Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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4. Maximilian in Konstanz Mai 1507. Ankündigung seines Romzugs. Krieg mit Venedig. Liga zu Cambrai. Schlacht von Agnadello. Not der Venetianer. Versöhnung Julius' II. mit der Republik. Plan zur Vertreibung der Franzosen. Julius bannt den Herzog von Ferrara. Zorn Ludwigs XII. Synode in Tours. Chaumont vor Bologna. Julius in Mirandola. Verlust Bolognas. Ermordung Alidosis. Berufung des Konzils in Pisa. Maximilian und das Papsttum. Berufung des Lateranischen Konzils. Krankheit des Papsts. Demokratische Bewegung in Rom. Pompeo Colonna und die römischen Barone.

Mit Hilfe eines Mächtebundes wollte Julius II. die Republik Venedig demütigen und ihr die Romagna entreißen. Er hatte bald nach seiner Rückkehr drei Franzosen, Jean de Tremouille, Louis d'Amboise, René de Prie, und den berühmten Ximenes von Toledo zu Kardinälen gemacht, sich Frankreich und Spanien zu verbinden. Und schon im März 1504 hatte er Nuntien an die Höfe Frankreichs, Spaniens und Maximilians geschickt, um diese Mächte zum Kriege mit Venedig aufzureizen, dessen Herrschsucht den Kirchenstaat und Italien zu verschlingen drohe. Aber Ludwig XII. machte ihm Schwierigkeiten, denn noch war er im Bunde mit Venedig und in tiefer Spannung mit Maximilian. Er argwöhnte, daß der Kaiser den Plan habe, das Haus Sforza in Mailand wieder einzusetzen. Maximilian war erschüttert durch den Tod seines Sohnes Philipp; die Hoffnungen seiner Dynastie ruhten jetzt auf dem Enkel Karl, einem Kinde von sieben Jahren, und wie schwer war es nicht, diesem die Erbfolge in Spanien und im Reich zu sichern. Er wollte jetzt zu einer großen Tat sich entschließen, nach Italien ziehen, die Kaiserkrone in Rom nehmen, die Rechte des Reichs endlich wiederherstellen, Deutschland wieder zu der Höhe erheben, von welcher es herabgesunken war, während Frankreich durch den Besitz Mailands eine so furchtbare Größe erlangt hatte. Auf dem glänzenden Reichstage zu Konstanz im Mai 1507 legte er den Ständen diesen Plan vor, und sie bewilligten ihm die Mittel zur Kaiserfahrt.

Als er dem Papst meldete, daß er zur Krönung kommen wolle, suchte derselbe auszuweichen. Diese Romfahrt drohte ganz Italien in Aufregung zu bringen, vielleicht umzuwälzen. Frankreich und Venedig widersetzten sich ihr; nur die Schweizerkantone erklärten auf ihrer Tagsatzung in Luzern am 29. Januar 1508, daß sie dem Kaiser nicht hinderlich sein wollten. Am 3. Februar ließ Maximilian im Dom zu Trient eine Feier veranstalten, wobei Matthias Lang, der Bischof von Gurk, den Romzug verkündete. Seither nannte sich Maximilian »Erwählter römischer Kaiser«, ohne daß der Papst gegen diesen Titel protestierte. In dieser späten Neuerung sprach Maximilian den Grundsatz aus, daß die in Deutschland fortdauernde Kaisergewalt von der Krönung durch den Papst unabhängig sei.

Die Romfahrt selbst verwandelte sich in einen wütenden Krieg mit den Venetianern, welche, von den Franzosen unterstützt, dem Kaiser den Durchzug durch ihr Land verweigerten. Sie schlugen seine Truppen überall zurück; ihr Feldhauptmann Alviano bedeckte sich mit Ruhm. Görz, Triest und Fiume nahmen sie weg. Immer ohne Geldmittel, immer ohne Festigkeit des Willens, wurde Maximilian des Feldzuges so sehr überdrüssig, daß er schon am 30. April 1508 einen dreijährigen Waffenstillstand mit Venedig schloß. Er war tief erbittert über diese Republik, die seiner Majestät spottete. Jetzt näherte er sich dem Könige Frankreichs, welcher den Venetianern zürnte, weil sie ohne sein Wissen mit dem Kaiser sich vertragen hatten. So unterstützte der Venetianische Krieg unverhofft die Absichten des Papsts.

