Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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2. Die römische Akademie. Angelo Colocci. Goritz. Bibliotheken. Die Vaticana. Inghirami. Beroald. Acciajuoli. Aleander. Die römische Universität. Ciceronianer. Bembo. Sadoleto. Gianfrancesco Pico. Alberto Pio. Antiquare. Albertini. Inschriftensammlung Mazochis. Andreas Fulvius. Pierius Valerianus. Raffaels Stadtplan. Mario Fabio von Calvi. Historiker. Paris de Grassis. Aegidius von Viterbo. Raffael Volaterranus. Paul Jovius. Hellenisten. Karteromachus. Phavorinus. Johann Laskaris. Musurus. Verfall des Humanismus. Schmähschrift Gyraldis und Bekenntnisse des Jovius.

Wir werden nur einige Gruppen und Charaktere aus der Kultur der Renaissance in Beziehung auf Rom herausheben.

Da ist zunächst die römische Akademie, welche die geistreiche Gesellschaft der Stadt zusammenfaßt. Die besten Namen Italiens zierten sie: Bembo, Sadoleto, Tebaldeo, Vida, Castiglione, Navagero, Beroaldo, Inghirami, Valerianus. Als ihr Haupt galt Angelo Colocci aus Jesi, Sekretär Leos X. Er war jung nach Rom gekommen, wo er eine gefeierte Persönlichkeit wurde. Seit 1513 legte er sich bei der Aqua Virgo eine Villa an, und hier sammelte er Altertümer und Inschriften, unter denen die Fasti Consulares Colotiani berühmt geworden sind, und Statuen, worunter ein Sokrates und ein Jupiter Ammon bewundert wurden. Er sammelte Münzen und Gemmen, griechische und hebräische Handschriften, die nach seines Sohnes Marcantonio Tode in den Besitz des Fulvius Orsini kamen. In diesen Gärten des »Koryphäen aller urbanen Geister« setzte die Akademie ihre Zusammenkünfte fort. Colocci war ein klassisch gebildeter Mann, innigster Freund des Johann Laskaris, selbst Dichter in beiden Sprachen, das Musterbild eines heiter geselligen Beschützers der Wissenschaft und Kunst.

Bisweilen kamen die Akademiker auch bei Agostino Chigi zusammen oder bei dem beredsamen Mario Maffei von Volterra, dem Bischof von Aquino; oder auf der Villa des Dichters Blosius Palladius am Tiber, bei Sadoleto auf dem Quirinal und im Gartenhause des Augustinerkardinals Aegidius. Am Tage St. Anna pflegte sie Goritz in seinen Weingärten am Trajansforum zu bewirten. Dieser Luxemburger, ganz Römer geworden, war eine der beliebtesten Gestalten der Stadt, schon unter sechs Päpsten Suppliken-Rezipient, die lebendige Chronik Roms. Obwohl nicht reich, machte er doch sein Haus zu einem Tempel der Musen. Für die deutschen Humanisten, welche Rom besuchten, war es ein willkommener Vereinigungsort. Der rechtliche Alte mit weißem Haar, lebhaft und beweglich, anmutig beredsam, leicht aufbrausend, Enthusiast des Altertums, Kunstfreund und Dichterfreund, wurde von den Akademikern Corycius Senex nach Virgil benannt und wie ihr Patriarch geehrt. Blosius hat sein Wesen geschildert, welches man als festiva urbanitas bezeichnen kann. Es gab in Rom stets Männer seiner Art, Ideale des musenfreundlichen Dilettantentums.

Man wird nicht ohne Vergnügen die Schilderung der heiteren Feste der Akademie lesen, und diese scheinen die Grenzen des schönen Maßes nicht überschritten zu haben. Ihre Blütezeit gehört der Regierung Leos X. an, welcher allen wissenschaftlichen Anstalten in Rom neuen Aufschwung gab.

Schon als Kardinal hatte er in einem mit Statuen und Gemälden geschmückten Saal seines Palastes seine Privatbibliothek aufgestellt, wozu jeder Mann Zutritt erhielt. Ihren Kern bildete der Rest jenes Handschriftenschatzes seines väterlichen Hauses, welcher in der Umwälzung von Florenz durch Karl VIII. erst zerstreut, dann in das Kloster S. Marco gekommen, endlich von Leo im Jahre 1508 angekauft und nach Rom gebracht worden war.

Er vermehrte seine Bibliothek, die er nicht mit der Vaticana vereinigte, auch als Papst. Das Manuskript der fünf ersten Bücher von Tacitus' Annalen, welches Gianangelo Arcimboldi aus Corvey gezogen und Leo um 500 Goldgulden erkauft hatte, gehörte ihr an. Es befindet sich heute in der Laurenziana, wohin es wohl mit dieser mediceischen Privatbibliothek kam, als Clemens VII. sie nach Florenz zurückbringen ließ.

Es war Modebedürfnis, in den Palästen Handschriften zu sammeln. Sigismondo Conti, Angelo Cesi, Chigi, Coloccio und Goritz, Prälaten und Kardinäle wie Caraga, Farnese, Riario, Alidosi, Armellini, die Rovere legten solche Sammlungen an. Sadoleto hatte sich eine ansehnliche Bibliothek angeschafft. Die reichste von 8000 Bänden besaß Grimani im Venetianischen Palast. Erasmus bewunderte sie. Nach dem Tode des Kardinals im Jahre 1524 kam sie durch Testament nach S. Antonio di Castello in Venedig, wo sie später verbrannte. Es ist merkwürdig, daß so viele Bücherschätze von Rom nach Venedig vermacht wurden. Schon Petrarca, dann Bessarion hatten ihre Bibliotheken dorthin gestiftet; auch Aleander tat dasselbe mit der seinigen. Schon bestanden in Rom die heutigen Klosterbibliotheken, die später vermehrt wurden. Julius II. hatte die Bibliothek des St. Peter ausgeschmückt und so auch die der zwölf Apostel und die in S. Pietro in Vincoli ausbauen lassen. Es bestanden schon die Büchersammlungen in S. Maria in Aracoeli und in S. Sabina und die heute größten Roms, die der Minerva und der Augustiner.

