Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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2. Paschalis baut die Kirchen St. Caecilia in Trastevere, S. Prassede auf dem Esquilin, S. Maria in Domnica auf dem Coelius.

Von Paschalis I. bewahrt Rom noch einige ausgezeichnete Denkmäler. Selbst sein Bildnis (eine Seltenheit unter den Päpsten so alter Zeit) hat sich in drei Musiven erhalten, welche dasselbe tonsurierte Haupt und längliche Gesicht zeigen. Die damalige Kunst konnte Porträtähnlichkeit freilich nur in Umrissen erreichen. Diese Bilder sieht man in drei von Paschalis erneuerten Kirchen, Caecilia in Trastevere, Prassede auf dem Esquilin und Maria in Domnica auf dem Coelius.

Caecilia ist die musikalische Muse im Himmel römischer Heiliger; ihr schrieb die spätere Legende die Erfindung der Orgel zu, und das Genie Raffaels hat sie in einem seiner schönsten Gemälde in dieser musenhaften Erscheinung verklärt. Die Phantasie der christlichen Kunst erschuf kaum eine graziösere Gestalt als sie. Eine Nationalheilige wie Agnes, war sie der Liebling aller edlen Matronen Roms, welche in ihr die erlauchte Enkelin aus dem Geschlecht der Meteller zu verehren glaubten. In den Zeiten tiefster Barbarei schwebten diese Mädchengestalten, Caecilia und Agnes, wie lichte Ideale der Tugend durch das finstere Rom. Die Legende erzählt, daß Caecilia dem jungen Valerian vermählt war. Sie erklärte ihm in der Brautnacht, ein himmlischer Engel sei der Wächter ihres jungfräulichen Heiligtums; der bestürzte Jüngling begehrte diesen unbequemen Cherub zu sehen, und er erblickte ihn, nachdem er, durch das überirdische Wesen seiner Braut gerührt, die Taufe vorn Bischof Urban empfangen hatte. Caecilia starb als Märtyrerin am 22. November 232 mit drei Schwertwunden an ihrem Nacken. Sterbend hatte sie den Bischof gebeten, ihr Haus in Trastevere zu einer Kirche einzurichten. Urban bestattete sie in goldgestickten Gewändern, in einem Sarge von Zypressenholz, welchen ein steinerner Sarkophag umschloß, und so wurde die Heilige in den Katakomben des Calixtus an der Via Appia niedergelegt. Ihre Kirche, eine der ältesten Roms, war schon im V. Jahrhundert Titel eines Kardinals. Paschalis sah sie verfallen und baute sie neu. Er wünschte in ihr die Leiche der Heiligen beizusetzen, fand sie jedoch in den Katakomben nicht auf und glaubte daher, daß sie von den Langobarden unter Aistulf entführt worden sei. Eine Vision kam ihm zu Hilfe; in der Morgendämmerung eines Sonntags vor der Konfession St. Peters einschlafend, sah er eine engelhafte Mädchengestalt vor sich stehen. Sie sagte ihm, daß sie Caecilia sei, versicherte ihn, daß die Langobarden ihre Asche nicht gefunden hätten, und nachdem sie den Papst ermuntert hatte, in seinen Nachforschungen fortzufahren, verschwand sie. Paschalis fand Caecilia im Coemeterium des Praetextatus, ruhend in goldenen Gewändern neben dem Jünglinge Valerian, der ihr einst in den Tod gefolgt war.

