zu Weihnachten und Ostern, am Fest der beiden Apostel und am Jahrestage des Papsts zündete man den riesigen Leuchter an, welcher in Gestalt eines Kreuzes vom versilberten Querbalken des Triumphbogens über der Konfession herabhing; sobald seine 1370 Flammen brannten, verdiente er in der Tat den Namen des großen Pharus oder Leuchtturms. Hadrian selbst hatte ihn in die Basilika gestiftet.

Auch St. Johann im Lateran schmückte er mit großer Pracht. Er erneuerte den Porticus am dortigen Palast und baute neben ihm einen Turm, den er mit Gemälden und Marmor schön verzierte. Dies war wohl der Turm des Zacharias, welcher schon einer Erneuerung bedürfen mochte. Das schnelle Zugrundegehen der römischen Kirchen spricht nicht sehr für die Gediegenheit der Bauten jener Jahrhunderte; auch standen zu ihrer Menge die Mittel nicht immer im Verhältnis. Das Atrium St. Pauls war zur Zeit Hadrians bereits so vernachlässigt, daß dort Vieh weidete. Demnach scheint man schon damals nicht vom Tiber her, sondern seitwärts in die Basilika den Eingang genommen zu haben. Hadrian ließ dies Atrium mit Marmor pflastern.

Es gab keine Titelkirche oder Diakonie, welche dieser Papst nicht ausgeschmückt hätte; einer jeden schenkte er zwanzig tyrische Teppiche zum Ausspannen zwischen den Säulen. Hunderte von Künstlern wurden zu gleicher Zeit von ihm beschäftigt; sie arbeiteten in Gold und Silber, in Smalto und Lazur, komponierten musivische Bilder, malten mit rohen, aber nicht ganz seelenlosen Pinselstrichen Wandgemälde und versuchten sich mit weniger Glück in Marmor. Wir haben bereits unsere Zweifel ausgesprochen, daß die Mosaikarbeiter Roms durchaus griechische Künstler waren, wie sie es in Ravenna sein mochten. In ganz Italien wurde damals die Technik dieser Art gepflegt; sie läßt daher ihre eigenen Überlieferungen und Schulen voraussetzen; auch hat sich eine Anweisung aus der Zeit Hadrians erhalten, welche die Künstler belehrt, wie Musive zu färben seien, wie man Eisen vergolde, mit Gold schreibe, wie Smalto, Lazur, Cathmia zu verfertigen seien und wie die einzelnen Minerale in der Kunst verwandt werden können. Diese merkwürdige Schrift ist im barbarischen Latein des VIII. Jahrhunderts verfaßt und spricht deshalb, selbst wenn sie nur eine Übersetzung aus dem Griechischen wäre, einigermaßen für die Nationalität der Künste im damaligen Italien.

Aber jene zahllosen Prachtteppiche mit eingesteckten Historien waren fremden Ursprungs. Ihre Kunst stammte aus dem Orient und wurde in Byzanz und Alexandria eifrig betrieben. Die griechischen Seestädte Italiens vermittelten den Handel mit den kostbaren Seidenstoffen, deren die römische Kirche bedurfte. Die Namen der rikamierten Gewänder und Decken zeigen sowohl eine große Mannigfaltigkeit ihres Stoffs und ihrer Technik als die Herkunft aus dem Byzantinischen Reich. Die vielen Bezeichnungen für Teppiche oder vela sind griechisch, oft geradezu nach ihrem Vaterlande, Alexandria, Tyrus, Byzanz und Rhodus benannt. Dasselbe gilt von den weißen, purpurroten oder blauen Gewändern, die mit Edelsteinen besetzt, mit Historien bestickt waren und Bilder von Heiligen enthielten oder von Tieren, wie von Adlern, Löwen, Greifen, Pfauen und Einhörnern. Auch die Namen der heiligen Gefäße, von den Römern mit griechischem Wort Cymelia genannt, beweisen den Ursprung vom Orient. Überhaupt ist das allgemeine Muster jener Decken, Gewänder und Geräte im Salomonischen Tempel, dieser großen Schatzkammer orientalischer Prachtwerke des Kultus, zu suchen; die Päpste und Bischöfe ahmten die phantastische Kleidung der Hohenpriester der Juden nach und die Kirchen den Glanz und Gebrauch der unzähligen Weihgeschenke, womit jener Tempel erfüllt gewesen war. Die goldenen Kreuze starrten von Edelsteinen, blitzten von eingelegtem Silber und Schmelz, die Vasen, Schalen, Weihrauchfässer, Becher, Ziborien prangten von ziseliertem und getriebenem Bildwerk, und das lange Register ihrer rätselhaften Namen reizt zugleich und verwirrt die Phantasie.