Die Vaticana hatte Julius nicht viel vermehrt. Wenn ihn Bembo einen zweiten Ptolemaeus Philadelphus nennt, so bezog sich diese Schmeichelei nur auf die Privatbibliothek des Papsts, die Bibliotheca Julia. Zum Vorsteher der Vaticana machte er Thomas Fedra Inghirami. Inghirami war um 1470 in der Stadt Volterra geboren, welche mehrere namhafte Gelehrte wie Jacobus, Raffael und Julian und Mario Maffei nach Rom lieferte. Als Jüngling spielte er auf dem Theater Riarios im Hippolyt Senecas die Rolle der Phädra so geschickt, daß ihm dieser Zuname verblieb. Alexander VI. gebrauchte ihn in diplomatischen Geschäften, und Maximilian krönte ihn zum Dichter. Wegen seiner klassischen Beredsamkeit nannte man ihn den Cicero seines Zeitalters: selbst Erasmus bewunderte ihn. Aus Bobbio brachte er Handschriften nach Rom, darunter wohl auch den Palimpsest der Republik Ciceros, welchen erst der Kardinal Mai wieder ans Licht gezogen hat. Am 17. Juli 1510 wurde Inghirami Nachfolger seines Landsmannes Julian in der Vaticana. Er starb am 6. September 1516 infolge eines Sturzes vom Maultier. Raffael hat das Porträt dieses Ideals des römischen Prälaten in der Renaissancezeit gemalt und ihm dadurch die Unsterblichkeit gesichert, die ihm seine wenigen Schriften nicht geben konnten.

Die Vaticana suchte Leo zu vermehren. Es sei nicht seine geringste Pflicht, so erklärte er, für die Vergrößerung des Schatzes alter Autoren zu sorgen, damit die lateinische Sprache unter seinem Pontifikat sich reicher als bisher entfalte. Er schickte Agenten aus, Handschriften aufzukaufen. Agostino Beazzano, Johann Haytmers, de Rosis von Ravenna, Arcimboldi und der unermüdliche Kustos der Vaticana Faustus Sabaeus reisten im Orient, selbst in Dänemark. Doch nur jene Handschrift des Tacitus war ein großer Fund. Sie edierte der Bologneser Filippo Beroaldo, Schüler seines gleichnamigen Oheims, eines berühmten Latinisten. Beroaldo wurde Inghiramis Nachfolger an der Vaticana und starb schon 1518, worauf der Florentiner Zanobio Acciajuoli seine Stelle erhielt. Dieser gelehrte Dominikaner, einst Anhänger Savonarolas, war der vertrauteste Gesellschafter Leos, der ihn gleich nach seiner Thronbesteigung nach Rom kommen ließ und in die Familie Medici aufnahm. Er war ein gründlicher Kenner der alten und auch der hebräischen Sprachen. Auf dem Quirinal im Oratorium des St. Silvester wohnend, versenkte er sich in Enthusiasmus für die Herrlichkeit Roms. Er forderte Leo in lateinischen Versen auf, den Quirinal umzubauen, wie einst einer seiner Vorgänger die Leonina erbaut hatte. Für ihn machte er ein Verzeichnis von Urkunden jenes geheimen Archivs »Bibliotheca Secreta«, welches von Sixtus IV. errichtet worden war und um 1518 nach der Engelsburg gebracht wurde.

Nach Acciajuolis Tode am 27. Juli 1519 nahm dessen Stelle ein jener Hieronymus Aleander, der als der eifrigste Bekämpfer der entstehenden Reformation bekannt geworden ist. Er war Sohn eines Arzts und zu Motta in der Trevisaner Mark im Jahre 1480 geboren. Mit Leidenschaft studierte er profane und theologische Wissenschaften und erlangte solche Fertigkeit in den orientalischen Sprachen, daß man ihn für einen gebornen Hebräer hielt. In Venedig schloß er mit Aldus Manutius Freundschaft, der sich seiner seltnen Kenntnisse bediente und ihm seine Ausgabe des Homer widmete. Dort wurde er auch mit Erasmus befreundet. Alexander VI. hatte ihn zum Sekretär seines Sohnes Cesare machen wollen. Im Jahr 1508 ging er nach Paris, lehrte dort mit Ruhm und wurde sogar Rektor der Universität. Sodann diente er dem Fürstbischof von Lüttich, Erard von der Mark, in dessen Auftrag er auch im Jahre 1516 zuerst nach Rom kam, seinem Herrn den Purpur zu erwirken. Hier nahm ihn Julius Medici in seinen Dienst; Leo X. machte ihn zum vatikanischen Bibliothekar; dann aber bestimmte er ihn zu seinem Nuntius in Deutschland, wo er die Reformation erdrücken sollte. Aleander liebte Deutschland, wo er einst sich hatte niederlassen wollen, ihn befreundete Gelehrte ehrten und er als ein Deutscher betrachtet wurde. Bald aber machte er sich hier allgemein verhaßt. Seit 1520, da er mit Marino Caracciolo nach Deutschland ging und so heftig gegen Luther und seine Anhänger auftrat, daß er selbst Feind des Erasmus wurde, diente Aleander, der Urheber des Wormser Edikts, den Päpsten in ihrer wichtigsten Angelegenheit als Legat. Hier zeigte er sich im Kampf mit der Reformation als hochmütigen und verschlagenen Fanatiker; doch sah er alle seine Bemühungen und Künste endlich scheitern. Clemens VII. gab ihm das Erzbistum Brindisi, unter Paul III. wurde er im Jahre 1538 Kardinal, worauf er sein Amt als Bibliothekar niederlegte. Er starb, zum Legaten beim Konzil ausersehen, im Jahr 1542, ohne Schriften zu hinterlassen, die ihm als Theologen oder Sprachforscher einen Namen hätten sichern können.

In neue Blüte kam unter Leo X. die römische Universität, welche Julius vernachlässigt hatte. Der Lehrstuhl des Pomponius Laetus war zwar durch Augustinus Valdus aus Padua, aber nicht glänzend besetzt worden, und nur wenige Professoren der Theologie und des Rechts mochten der Anstalt noch zur Zierde gereichen. Marco Vigerio aus Savona, schon von Sixtus IV. berufen, im Jahre 1505 Kardinal, und Thomas de Vio, welchen Oliviero Caraffa nach Rom gezogen hatte, waren die berühmtesten Theologen jener Zeit, und der ausgezeichnete Jurist Giovanni Gozzadini von Bologna lehrte vorübergehend an der Universität. Sie drohte zu verfallen, bis sie Leo X. durch seine Konstitution vom 4. November 1513 reformierte. Er erneuerte alle Fakultäten, setzte den Professoren höheres Gehalt aus und berief gute Lehrkräfte. Schon 1514 hatte er den namhaften Latinisten Janus Parhasius oder Giampolo Parisio aus Cosenza als Professor der Redekunst angestellt. In derselben Fakultät lehrten Inghirami, Antonio Fabro von Amiterno, Raffael Brandolini, Beroaldo, Petrus Sabinus. Selbst ein Lehrstuhl für orientalische Sprachen wurde eingerichtet, der Kalabrese Agacius Guidocerius erhielt die hebräische Professur. Die Würde eines Großkanzlers der Universität bekam der Kardinal Raffael Riario, die des Rektors Domenico Jacobazzi. Es gibt eine auf Pergament geschriebene Liste vom Jahre 1514, welche die Namen aller Fakultätsprofessoren enthält, achtundachtzig an Zahl, elf des kanonischen Rechts, zwanzig Juristen, fünfzehn Mediziner und fünf Philosophen. Doch findet sich darunter keiner ersten Ranges. Viele mittelmäßige Geister hatten Lehrstühle durch Protektion erhalten. Die römische Universität wurde mit Professoren überfüllt, aber sie erreichte nie die Bedeutung der Hochschulen in Padua und Bologna.