Der kühne Egoismus der Republik S. Marco war damals allen Staaten furchtbar. Sie herrschte noch ausschließlich im Adriatischen Meer, dem See Venedigs; ihre Banner wehten noch auf allen levantischen Meeren; Candia und Cypern und viele fremde Küsten gehorchten ihr. Aber sie war durch die Entdeckung des indischen Seewegs und die Türkenmacht mit einer sich nähernden Katastrophe bedroht; deshalb wollte sie eine italienische Territorialmacht werden und versuchen (was erst in unsern Tagen dem kleinen Piemont gelang), ob sie von einer Ecke des Nordostens her die Herrschaft über die ganze Halbinsel ergreifen könnte, wie vor Zeiten Rom, dem das wundervolle Wachstum und die Staatskunst Venedigs ähnlich war. Wenn diese große Republik, statt alle Staaten Italiens durch ihre Eroberungslust zu schrecken, das Banner nationaler Unabhängigkeit erhoben hätte, dann würde sie wohl die Retterin Italiens geworden sein. Ihre Flotten hätten Frankreich von Genua, Spanien von Neapel ferngehalten, ihre Heere Mailand geschützt. Sie lag wie ein Bollwerk vor den Alpen Tirols und Istriens; sie war Herrin des Schlüssels zu Italien, des Veroneser Gebiets, welches das Reich beanspruchte. Sie besaß Brescia, Bergamo, Cremona und andere Orte des Herzogtums Mailand, worauf Frankreich Ansprüche erhob. Sie besaß Friaul, welches Österreich verlangte, und apulische Hafenstädte, die Spanien zurückforderte. In der Romagna hatte sie Ravenna, Faenza, Cervia und Rimini in ihrer Gewalt, Städte des Papsts. So hatten alle diese Mächte von Venedig eine Schuld zu fordern.

Julius II. war noch im besondern über die kirchliche Selbständigkeit aufgebracht, welche Venedig behauptete. Vakante Benefizien in ihrem Gebiet wollte die Republik nur an ihre Bürger verliehen haben, und auch sonst wies sie manche Ansprüche der römischen Kanzlei entschieden ab. Zornig sagte Julius eines Tages dem Botschafter Pisani: »Ich will Venedig wieder zu einem Fischerdorf machen.« Der edle Venetianer erwiderte ihm: »Und wir, Heiliger Vater, werden Euch zu einem kleinen Pfarrer machen, wenn Ihr nicht verständig seid.« Dies stolze Wort verschluckte der Papst, doch er vergaß es nicht.

Es gelang ihm endlich, die Großmächte zu vereinigen. Der Kaiser, Frankreich und Spanien schickten ihre Gesandten nach Cambrai, und dort machten Margarethe, Regentin der Niederlande für den unmündigen Erzherzog Karl, und der Kardinal Amboise am 10. Dezember 1508 Frieden und Bündnis. An demselben Tage schlossen diese Mächte und für den Papst Amboise als sein Legat die epochemachende Liga wider Venedig. Julius erkannte die Gefährlichkeit dieses Mittels zur Erwerbung der Romagna; er hoffte anfangs, den Venetianern durch Furcht abzuzwingen, was er begehrte, und dann wollte er die Liga selbst vereiteln. Erst als der Doge Loredano seine letzten Vorschläge, ihm Faenza und Rimini zurückzugeben, abwies, unterzeichnete er am 23. März 1509 den Beitritt zu jenem verhängnisvollen Bunde. Ihm schlossen sich Ferrara, Mantua und Urbino an. Die Florentiner wurden dadurch gewonnen, daß ihnen Frankreich und Spanien Pisa preisgaben.