Zwei alte und merkwürdige Kirchen verdankten Hadrian einen erhöhten Ruf.

An der Via Latina innerhalb der Stadtmauer steht heute eine verlassene Basilika, deren mittelalterlicher Turm eine Wildnis von Gärten überragt. Dies ist die Kirche des Evangelisten Johannes. Die Legende erzählt, daß der Lieblingsapostel des Heilands von Ephesus, wo er den Tempel der Diana umgestürzt hatte, zur Zeit Domitians nach Rom geführt wurde. Hier warf man ihn in eine Wanne voll siedenden Öls. Aber der Prophet stieg unversehrt aus diesem Bade, und die betroffenen Richter wagten keine andere Marter mehr. Nachdem sie ihn auf eine Insel verbannt hatten, verließ er ungekränkt Rom, um in der Einsamkeit zu Patmos zu leben, wo ihm der Geist Gottes die Geheimnisse des Universum enthüllte. Griechische Legendenbücher versetzen jene Marter nach Ephesus, doch die Lateiner haben sie für Rom beansprucht, und schon im IV. Jahrhundert zeigte man hier vor dem Lateinischen Tor (welches freilich zur Zeit Domitians nicht vorhanden war) den Ort, wo der Apostel sie erlitten hatte. In unbekannter Zeit errichtete man daselbst ein Oratorium, und heute steht dort die Kapelle S. Giovanni in Oleo, ein Bau vom Jahre 1509. Die Zeit der ersten Gründung der Basilika selbst ist ungewiß; ihre gegenwärtige Gestalt stammt erst aus dem XI. oder XII. Jahrhundert. Doch gab es schon zur Zeit Hadrians die Kirche St. Iohannis iuxta portam Latinam, welche er wiederherstellte.

Dort, wo in der VIII. Region das Forum Boarium gegen den Tiber ausging, standen noch zur Zeit dieses Papsts mehrere Heidentempel. Zwei von ihnen, am Fluß und bei der Palatinischen Brücke, dauern sogar noch heute fort: man nennt sie die Tempel der Vesta und der Fortuna Virilis. Unter dem Aventin, in der Nähe des Circus Maximus, lagen ein Tempel der Pudicitia Patricia und mehrere Heiligtümer des Herkules, dessen uraltem Dienst jene Gegend geweiht war. Dort stand auch die berühmte Ara Maxima dieses Halbgottes. Die christliche Religion hatte gegen Palatin und Forum hin schon früh in den Kirchen Theodorus, Georgius und Anastasia ihren Sitz aufgeschlagen, aber diese Seite des Forum Boarium war von ihr kaum berührt worden. Die dortigen Tempel standen verschlossen, und der nahe Circus Maximus bewahrte diesem Gebiet trotz aller Verwüstung noch immer den großen Charakter der Vorzeit. Nur in den Ruinen eines prachtvollen antiken Gebäudes war eine kleine Kirche gebaut und so eingerichtet worden, daß die Säulen des Peristyls zum Teil frei stehenblieben, wie man Ähnliches an S. Lorenzo in Miranda innerhalb des Tempels der Faustina sieht. Noch jetzt erkennt man in einem Nebengebäude jener Kirche am Aventin die Reste der alten Cella, und acht kannelierte Säulen der Front sind in der Fassade eingemauert.