Das XVI. Jahrhundert erbte die Mühen des XV. und breitete den Kultus der Klassiker in Schulen über die Welt aus. Man erklärte die Autoren; man arbeitete die Grammatik durch, und der neulateinische Stil erlangte bei einigen Schriftstellern eine schwungvolle Lebendigkeit voll Anmut und Geist. Im ganzen aber war die Nachahmung so sklavisch, daß Erasmus den Latinistenschwarm als die »Affen Ciceros« lächerlich machte. Die Beredsamkeit blieb der Gipfel alles Strebens, und diese virtuose Kunst war in der Renaissance so gut wie in der Zeit des Cicero und Demosthenes die Kunst des nationalen Verfalls. Eine gute Rede war damals, wie zur Zeit der griechischen Sophisten, ein aufsehenmachendes Ereignis. Die Rhetorik drang auch in die Geschichtschreibung ein, nach dem Muster der Alten, mit erdichteten Reden ist das Werk Guicciardinis angefüllt. Der schönste Schmuck, so schrieb Busini an den Geschichtschreiber Varchi, welchen die Geschichte haben kann, sind nach meinem Dafürhalten die Reden. Es sind Staats- und Festreden, Kanzel- und Leichenreden, akademische Lobreden jeder Art, Orationen im Konzil, die hier in Betracht kommen würden, und sie alle sind in die Modelle Ciceros gegossen. Leo versäumte keine Gelegenheit, eine lateinische Rede anzuhören. Dies machte ihm so viel Vergnügen als Musik und Improvisation. Als am 23. April 1521 bei der Feier der Palilien Roms seine Ehrenstatue auf dem Kapitol enthüllt wurde, hörte er der Festrede des Reformators der Universität zu. Dieser Rhetor begann mit Adam und Romulus, schilderte erst die Herrlichkeit des Römischen Reichs und ging dann zu der Größe des Papsttums, endlich zu dem Lobe Leos selbst über. Nie sprach ein Deklamator ciceronischer über die Wohltaten, welche Rom den Päpsten verdankte. Nie schmeichelte sich ein Papst, gleich dem Zuhörer Leo, so sehr mit Einbildung, ein Volk zu beherrschen, welches seine Regierung liebte. Diese Rede dauerte stundenlang; sie ist ein förmliches Buch; wir besitzen sie noch.

Die Latinisten machten die Philologie zu einem Werkzeuge der Weltbildung und Aufklärung, zu einer internationalen Macht. Sie hob die Völkergrenzen, bald auch die Schranken der Konfession auf und breitete eine Art von Freimaurerbund über Europa aus, worin sich die Männer der Wissenschaft verbrüderten. Keine Zeit sah einen gleich lebhaften persönlichen oder brieflichen Verkehr der Gelehrten aller Länder. Wie war das, wie war der gleichmäßige Fortschritt der Nationen überhaupt ohne eine Weltsprache möglich?

Unter den Latinisten jener Epoche ist die Gestalt des Pietro Bembo überall sichtbar, wie es früher Petrarca und Poggio waren, obwohl er weder deren Kenntnisse noch Verdienste besaß. Dieser edle Venetianer war der Sohn des Bernardo Bembo, welcher als Praetor Ravennas das Mausoleum Dantes errichtete. In Florenz am 20. Mai 1470 geboren, empfing er dort auch seine erste Erziehung. Er studierte seit 1492 drei Jahre lang das Griechische bei Constantin Laskaris in Messina, sodann Philosophie bei Pomponazzo in Padua. Mit seinem Vater ging er nach Ferrara im Jahre 1498. Hier fand er geistvolle Männer, die Strozzi, Antonio Tebaldeo, Leoniceno und den jungen Sadoleto. Seit 1502 war daselbst sein stärkster Magnet Lucrezia Borgia, zu welcher er in ein bald verdächtiges Verhältnis trat. Er besang sie in Versen, unterhielt einen lebhaften Briefwechsel mit ihr, tröstete sie über den Tod ihres »großen Vaters«. Im Jahre 1504 widmete er ihr die anmutigste seiner Schriften, die Asolani, ein platonisierendes Gespräch über die Liebe, das ihn berühmt machte. Seit 1506 trat Bembo in den geistreichen Kreis des Hofes von Urbino, welcher damals unter der Regierung Guidobaldos und seiner Gattin Elisabetta der blühendste Sitz der Musen Italiens und die Schule der feinsten Sitten war. Aus ihm ging das Ideal des Höflings, der Cortegiano Castigliones, hervor. Hier erlebte Bembo den Tod Guidobaldos, dem er ein schönes Denkmal der Pietät setzte. Julian Medici, welcher am Hofe Urbinos als Exilierter gastfreie Aufnahme gefunden hatte, nahm Bembo im Jahre 1512 von dort mit sich nach Rom, und Leo X. machte ihn zu seinem Sekretär.