Der Neubau ihres Tempels war eine nicht geringe Leistung der damaligen Kunst. Die große Basilika hatte innen eine Emporkirche mit doppelter Säulenstellung nach dem Muster jener in S. Agnese. Eine spätere Zeit hat sie umgestaltet, doch den alten Plan nicht wesentlich zerstört. Ein großes Atrium, damals von Säulenportiken umgeben, liegt vor der Kirche. In diese führt das noch erhaltene Vestibulum. Sein Dach tragen vier antike jonische Säulen und zwei Pfeiler mit korinthischen Kapitellen an jedem Ende. Der Fries hat rohen Musivschmuck von Medaillons über jeder Säule und jedem Pfeiler, die Heiligen darstellend, deren Reste Paschalis in die Konfession niedergelegt hatte. Auf den Wänden der Vorhalle wurde vielleicht im XIII. Jahrhundert die Geschichte Caecilias gemalt, wovon noch jener Rest erhalten ist, welchen man jetzt im Innern der Kirche eingemauert sieht. Er stellt die Bestattung der Jungfrau durch Urban und ihre Erscheinung vor Paschalis dar: der Papst schlummert, während die Mädchengestalt vor ihm steht; ein sehr merkwürdiges Bild, dessen unbeholfene Zeichnung und Farbentöne für ein bedeutendes Alter sprechen. Der Zeit des Paschalis kann es nicht angehören, aber wohl der Epoche Honorius' III. Der Gegenstand selbst ist so anmutig und zart wie ein lyrisches Gedicht.

Das Innere der Kirche (welches heute sehr verändert ist) bestand aus drei Schiffen. Je zwölf Säulen im Mittelraum trugen die Emporkirche, vier am Eingange den Chor; eine Unterkirche bewahrte die Gruft der Heiligen. Die Mosaiken der Tribune haben sich noch erhalten: in der Mitte Christus im goldgelben Gewande, in der Linken eine Rolle, stehend zwischen St. Peter und St. Paul, deren Figuren durchaus barbarisch sind. Rechts vom Beschauer neben St. Petrus Caecilia und Valerian, ihre Marterkronen darbringend, links neben St. Paul eine Heilige, vielleicht Agatha, und Paschalis, eine lange Gestalt mit großen Augen, ein blaues Quadrat hinter dem Haupt, das Abbild seiner Basilika in den Händen. Palmen schließen das Musiv, und ein feuerroter Phönix ist über einem Zweige sichtbar. Unter dem Gemälde stehen Christus und die Jünger in dem üblichen Bilde von Lämmern, und endlich preisen Distichen das Werk des Paschalis. Der Stil dieser Musive (die auf den Bogen der Tribune gingen unter) ist byzantinisch, und selbst die Figur Christi segnet auf griechisch mit drei an den Daumen gelegten Fingern. Ihre Ausführung ist sehr roh; die langen, dürren Körper sind nicht durchgezeichnet, nicht Licht noch Schatten verteilt, die Falten nur mit dicken Strichen angedeutet. Das Werk mag byzantinischen Künstlern angehören, um so mehr, als Paschalis die Griechen, deren er viele in Rom aufnahm, sehr begünstigte.