Wir wissen nicht, wann diese Basilika entstanden ist; am Ende des VI. Jahrhunderts war sie schon eine Diakonie, St. Maria in schola Graeca genannt. Ihren Namen erhielt sie von einer Genossenschaft der Griechen, die dort seit alters ansässig war. Im VII. und VIII. Jahrhundert begünstigten solche Päpste, welche griechischer Abkunft waren, die griechische Kolonie in Rom, die infolge des Bilderstreits viele neue Auswanderer aus Byzanz in sich aufnahm. Die Griechen besaßen eine Reihe von Kirchen und Klöstern, wie St. Georg in Velabro, St. Anastasia, St. Alexius auf dem Aventin, St. Erasmus, St. Saba, St. Stephan und Silvester, S. Maria in Campo Marzo und andere. Der griechischen Gemeinde gehörte nicht allein jene Diakonie St. Maria, sondern auch das ganze Gebiet umher wurde Schola Graecorum und noch im X. Jahrhundert das dortige Flußufer Ripa graeca genannt. Daselbst standen im Altertum viele Magazine und Emporien und die Beamtenlokale der Präfektur der Annona Urbis. Vielleicht gab man der Basilika den Namen zum Unterschiede von St. Maria antiqua (oder nova seit Leos IV. Zeit) in der Nähe des Titusbogens. Im VIII. Jahrhundert wurde die Bezeichnung in Schola graeca allein gebraucht, und erst nach dem Umbau Hadrians soll auch der Name in Cosmedin aufgekommen sein. Der Lebensbeschreiber des Papsts erklärt ihn so, daß die Kirche wegen ihrer prächtigen Erneuerung mit Recht zu einer Cosmedin (d. h. geschmückten) wurde. Aber weil denselben Zunamen auch eine Marienkirche in Ravenna und eine andere in Neapel führte, so schrieb er sich wahrscheinlich von einem Platze in Konstantinopel her. Denn die nach Italien ausgewanderten Griechen übertrugen aus Pietät manchen heimatlichen Namen. In Ravenna gab es eine St. Maria in Blachernis, zur Erinnerung an die gleichnamige Kirche der Kaiserin Pulcheria in Byzanz, und selbst in Rom hieß ein Ort auf dem Aventin ad Balcernas oder Blanchernas.

Hadrian fand jene Kirche als ein verfallenes Oratorium vor, und noch überragten sie die Ruinen des alten Tempels. Er ließ diese gewaltigen Travertinquadern abtragen; dann erbaute er dort eine Basilika mit drei Schiffen und einer Vorhalle. Nach der Mitte des IX. Jahrhunderts wurde sie von Nikolaus I., später noch von Calixtus II. und anderen Päpsten umgebaut. Nur der schöne Glockenturm stammt vielleicht noch aus dem VIII. Jahrhundert. Er ist viereckig und unverjüngt wie alle alten römischen Türme, 162 Palm hoch und durch sieben Reihen von Fenstern gegliedert, indem ihrer je drei durch kleine Säulen voneinander getrennt werden. In der Vorhalle der Kirche sind einige Inschriften des VIII. Jahrhunderts merkwürdig; Schenkungsurkunden des Dux Eustachius und eines Gregorius in sehr roher Schrift. Diese Männer vermachten der Kirche viele Grundstücke, und darunter auch Weinberge am Monte Testaccio. Nur um dieses berühmten Hügels willen führen wir überhaupt jene Inschriften hier an, denn der Name Testaccio wird gerade dort zum erstenmal genannt. Zwischen dem Aventin, den Stadtmauern und dem Tiber erhebt sich derselbe 35 Meter hoch als eine künstliche Pyramide von zerbrochenen Amphoren, gleichsam das Symbol der zu Scherben zerschlagenen Herrlichkeit des alten Rom. Es ist unbekannt, wann diese Aufhäufung von Bruchstücken großer einfacher Tongefäße, die zum überseeischen Transport von Produkten gedient hatten, begonnen worden ist, und wie lange Zeit man zur Vollendung des Scherbenbergs gebraucht hat. Er scheint nicht vor dem II. Jahrhundert nach Chr. entstanden zu sein. Zu seiner Aufhäufung hatte das benachbarte Emporium des Tiber Veranlassung gegeben, wo in den Magazinen zahllose Amphoren zugrunde gehen mußten. Die Römer nannten den nach und nach anwachsenden Hügel Mons Testaceus, d. h. Berg der Scherben, und die sinnreiche Sage des Mittelalters erzählte, daß er aus den zerbrochenen Vasen entstanden war, in welchen einst die tributpflichtigen Völker ihr Gold und Silber nach Rom zu bringen pflegten.


 << zurück weiter >>