Bembo besaß seltene Vorzüge, Wohlgestalt, Kenntnis der Welt und glänzende Bildung. Der Papst liebte ihn und seine stilisierten Phrasen. Diese schönen Geister verstanden einander. Als päpstlicher Staatsmann in einflußreicher Stellung wurde Bembo eine der Koryphäen der römischen Gesellschaft, wo dieser geistreiche und liebenswürdige Mann auf die Tätigkeit von Gelehrten und Künstlern einen belebenden Einfluß übte. Im Jahr 1520 zog er sich nach Padua in ein studienvolles Stilleben zurück. Er machte dort sein Haus zu einem ciceronischen Museum, sammelte Statuen, Gemälde, Medaillen, Inschriften, Handschriften, unter denen sich zwei sehr wertvolle befanden, der Terenz und Virgil, welche heute die Vaticana besitzt. Selbst einen botanischen Garten legte er an. Erst durch Paul III. ließ sich Bembo zur Rückkehr nach Rom bewegen. Hier wurde er Kardinal im Jahre 1539 und mit Morone, Contarini, Cortese, Pole und Sadoleto eine Zierde des Heiligen Kollegium. Er starb am 18. Januar 1547. Passend fand er sein Grab in der Nähe des Denkmals Leos X. in der Minerva. Bembo galt als Haupt der Ciceronianer seiner Zeit. Sein Stil ist korrekt und gewandt, aber kalt und manieriert. Es ist nichts Originales in seinem eleganten und bisweilen frivolen Geist, dem Vertiefung und Forschung fehlen. Außer der Formvollendung in beiden Sprachen hat Bembo keine nachhaltige Wirkung auf die Literatur gehabt. Seine Poesien sind vergessen, und seine italienisch geschriebenen Asolanen nur noch ein literarisches Denkmal der Schöngeistigkeit jener Zeit. Seine lateinisch geschriebene Geschichte Venedigs, die Fortsetzung jener des Sabellicus, hat zeitgeschichtlichen Wert, obwohl sie eine oberflächliche Arbeit ist und nicht minderen haben seine amtlichen und familiären Briefe.

Weniger glänzend, aber tiefer war Bembos Freund Jacopo Sadoleto, der Sohn eines Juristen aus Modena, wo er um 1477 geboren war. Er studierte in Ferrara unter Leoniceno. Ferrara und Padua waren damals blühende Akademien, durch welche fast alle hervorragenden Geister ihren Durchgang nahmen. Die Humanitäts-Schule der Este blühte bis tief ins XVI. Jahrhundert; sie erstreckte noch unter dem Schutz der Herzogin Renata, der Tochter Ludwigs XII., ihre Verzweigungen weit in das lutherische Deutschland und das reformierte Frankreich Calvins. Ihr Haupt wurde der berühmte Latinist Celio Calcagnini, Freund des Erasmus, seit 1520 Professor in Ferrara. Neben ihm glänzte Lilius Gregorius Gyraldi, der in Rom Erzieher des jungen Kardinals Ercole Rangone war. Sadoleto war schon unter Alexander VI. nach Rom gekommen, Familiar Caraffas und Schüler des Scipio Karteromachus geworden. Er wurde namhaft in der Akademie; seine Verse auf Laokoon gingen von Mund zu Mund. Leo X., welchen nichts so sehr begeisterte als lateinische Verse und ciceronische Prosa, machte ihn zu seinem Sekretär, dann auch zum Bischof von Carpentras. Dorthin ging Sadoleto nach dem Tode seines Gönners, bis ihn Clemens VII. wieder nach Rom zog. Er verließ die Stadt kurz vor der Katastrophe des Jahres 1527 und widmete sich neun Jahre lang seinen Pflichten in Carpentras. Von dort zog ihn Paul III. im Jahr 1536 wieder nach Rom und machte ihn zum Kardinal. Hier starb er bald nach seinem Freunde Bembo am 18. Oktober 1547.

In seiner Jugend versuchte sich Sadoleto, wie alle diese Latinisten, als Dichter, dann schrieb er Abhandlungen nach dem Muster Ciceros. Seine Traktate De liberis instituendis und De laudibus philosophiae waren zu ihrer Zeit berühmt. Später schrieb er Predigten, Erklärungen von Psalmen und Kommentare zum paulinischen Brief an die Römer, welche die Zensur verbot. Dies geschah unter Paul III., als die Reflexe der Reformation in Kardinälen wie Reginald Pole, Morone und Contarini sichtbar wurden. Sadoleto selbst zeigte den Protestanten gegenüber stets Ruhe und Maß. Er schonte Melanchthon und Calvin; er setzte auch zu Erasmus sein freundschaftliches Verhältnis fort, und wir besitzen noch Briefe des einen an den andern. Die Korrespondenz Sadoletos ist ein noch bedeutenderer kulturgeschichtlicher Schatz jener Zeit als jene des Bembo.

Sadoleto erscheint als einer der schönsten Charaktere seiner Zeit; und so zerrüttet deren Moral auch war, so gab es doch immer ernste Geister, die sich von der Ansteckung rein erhielten. Dies beweisen zwei andere ausgezeichnete Männer, Gianfrancesco Pico, Herr von Mirandola, und Alberto Pio, Herr von Carpi. Der erste war Neffe des gefeierten Johannes Picus, ein Mann von allumfassender Gelehrsamkeit, glühender Anhänger Savonarolas, dessen Leben er auch beschrieben hat. Dem Lateranischen Konzil reichte er eine lange Abhandlung über die Reform der kirchlichen Zucht ein. Er war befreundet mit Reuchlin und mit Willibald Pirkheimer. Der andere, von mütterlicher Seite ihm verwandt und gleich ihm unglücklich, da auch er aus seinem Erbe Carpi vertrieben wurde, war erst im Jahre 1510 Gesandter Ludwigs XII. in Rom, dann Botschafter des Kaisers bei Leo X.; als die Kaiserlichen Carpi besetzten, trat er wieder in die Dienste des Königs von Frankreich und war dessen Gesandter bei Clemens VII. Die Partei des Kaisers fürchtete ihn als Intriganten und nannte ihn einen Teufel. Er glühte von Haß gegen die Spanier. Unter seinen häuslichen Stürmen und seinen Pflichten als Diplomat konnte er eine seltene Gelehrsamkeit erwerben und zahlreiche Schriften verfassen. Schon in seiner Jugend hatte er Aldus Manutius in Carpi aufgenommen; aus dem Schüler wurde er der Beschützer dieses großen Typographen. Aldus widmete ihm im Jahr 1495 seine Ausgabe des Aristoteles. In Carpi hatte Pio eine große Bibliothek gesammelt und eine Druckerei eingerichtet. Noch heute zeigen die Kirchen, die dort für ihn Baldassare Peruzzi baute, und die getürmte Burg der Pii, daß dieses kleine, in der fruchtbarsten Ebene gelegene Carpi einst ein schöner Herrensitz gewesen ist. Auch in Rom wurde der Palast des Alberto Pio ein Versammlungsort für Gelehrte und Künstler; aber seit der Reformation wandte sich Pio von den klassischen Studien zur Theologie. Er bekämpfte Erasmus erst durch Briefe, dann durch Schriften, worüber er selbst zu Paris im Jahre 1531 starb.