Die Liga von Cambrai war eine Sinnlosigkeit Ludwigs XII., ein Treubruch Maximilians gegen Venedig und das frivolste Wagnis des Papsts bei einem ganz unverhältnismäßigen Gegenstande, dem Besitz nämlich von ein paar Städten der Romagna. Julius II. lud hier eine nicht mindere Schuld auf sich als einst Alexander VI. zur Zeit Karls VIII. Er setzte das Bestehen des einzigen freien und starken Staats in Italien aufs Spiel, er rief die Großmächte in sein Vaterland und stürzte dies in unabsehbaren Krieg.

Die Republik San Marco sah sich plötzlich von halb Europa bedroht, doch sie verzagte nicht. Es galt für sie, ihre Stellung zu behaupten oder wie Karthago unterzugehen. Die Heere Frankreichs unter Chaumont überschritten schon die Adda, worauf der wütende Papst am 27. April 1509 den Bann gegen Venedig schleuderte. Die ganze Last des Krieges mußte freilich Ludwig XII. auf sich nehmen. Nur langsam zog sich das Heer Maximilians im Norden zusammen, während Francesco Maria Rovere, jetzt Herzog Urbinos durch den Tod Guidobaldos, mit dem päpstlichen Kriegsvolk in die Romagna einbrach. Eine einzige Schlacht, welche Alviano und Nicolaus von Pitigliano bei Agnadello am 14. Mai gegen den König Frankreichs verloren, brachte die venetianische Republik dem Untergang nahe. Alviano selbst geriet in Gefangenschaft, Pitigliano entrann mit der Reiterei. Peschiera, Cremona, Bergamo, Brescia fielen, und nur der Umstand, daß die Sieger am Mincio haltmachten, weil das Gebiet Veronas der für Maximilian vorbehaltene Beuteteil war, hielt den Fall der ganzen Terra Firma auf. Ludwig XII. lieferte gewissenhaft die ihm übersandten Schlüssel der Städte Verona, Vicenza und Padua dem untätigen Kaiser aus, und dieser erteilte ihm, den Artikeln von Cambrai gemäß, in Trient am 14. Juni die Belehnung Mailands.

Die Venetianer taten jetzt wie Schiffbrüchige, welche die Ladung über Bord werfen, um das Fahrzeug zu retten. Erst gaben sie dem Papst Ravenna, Cervia, Rimini und Faenza hin, den Burgvögten befehlend, diese Städte dem Herzog von Urbino zu überliefern und mit den Besatzungen nach Venedig abzuziehen; dann gaben sie die apulischen Seestädte den Spaniern zurück. Aber der Kaiser blieb gleich Ludwig XII. taub gegen die Friedensanerbietungen der bestürzten Republik. Als auch der Papst nichts von Frieden wissen wollte, erhob sich des Dogen Sohn Marco Loredano öffentlich im Senat und riet, bei den Türken Hilfe zu suchen gegen den Henker des Menschengeschlechts, der sich dessen Vater nenne. Vom Bann des Papsts hatten die Venetianer an ein zu berufendes Konzil appelliert; Julius erneuerte deshalb am 1. Juli 1509 die berühmte Mantuaner Bulle Pius' II. Es war in den Stürmen dieses Krieges, daß die verlassene Stadt Pisa, nach jahrelanger heldenmütiger Gegenwehr, in die Gewalt der Florentiner fiel, durch Vertrag am 8. Juni.

Die Eifersucht der Verbündeten und die Langsamkeit des Kaisers retteten indes die Venetianer aus der dringendsten Not. Andrea Gritti nahm am 17. Juli 1509 Padua den Deutschen wieder, und um diese Stadt entbrannte jetzt ein wütender Krieg. Wenig Ehre legte auch hier Maximilian ein, der sich in Trient befand, von den mißtrauischen Franzosen kaum unterstützt und wie immer ganz mittellos. Von Padua im September zurückgeschlagen, verließ er bald darauf den Kriegsschauplatz, um nach Deutschland heimzukehren.