Sein zweiter Neubau ist Sancta Praxedis auf dem Esquilin, wovon er selbst Kardinal gewesen war. Nach einer Dauer von Jahrhunderten war diese uralte Basilika dem Einsturz nahe; er ließ sie abtragen und baute eine völlig neue Kirche auf. Sie steht noch heute, im Lauf der Zeit innerlich verändert, wenn auch nicht so durchaus wie St. Caecilia. Ihre Anlage ist dieser ähnlich. Von der Subura führt eine Treppe von fünfundzwanzig Stufen zu ihrem Vorhof empor, der jetzt nicht mehr benutzt wird, weil der Eingang an die Seite verlegt ward. Schlanke antike Granitsäulen mit korinthischen Kapitellen teilen das Innere in drei Schiffe, ohne Emporkirche. Das erhöhte Presbyterium endet in der Tribune, welche gleich dem Triumphbogen noch die alten Musive schmücken. Eine figurenreiche Vorstellung bedeckt dessen Oberwand: Heilige mit ihren Kronen, Christus mit dem Globus, zwischen Engeln über Jerusalem sich erhebend, Männer, welche in diese von Engeln bewachte Stadt streben. Auf den Seitenwänden Scharen von Gläubigen wie auf dem Triumphbogen in St. Paul. In der Tribune selbst steht der Heiland in goldenem Gewande, die Schriftrolle in der Hand. Man bemerkt, daß der Künstler die Figur Christi im Musiv von Cosma und Damianus zum Modell genommen hat. Links vor ihm Paulus, mit einem Arm Santa Prassede umfassend, welche die Krone in den Händen trägt, während zur Seite Paschalis, das blaue Quadrat hinter dem Haupt, ihr die Kirche entgegenbringt. Rechts St. Petrus und St. Pudentiana in ähnlicher Gruppe und der heilige Zeno mit einem Buch. Die Palmen und der Phönix fehlen nicht; unter dem Ganzen der Fluß Jordan, darunter Christus und die Jünger als Lämmer samt den beiden goldenen Städten und endlich die übliche Inschrift in Distichen. Der Bogen der Tribune zeigt wie in St. Caecilia auf dem inneren Rande das Monogramm Paschalis', und oben sind auf demselben das thronende Lamm, die sieben Leuchter, je zwei Engel, die apokalyptischen Symbole der Evangelisten und die ihre Kronen darbringenden Ältesten abgebildet. Indem sich der Künstler auch hier an die Muster in St. Cosma und Damianus hielt, brachte er Leidliches zustande; namentlich sind die Engel nicht ganz ohne Grazie der Bewegung.

In derselben Kirche baute Paschalis dem römischen Märtyrer Zeno aus Diokletians Zeit eine kleine Kapelle, ein merkwürdiges Monument damaliger Kunst, heute noch völlig erhalten. Sie ist ganz mit Mosaik überdeckt und galt einst für so schön, daß sie »der Garten des Paradieses« genannt wurde. Aber trotzdem sind ihre Mosaiken noch barbarischer als jene der Tribune, welche wenigstens einige gute traditionelle Züge, namentlich in den Figuren der Frauen, haben.

Das große Mosaikbild in S. Prassede ist übrigens das beste Denkmal einer Epoche, wo die musivische Kunst, schon von dem sogenannten Byzantinismus durchdrungen, nur noch ein letztes schwaches Aufflammen vor dem Erlöschen zeigte. Es ist möglich, daß auch dort griechische Künstler arbeiteten, denn Paschalis hatte neben der Kirche ein Kloster für Mönche vom Orden des Basilius erbaut. Die damals neu erwachende Bilderverfolgung im Orient, wo Leo der Armenier die Grundsätze des isaurischen Leo wieder aufgenommen hatte, trieb manchen griechischen Mönch und Maler nach Rom und erzeugte hier neue Beziehungen zu dem byzantinischen Wesen.

Auf dem Coelius steht die uralte Diakonie S. Maria in Domnica (griechisch Kyriaka), heute »vom Schiffchen« ( della navicella) genannt, weil das moderne Abbild eines antiken Votivschiffes dort aufgestellt ist. Auch ihr gab Paschalis ihre heutige Gestalt in der Form einer Basilika von drei Schiffen, da je neun antike Säulen von Granit das Hauptschiff bilden. Leider sind die Mosaiken der Tribune durch Restauration verdorben worden. Sie stellen die thronende Jungfrau mit dem Kinde dar, Engel zu ihrer Seite, während der kniende Paschalis mit beiden Händen ihren rechten Fuß umfaßt. Bunte Blumen sprießen aus dem Boden auf.

Wir übergehen die zahlreichen Oratorien und Kapellen, welche derselbe Papst in andern Kirchen errichtet hatte; nur eine Mitteilung ist noch der Bemerkung wert: sein Lebensbeschreiber erzählt, daß ein Brand das Sachsenviertel im vatikanischen Gebiet (es wurde schon damals mit dem germanischen Wort burgus genannt) in Asche legte und auch den ganzen Porticus des St. Peter zerstörte, daß der Papst herbeieilte und durch Gebete die Flammen stillte, daß er endlich jenes Viertel wieder aufgebaut und den Porticus hergestellt habe.


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