Fast jeder hervorragende Gelehrte der Zeit Leos konnte auch einen Platz unter den Latinisten behaupten. Die Kardinäle Farnese, Grimani, Bibiena durften ihn durch ihre klassische Bildung beanspruchen, und vor allen glänzte Hadrian von Corneto als einer der elegantesten Ciceronianer. Die Verdienste von Gelehrten wie Augustinus Valdus, Janus Parhasius, Julianus Camers, Petrus Sabinus, Longolius, Bonamicus, Latinus Juvenalis hat die Geschichte der Kultur der lateinischen Sprache verzeichnet; wir begnügen uns in bezug auf das römische Leben der Wissenschaft, die damaligen Leistungen in der antiquarischen Stadtbeschreibung und der Historiographie zu bemerken.

Die Schule des Pomponius und Blondus wurde fortgesetzt. Seit Julius II. wurden bereits Ausgrabungen gemacht, um Kunstschätze ans Licht zu ziehen. Man durchforschte die Altertümer und sammelte Inschriften, und diese Tätigkeit fand ihren Mittelpunkt in der römischen Akademie. Noch der Zeit Julius' II. gehören ein paar unbedeutende Stadtbeschreibungen an, die »Colectanea de Urbe Roma« des Fabricius Varanus, Bischofs von Camerino, ein Auszug aus Blondus, die »Descriptio Urbis« des Raffael Maphaeus von Volterra und die bekannte Arbeit des Florentiners Franciscus Albertinus. Dieser Antiquar nahm den Titel der Mirabilien wieder auf, versuchte aber doch eine Stadtbeschreibung auf Grundlage des Blondus. Sie hat Wert durch manche Angaben über den damaligen Zustand von Bauwerken und Altertümern. Auch nahm Albertini Inschriften auf. Er widmete sein Buch Julius II., dessen Nepot Galeotto ihn dazu angeregt hatte. Alle diese Stadtbeschreibungen gab Mazochi, der Buchhändler der römischen Akademie, heraus. Er druckte im Jahr 1521 auch die erste bedeutende Sammlung antiker Inschriften Roms. In der Widmung seines Werks an Mario Maffei beklagte er den Untergang zahlloser Inschriften beim Häuserbau und durch Kalkbrennen. Mit Recht nannte er die Mühe des Sammelns eine herkulische. Er konnte die Unvollständigkeit seiner Arbeit auch damit entschuldigen, »daß zahllose Inschriften jeden Tag neu ans Licht kamen, ja gleichsam aus der Erde emporwuchsen«. Rom war mit Marmortafeln überstreut. In den Wänden und Fußböden der Kirchen, in den Höfen und Treppenhäusern der Paläste und an tausend Stellen in Ruinen gab es Inschriften, die heute nur noch zu einem kleinen Teil an ihrem Ort gesehen werden. Der Sammler für Mazochi war Albertini. Er benutzte auch die Handschriften des Cyriacus, des Signorili, Sabino, Fra Giocondo. So entstand ein, wenn auch unvollkommenes und nicht korrektes, aber doch höchst schätzbares Werk, die Grundlage der römischen Epigraphik.

Schon war Andreas Fulvius tätig, der sich Antiquarius Sabinus nannte, Mitglied der Akademie und glücklicher Nacheiferer des Blondus war. Er beschrieb zuerst die Altertümer der Stadt in einem lateinischen Gedicht, welches er im Jahre 1513 Leo überreichte. Der Papst brachte ihn auf den vernünftigen Gedanken, dies in Prosa umzuwandeln, und so entstand das schätzbare Werk »Von den Altertümern Roms«, der erste leise Fortschritt über jenes von Blondus. Fulvius vollendete seine Arbeit erst unter Clemens VII., dem er sie widmete. Sie wurde im Jahre 1527 gedruckt. Auf sie folgte dann 1534 das epochemachende Werk des Mailänders Marlianus. Es ist der Bemerkung wert, daß sich die Altertumskunde auch über das Römische auszudehnen und den Orient in ihren Bereich zu ziehen begann. Denn Calcagnini und Pierio Valeriano von Belluno verfaßten Schriften über ägyptische Altertümer. Valerianos Werk über die Hieroglyphen mochte durch die Obelisken Roms angeregt worden sein. Dieser gelehrte Antiquar, der auch die Altertümer Bellunos beschrieb, einer der besten lateinischen Dichter jener Zeit, lebte seit 1509 in Rom, wo er der Liebling Leos X. und der innigste Freund des Kardinals Aegidius von Viterbo war. Architekten zeichneten die antiken Gebäude Roms; so Baldassare Peruzzi, dessen Zeichnungen Sebastiano Serlio von Bologna für sein Werk über die Architektur benutzte. Noch bewahrt die Bibliothek Barberini das Skizzenbuch des ältern Sangallo mit vielen Aufnahmen römischer Denkmäler. Voll Leidenschaft ergriff Raffael in seiner letzten Zeit die Idee eines Gesamtplans der alten Stadt, wobei die Monumente bildlich hergestellt werden sollten. Er unterstützte die Studien seines Freundes Fulvius, mit dessen wissenschaftlicher Hilfe er selbst Rom durchwanderte. Er vermaß Monumente und ließ nach den Spuren anderer graben. Die Regeln des Vitruv beherrschten damals die Theorie der Architektur. Die erste kritische und illustrierte Ausgabe dieses Autors war im Jahre 1511 in Venedig besorgt worden durch Fra Giocondo von Verona, den gelehrten Baumeister und Antiquar, den Genossen des Aldus. Raffael, welcher Vitruv eifrig studierte, ließ ihn zu seinem eigenen Gebrauch ins Italienische übersetzen durch Marco Fabio Calvi von Ravenna, der schon den Hippokrates übersetzt hatte. Dieser gutmütige Greis lebte im schwelgerischen Rom als ein bedürfnisloser Diogenes und meist im Hause Raffaels.

Der große Künstler hatte als Architekt des St. Peter das Amt eines Kustos aller Altertümer Roms und des Stadtgebietes erhalten, so daß ihm jede Ausgrabung gemeldet werden mußte; dies brachte ihn in praktische Beziehung zu den Antiquaren und auf den Gedanken, einen bildlichen Plan von Rom zu machen, worauf Leo X. mit Begier einging. In einem merkwürdigen Brief setzte ihm der Künstler seine Idee auseinander. Er beginnt darin mit der Klage über die Zerstörung der erlauchten Königin der Welt, von welcher er nur noch das Gerippe übrig sehe. Die Schuld davon mißt er Goten und Vandalen, dann auch früheren Päpsten bei, welche die herrlichsten Denkmäler untergehen ließen, um daraus Kalk zu brennen. Er zählt antike Gebäude auf, die er selbst in Rom zerstören sah; die Meta des Romulus, den Eingangsbogen an den Thermen Diokletians, den Cerestempel an der Via Sacra, das Forum Transitorium, einen großen Teil der Basilika am Forum und so viele schöne Säulen, Friese und Architrave. Er sagt sodann, daß er von Leo den Befehl erhalten habe, das alte Rom, so weit es möglich sei, zu zeichnen und die antiken Gebäude bildlich herzustellen.