Die glückliche Verteidigung jener Stadt flößte den Venetianern neuen Mut ein; auch den Markgrafen von Mantua hatten sie durch einen Handstreich gefangengenommen, aber ihr Versuch gegen Ferrara auf dem Po wurde im Dezember durch glorreiche Waffentaten Alfonsos und des Kardinals Hippolyt abgewiesen. Der Tod ihres berühmten Generals Nicolaus Orsini von Pitigliano im Februar 1510 war ein nicht minderer Verlust. Gleichwohl begann die Flut des Mißgeschickes schon zu ebben. Aus der schrecklichsten Gefahr retteten die Republik ihre Ausdauer, die Lagunen und die Trennung der Feinde. Dazu kam der Umschwung der Gesinnungen des Papsts. Er sagte sich denn doch, daß die Vernichtung Venedigs das stärkste Bollwerk gegen die Türken zerstören, Italien den fremden Mächten dienstbar, den Kirchenstaat von ihrer Gnade abhängig machen müsse. »Wenn Venedig nicht da wäre, so müßte man es erschaffen«: das rief jetzt eines Tages Julius II. aus. Er besaß nun jene romagnolischen Städte, nebst dem durch die Salinen so wichtigen Cervia. Er blickte voll Genugtuung auf den Besitz des alten Exarchats; er sah die Boten Ravennas zur Huldigung im Vatikan erscheinen, und aus Freude gab er der Gemeinde alle Güter der Polentanen. Der Kardinal Grimani, dessen Vater, der spätere Doge Antonio, im Exil zu Rom lebte, der Kardinal Cornaro drangen in ihn, sich mit Venedig auszusöhnen. Umsonst suchte das Ludwig XII. zu hindern, indem er Alberto Pio nach Rom sandte, den Kardinal von Auch, seinen Bevollmächtigten, zu unterstützen. Die französischen Kardinäle sagten dem Papst: wenn Ihr Venedig absolviert, so werdet Ihr dem Könige einen Dolch ins Herz stoßen.

Der Vertrag mit der Republik ward entworfen: sie verzichtete auf jene Städte und unterwarf sich andern Artikeln in betreff des Benefizialwesens und der geistlichen Gerichtsbarkeit. Der Versuch, ihr die Jurisdiktion auf dem Adriatischen Meer zu nehmen, welche sie von Ravenna bis zum Golf von Fiume beanspruchte, gelang dem Papste nicht. Sechs Gesandte, die edlen Herren Domenico Trevisano, Leonardo Mocenigo, Luigi Malipiero, Paolo Capello, Paolo Pisani und Girolamo Donato, waren schon im Juli 1509 nach Rom gekommen, die Absolution für ihre Republik zu empfangen. Monatelang ward hier unterhandelt, bis die entmutigte Signorie sich dem Willen des Papsts beugte. Man hatte eine besonders demütigende Zeremonie erwartet, doch das wagte der Papst nicht. Es war ein Tag königlicher Größe, als Julius II. (am 24. Februar 1510) über die stolze Gebieterin der Meere triumphierte, die sich vor dem Priester demütigte, welchen sie selbst auf den Heiligen Stuhl erhoben hatte. Die in Scharlach gekleideten Nobili knieten zu seinen Füßen vor der ehernen Pforte des St. Peter, wo er auf dem Throne saß, eine goldene Rute in der Hand. Zwölf Kardinäle hielten das gleiche Symbol der Züchtigung in den Händen. Bei jedem Vers des Miserere erteilte der Papst den Venetianern einen leichten Schlag. Dann legte er ihnen als Buße die Wallfahrt zu den Siebenkirchen der Stadt auf und ließ die Pforten des Doms öffnen, in welchen die Venetianer geführt wurden. Unter dem Jubelruf Roms, begleitet von Scharen des Volks, kehrten die Gesandten in ihre Wohnungen zurück.