Der Brief Raffaels gehört ins Jahr 1518 oder 1519. Wirklich entwarf der Künstler den antiquarischen Plan Roms nach den vierzehn Regionen; und noch wenige Tage vor seinem Tode hatte er solche Zeichnungen gemacht. Fulvius, sein wissenschaftlicher Ratgeber, und andere Zeitgenossen reden davon: Calcagnini rühmte Raffaels Unternehmen als das Werk eines himmlischen Genius und verfaßte darauf Distichen. In Versen beklagte auch Castiglione, welcher wohl an diesem Plan viel Anteil hatte, dessen Unterbrechung durch den Tod des großen Künstlers. Raffael hatte nur die erste Region vollendet, und von diesen Zeichnungen ist leider nichts erhalten oder bis jetzt entdeckt worden. Da er sich auch der wissenschaftlichen Dienste des Calvo bedient hatte, so muß ein Werk dieses Antiquars mit dem Unternehmen Raffaels in Verbindung gestanden haben; nämlich das »Abbild der antiken Stadt Rom mit den Regionen«, welches im Jahre 1532 erschien. Aber diese Schemata der Regionen, rohe Abbildungen in Holzdruck, sind von auffallend kindlicher und unbeholfener Natur. Wenn nun die Versuche einer bildlichen Wiederherstellung Roms, wie sie seit Pirro Ligorio in der Mitte des XVI. Jahrhunderts bis auf Canina fortgesetzt worden sind, auch nur einen zweifelhaften Wert haben, da wohl Raffael selbst daran gescheitert wäre, so wirkte doch der Versuch des unsterblichen Künstlers fort, und ohne seinen Vorgang würde der große Stadtplan des Leonardo Buffalini kaum entstanden sein.

Während nun die antiquarische Wissenschaft sich fortentwickelte, verstummte die Stadtgeschichte. Die städtische Chronik fand keinen Bearbeiter mehr nach Infessura, da die bürgerliche Geschichte Roms abgeschlossen war. Es gibt zwar in den Bibliotheken der Stadt noch römische Tagebücher aus dem Anfange des XVI. Jahrhunderts, doch sie sind nur flüchtige Aufzeichnungen. Paris de Grassis setzte das Diarium Burkards fort, und diese geistlose Arbeit ist für die Kenntnis der Regierung Julius' II. sehr wichtig. Sein Zeit- und Amtsgenosse Blasius Baroni Martinelli von Cesena schrieb gleichfalls ein Diarium, welches die Regierungen der Päpste vom Januar 1518 bis zum Januar 1538 umfaßt, aber sehr dürftig ausgefallen ist.

Die Geschichte der Zeit fand Darsteller in Rom. Hier ist vor allem Sigismondo dei Conti zu nennen, ein gebildeter Humanist und teilnehmender Augenzeuge der merkwürdigen Ereignisse während der Regierung vieler Päpste bis zum Ende Julius' II. Conti war aus einem angesehenen Geschlecht der Stadt Foligno, von wo er in seiner Jugend nach Rom kam; er glänzte hier durch seine Talente, wurde Mitglied der römischen Akademie und apostolischer Scriptor unter Sixtus IV. Im Jahre 1480 begleitete er den Kardinal Julian, den nachmaligen Julius II., auf seiner belgischen Legation. Zwei Jahre später schickte ihn Sixtus IV. als seinen Gesandten nach Venedig, den Frieden mit dieser Republik zu vermitteln. Conti war apostolischer Sekretär auch unter den folgenden Päpsten und zuletzt Präfekt der Reverenda Fabbrica von St. Peter, in welcher Stellung er Gelegenheit hatte, sich mit Raffael innig zu befreunden. Der große Künstler malte für ihn die sogenannte Madonna di Foligno und stellte auf diesem Bilde ihn selber im Porträt dar. Conti starb im hohen Ansehen, achtzig Jahre alt, im Februar 1512.

Er hinterließ eine lateinisch geschriebene Geschichte seiner Zeit in siebzehn Büchern, welche die Epoche von Sixtus IV. bis auf Julius II. (1475–1510) behandelt. Sie ist erst im Jahre 1883 in Rom gedruckt worden. Er hat sie in der Muße seines Alters geschrieben, aus eigener Erinnerung und mit Hilfe von Urkunden, in deren Besitz er selber war oder leicht gelangen konnte. Dies Werk sollte vor allem ein literarisches Produkt sein, worin der Verfasser durch Stil und Sprache zu glänzen hoffte; aber es besitzt nichts von der Kunst eines Jovius. Es ist ein kraftloses Zeitgemälde, ohne jeden Blick des Staatsmannes, ohne jede Treue des Diaristen und ohne die ernste Wahrheitsliebe des Geschichtschreibers. Der Verfasser ist überall der Lobredner des Papsttums und der Päpste, die er behandelt. Wo man bei ihm neue Aufschlüsse über die Hauptpersonen der Zeit sucht, wie ganz besonders über Alexander Borgia, findet man sie nicht. Für die Verbrechen dieses Papsts und seines Hauses hat Conti nirgends ein Gefühl sittlicher Entrüstung verraten. Er war freilich der Sohn seiner Zeit, ein Epikuräer und heiterer Lebemann. Gleichwohl verdiente seine Geschichte den Druck, denn sie vervollständigt die Reihe zeitgeschichtlicher Berichte und bestätigt deren Angaben oder ergänzt sie durch Einzelheiten. Das Anziehendste in ihr ist immer dies, zu erkennen, wie ein Augenzeuge aus den höchsten Kreisen des päpstlichen Rom Menschen und Dinge aufgefaßt hat.