Am folgenden Tage ließ sie der Papst zu sich rufen. »Erlauchte Herren Botschafter«, so sagte er ihnen, »wundert euch nicht, daß wir so lange zögerten, das Interdikt aufzuheben. Eure Signorie ist schuld daran; sie hätte unsern Forderungen willfahren sollen; wir bedauern die Zensuren, denen wir sie unterwerfen mußten; wir ermahnen sie, gut mit den Päpsten zu stehen. Nach diesem Akt wird euch keine Wohltat von unserer Seite fehlen.« So durfte damals der Papst zu dem mächtigsten Staate Italiens reden. Sein Sieg über Venedig, den er selbst nur dem Glück zu verdanken hatte, machte ihn furchtbar und groß. Er war jetzt der Mann der Gegenwart, der Mann Italiens. Beim Feste St. Markus ward Pasquino zum Herkules, und zahllose Epigramme verherrlichten den Löwenbändiger Julius. Die Venetianer reisten ab, nur der schöne Girolamo Donato blieb als Botschafter zurück. Als am 1. April Trevisano dem Dogen Bericht erstattete, sagte er: »Der Papst ist sehr klug und ein großer Staatsmann; er ist fünfundsechzig Jahre alt, hat die Gicht und leidet an den Folgen der gallischen Krankheit; doch er ist trotzdem in Kraftfülle und Tätigkeit; er will der Herr und Meister des Spieles der Welt sein.«

Wenn Ludwig XII. die Natur der römischen Staatskunst kannte, so wußte er, daß es keine undankbarere Freundschaft gebe als die eines Papsts. Aber die gewaltsame Art, mit welcher der unberechenbare Julius von einem Extrem zum andern sprang, überraschte ihn doch. Von diesem Priester, der ohne seine Hilfe nichts war, dem er Bologna geschenkt, für den er die Venetianer bekämpft hatte, sah er sich betrogen und verhöhnt. Nach dem Abfall des Papsts von der Liga wollten weder der König noch Maximilian etwas vom Frieden mit Venedig hören. Sie setzten den Krieg fort, welchen die Stimme deutscher und französischer Patrioten forderte. Nun trat Julius entschiedener auf die Seite der Venetianer. Wie er sich Frankreichs bedient hatte, um Bologna zu erobern, so konnte er sich auch Venedigs bedienen, die »Barbaren« aus Italien zu vertreiben. Dazu forderten ihn die italienischen Humanisten in Prosa und Versen auf. Schon im März 1510 hatte er durch Schinner, den Bischof von Sitten, einen fünfjährigen Bund mit den Schweizern gemacht, die mit 15 000 Mann ihres furchtbaren Fußvolks von Wallis in die Lombardei herabsteigen sollten. England reizte er gegen Frankreich auf, Spanien verband er sich, indem er die berüchtigte Teilungsbulle Alexanders VI. über Neapel aufhob und Ferdinand die Belehnung des Königreichs gab. Maximilian fürchtete er nicht: wegwerfend nannte er ihn »unschädlich wie ein nacktes Kind«. Seine kühne Absicht war, Ferrara mit Gewalt zur Kirche zu bringen, wie es schon Sixtus IV. versucht hatte, in dessen Fußstapfen er einherging. Auf nichts sann er Tag und Nacht als auf politische Größe. Die Schlüssel Petri, so sagte man spottend, warf er in den Tiber und behielt nur das Schwert St. Pauls. In Ferrara war seit dem Tode Ercoles im Jahre 1505 der kluge Alfonso Herzog, ein Schutzmann Frankreichs und mit Venedig im Krieg, um sich Rovigo und die Polesina zu erbeuten. Von seinen Städten war Ferrara ein uraltes Lehen der Kirche, Modena und Reggio ein Lehen des Reiches. Dies alles begehrte der Papst und nahm zum Vorwand einen Streit um das Recht der Salinen Comacchios, wo Alfonso Salz machen ließ, was die päpstliche Salzkammer in Cervia oder deren Pächter Agostino Chigi beeinträchtigte. Als einem Vasallen der Kirche gebot er dem Herzog, vom Kriege mit Venedig abzustehen. Dann bannte er ihn am 9. August 1510, erklärte ihn aller Kirchenlehen verlustig, ja als einen Feind der Christenheit und verflocht in diesen rasenden Fluch auch alle Anhänger des Herzogs. Nicht anders waren Sixtus und Alexander mit den Opfern ihrer Habgier verfahren. Von solchem Haß brannte der Papst, daß er Frankreich viel zugestehen wollte, wenn es den Herzog fallen ließ. Doch sein Angriff gegen Ferrara kam zu allem übrigen hinzu, um seinen Bruch mit Ludwig XII. herbeizuführen, welcher den Papst in Italien nicht wollte übermächtig werden lassen.