Eine allgemeine Geschichte schrieb der Kardinal Aegidius. Sie blieb ungedruckt. Als ein ungeheuerliches Gemisch von Theologie und Geschichte ist sie auch nicht des Druckes wert. Aegidius Canisius war um 1470 in Viterbo geboren, jung Augustiner geworden, unter Alexander VI. nach Rom berufen. Er glänzte sodann als lateinischer Kanzelredner; mit einer vielbewunderten Rede eröffnete er das Konzil am 7. Mai 1512. Schon war er General seines Ordens; im Jahre 1517 wurde er Kardinal, 1518 Legat bei Karl von Spanien. Er starb am 21. November 1532 in Rom, wo er in der Augustinerkirche begraben liegt. Aegidius, ein wahrheitsliebender Mann, welcher nie die verderbten Zustände der Kirche verkannte, lebte nur für seine vielumfassenden Studien. Er war Latinist und Hellenist, er lernte Chaldäisch und Hebräisch, Türkisch, Persisch und Arabisch. Er erklärte den Talmud, schrieb über die hebräische Grammatik, verfaßte biblische Textkritiken, Abhandlungen über Plato und Aristoteles und theologische Schriften. Diese Ausbreitung des Wissens hinderte ihn, ein monumentales Werk zu schaffen. Der Katalog seiner meist ungedruckten Schriften zeigt eine erstaunlich große literarische Tätigkeit. Glücklicher war sein Zeitgenosse Raffael von Volterra, aus dem gebildeten Hause Maffei, ein Sohn Gherardos, welcher unter Pius II. Professor des Rechts in Rom gewesen war. Hier lebte Raffael meist seit 1466 als Sekretär mehrerer Päpste. Dieser fromme und ernste Mann verfaßte ein für seine Zeit merkwürdiges Werk »38 Bücher städtischer Kommentare«. Er behandelte darin gruppenweise alle Wissenschaften und stellte so eine Enzyklopädie alles Wissenswürdigen zusammen. Dies Werk erstaunlichen Fleißes widmete er Julius II. Er hat darin die kurzen Lebensbeschreibungen von einigen Päpsten der Renaissancezeit eingeführt und alte wie neue Geschichte in alphabetischer Folge berühmter Männer behandelt.

Der lateinische Geschichtschreiber Roms in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts ist Paulus Jovius. Er war in Como am 14. April 1483 geboren, Zögling seines gelehrten Bruders Benedikt, Schüler Pomponazzos, ursprünglich Arzt. Im Jahr 1516 kam er nach Rom, wohin er die Anfänge seines Geschichtswerkes mitbrachte. Er hatte daraus dem Papst einiges vorgelesen, und dieser erklärte, daß seit Livius nichts Schöneres geschrieben worden sei. Seither blieb Jovius in Rom. Clemens VII. machte ihn im Jahre 1528 zum Bischof von Nocera. Da er die Kardinalswürde nicht erhielt, ging er um 1549 auf seinen Landsitz nach Como. Er starb zu Florenz am 11. Dezember 1552.

Das Hauptwerk des Jovius umfaßt die Geschichte der Völker und Staaten von 1494 bis 1547 mit Lücken, die aus dem Verlust einiger der 45 Bücher des Ganzen entstanden sind. Um dasselbe reihen sich Biographien berühmter Zeitgenossen: Alfonsos I., Consalvos, der Päpste Leo X. und Hadrian VI., Pescaras, des Kardinals Pompeo Colonna, Zeitbilder voll von vorzüglicher Beobachtung und reich an Stoff; sodann die Elogia berühmter Männer älterer und neuerer Zeit. Jovius wurde dazu durch Bildnisse veranlaßt, die er im Museum seiner schönen Villa gesammelt hatte. Schon der Gedanke, solche zu vereinigen, zeigt die Erweiterung des Horizonts für den Blick des Italieners. Obwohl die meisten Elogien Italienern angehören mußten, so hat doch Jovius auch Deutsche, wie Agricola, Reuchlin, Erasmus, Agrippa, Pirkheimer, Albert Kranz, und Engländer, Brabanter, Griechen, Franzosen, Spanier darin aufgenommen und am Schluß seiner Porträts sich an alle bedeutenden Männer Europas mit der Bitte gewendet, ihm zu deren Ergänzung behilflich zu sein.

Jovius machte Beschreibungen des Sees von Como, Englands, Rußlands und verfaßte Kommentare über die Türkei. Er schrieb nur eine Schrift italienisch über die Mottos und Devisen, Spielereien, die damals Mode waren. Italien erhielt in dieser Zeit, wo sein politisches Leben endete, seine großen nationalen Geschichtschreiber. Aber während Machiavelli, Guicciardini und Varchi italienisch schrieben, blieb Jovius Latinist. Er wurde deshalb nur von Gelehrten gelesen und forderte die Kritik seines Stils heraus. Doch kommt es weniger auf diesen an als auf den Gehalt seiner Werke. Jovius selbst bekannte, daß er des Vorteils wegen schreibe, bald mit silberner, bald mit goldener Feder. Er ist charakterlos, selbst boshaft. Aber Dinge und Personen sieht er mit dem Blick des erfahrenen Weltmannes, und oft behandelt er sie mit Freimut. Dagegen besitzt er weder den Geist des Staatsmannes noch des Kulturhistorikers. Sein Talent erinnert an Aeneas Silvius. Seine Werke, ohne künstlerische Anlage wie ohne Tiefe des Gedankens, sind mehr oder weniger Darstellungen von Personen und Begebenheiten, worin nicht dem inneren Gewebe der Zeit nachgespürt, diese aber doch charakteristisch beleuchtet wird. Man kann sie ein römisches Produkt nennen, da sie wesentlich in Rom entstanden, wo Jovius meist sein Leben zubrachte und die hervorragenden Menschen genau kannte. Seine Schriften, namentlich die biographischen, haben den Reiz persönlichen Lebens. Es ist eine Art geschichtlicher Freskomalerei.

Neben der Kultur des Lateinischen wurden in Rom, obwohl mit weniger Erfolg, auch die griechischen Studien fortgesetzt. Sie waren seit Bessarion nicht erloschen, aber sie fanden hier nicht so viel Pflege wie in Florenz und Venedig. Dort hatte sich die Schule Politianos, hier die des Aldus gebildet, und mit diesen beiden Mittelpunkten standen fast alle Hellenisten in Berührung. Zu Venedig war schon um 1497 die erste griechische Grammatik des Urbanus Valerianus gedruckt worden. In Rom hatte um 1507 Cornelius Benignius aus Viterbo eine neue Ausgabe des Ptolemaeus besorgt; Julius II. hatte sodann im Jahre 1508 den Hellenisten Scipio Fortiguerra von Pistoia oder Karteromachus als Lehrer Galeottos nach Rom berufen. Ein anderer Schüler Politianos und Günstling jenes Papsts, Guarino von Favera aus der Mark Camerino (Varinus, Phavorinus oder auch Camers genannt), hatte im Jahre 1496 den ersten Thesaurus griechischer Sprache für Aldus zusammengestellt. Er wurde Bischof von Nocera und diente Leo X. als Kustos seiner Privatbibliothek. Ihm widmete er im Jahre 1517 seine lateinische Übersetzung der von Johann Stobaeus gesammelten griechischen Apophtegmen; dann verfaßte er das griechische Wörterbuch, welches um 1523 durch Kalliergus im Druck erschien. Er starb zu Nocera im Jahr 1537.

Kaum war Leo X. Papst geworden, so berief er den berühmten Johannes Laskaris nach Rom, einen Mann von erlauchter byzantinischer Familie, der noch bei Bessarion ein Asyl gefunden hatte, dann bei Lorenzo Medici in Gunst gekommen und von Karl VIII. nach Frankreich geführt worden war, wo Budaeus sein Schüler wurde. Jahrelang diente er Ludwig XII. als Gesandter in Venedig. Unter seiner Leitung stiftete nun Leo eine Schule griechischer Literatur, das Gymnasium Caballini montis, im Palast des Kardinals von Sion. Er berief im Jahre 1516 auch des Laskaris Schüler, den Kretenser Marcus Musurus, welcher in Padua und Venedig mit Ruhm gelehrt und dem Papst ein Lobgedicht auf Plato am Schlusse der aldinischen Ausgabe dieses Autors gewidmet hatte. Zum Lohn erhielt er das Bistum Malvasia, doch starb er schon im Jahre 1517 in Rom. Im quirinalischen Gymnasium fanden auch junge Griechen Aufnahme, die der Papst auf den Rat des Laskaris und des Musurus herbeizog. Diese beiden Hellenen waren auch als Latinisten so bedeutend, daß sie Erasmus bewunderte. Neben ihnen genoß Basilius Chalkondyles Ruf, der Sohn des berühmten Demetrius.

Leo richtete eine griechische Druckerei ein, woraus in den Jahren 1517 und 1518 die Scholien zum Homer, zum Sophokles und die homerischen Quästionen des Porphyrius hervorgingen. Doch hatte schon vorher Chigi in seinem Hause eine griechische Presse aufgestellt, und hier war um 1515 das erste griechische Buch überhaupt in Rom gedruckt worden, die von Cornelius Benignius besorgte Ausgabe Pindars, welcher ein Jahr später der Theokrit folgte. Der Drucker war Zacharias Kalliergus aus Kreta.

Laskaris verließ Rom im Jahr 1518, um die königliche Bibliothek in Fontainebleau einzurichten. Sodann war er nochmals Gesandter Franz' I. in Venedig. Er kam unter Clemens VII., hierauf unter Paul III. wieder nach Rom und starb hier neunzigjährig im Jahr 1535. Zu St. Agatha auf dem Quirinal liegt dieser berühmte Mann begraben; rührende Inschriften, die er seinem Weibe Katharina, der Tochter des Rhallus von Sparta, und endlich sich selber setzte, beklagen das Los des Exils und danken Italien für die Gastfreundschaft, die es den hoffnungslosen Enkeln von Hellas gab:

Hier ruht Laskaris, zwar in des Auslands Boden ein Fremdling,
    Gastfreund, aber er nennt nicht sich zu fremde das Land.
Mild ja war's ihm gesinnt, nur trauert er, daß den Achäern
    Nimmer vergönnt ist zu ruhn, frei im heimischen Grab.

Laskaris, größer durch sein persönliches Wirken als seine wenigen Schriften, beschloß die Reihe jener ausgezeichneten Griechenflüchtlinge, die mit Chrysoloras in Italien erschienen waren. Seine Schüler, Erasmus und Budaeus, trugen die griechischen Studien in ihre Heimatländer, wo sie weiter blühten, während sie in Italien um die Mitte des XVI. Jahrhunderts abstarben. Das hohe Ansehen der italienischen Humanisten überhaupt verfiel. Schon Gyraldi konnte es wagen, seinem Freunde Gianfrancesco Pico eine Satire gegen die Gelehrten zu widmen, worin er ihre Nichtigkeit wie ihre Laster geißelte. Diese merkwürdige Schmähschrift ist der Ausdruck der bis zum Ekel gesteigerten Übersättigung durch die humanistische Kultur, welcher der feste Grund des freien Nationallebens in Italien fehlte. Jovius richtete am Schluß seiner Elogia diese melancholischen Abschiedsworte an das Gelehrtentum seiner Nation, welches seine Herrschaft in Europa verlor. »Es scheint durch den Wechsel der Gestirne geschehen zu sein, daß jener eiskalte Nordhimmel Deutschlands die einst dort rohen und trägen Geister gemildert und erregt hat. Sie begnügen sich nicht mehr mit dem alten Kriegsruhm, der festen Zucht und trotzigen Kraft, durch welche sie die Ehren des Mars den Römern entrissen haben, sondern auch die Zierden des Friedens, die Wissenschaften und die Blüte der Kunst haben sie dem ausgebrannten Griechenland und dem entschlafenen Italien geraubt. Denn noch in unserer Väter Zeiten wurden zuerst Baumeister, dann Maler, Bildhauer, Mathematiker, geschickte Handwerker, Brunnenmeister und Feldmesser aus Deutschland geholt. Kein Wunder, da sie uns die wunderbare Erfindung des Buchdrucks und die schrecklichen Geschütze von Erz gebracht haben. Doch ist wohl dies feindliche Jahrhundert ihnen nicht so ganz eine segensreiche Mutter, uns nicht so ganz eine unmilde Stiefmutter, daß uns nichts von dem alten Erbe übrigbleiben sollte. Wenn wir uns nach dem fast gänzlichen Verlust der Freiheit noch ein wenig rühmen dürfen, so halten wir ja noch das Kapitol unvergänglicher Beredsamkeit, in welchem wir, wenn es den Musen gefällt, den reinen echt römischen Geistesadel gegen die Fremden verteidigen. Auf diesem Posten muß jeder Bürger sorgsam wachen, damit wir unter der Fahne des Bembo und Sadoleto den Rest der großen Hinterlassenschaft unserer Väter heldenhaft behaupten. Aber ach! dieser Trost unseres Elends ist fast nichtig; denn nicht ohne unser Verschulden ging die bei uns zerstörte Freiheit unter, und nur sie ist die Ernährerin der Studien, welche alles Edle und Schöne erwecken und verbreiten kann.«


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