Der Krieg tobte im Veronesischen fort, wo Franzosen und Kaiserliche ihre Waffen vereinigten, während der Herzog von Urbino in die Lande Alfonsos einbrach und sich Modenas bemächtigte, Julius aber in dem noch französischen Genua eine Umwälzung anzuzetteln sich bemühte. Er hatte jetzt wohlgerüstete Heere im Feld unter seinem Neffen Urbino und dem jungen Marcantonio Colonna; er besoldete auch Spanier unter dem andern berühmten Colonna, dem Großconnetable Neapels Fabrizio. Voll Ungeduld eilte er selbst nach dem Kriegsschauplatz, zum Ärgernis der Christenheit, die ihren Oberhirten Städte belagern sah, während er an das von ihm gelobte Konzil nicht dachte. Ist es zu verwundern, wenn der Abscheu gegen Rom immer höher stieg und auch Julius II. zum Gegenstand des Hasses wurde wie Alexander VI.? Der Zorn Ludwigs gegen diesen Priesterkönig, den langjährigen Vertrauten seines Hofs und seiner Politik, der ihn erst zum Krieg mit Venedig verlockt hatte, jetzt bundesbrüchig alle Mächte gegen ihn aufreizte und ihn selbst in den Bann wider den Herzog von Ferrara einzuschließen wagte, war grenzenlos. Im September versammelte er eine Synode in Tours. Hier verklagte der Kardinal St. Malo den ruhelosen Papst, der einst als Kardinal die Verschwörung der Barone Neapels veranlaßt, unter Alexander VI. die Franzosen nach Italien gezogen hatte und jetzt sie daraus vertreiben wolle. Die Versammlung entschied: daß der Papst kein Recht habe, Fürsten um weltlicher Zwecke willen zu bekriegen; daß solche berechtigt seien, ihm mit Gewalt zu begegnen, ja den Gehorsam aufzukündigen. Die Synode erklärte endlich, daß die Grundsätze des Basler Konzils und der pragmatischen Sanktion in ganz Frankreich aufrechtzuhalten seien. Julius jagte die französischen Gesandten mit Schimpf von seinem Hof, verbot aber den Kardinälen dieser Nation, die Stadt zu verlassen. Der König dagegen rief sie ab und untersagte jede Geldzahlung nach Rom. Kaum war nun der Papst am 22. September in Bologna angelangt, so hörte er, daß fünf Kardinäle, die sich von Florenz zu ihm begeben sollten, nach Genua entwichen seien. Dies weissagte ein Schisma.

Als Chaumont, der Vizekönig Mailands, den Papst in Bologna wußte, machte er einen Anschlag auf diese schon unzufriedene Stadt. Er erschien vor ihren Mauern am 10. Oktober und forderte die Übergabe. Schon hatten die Bentivogli ein Tor besetzt; stündlich erwartete man ihren Einzug. Die Kardinäle hielten sich für verloren; der alte Papst selbst verlor einen Augenblick lang den Mut; er dachte daran, sich mit Frankreich durch einen Vertrag abzufinden; dann faßte er sich wieder. Der Marschall war ohne Mut; durch geschickte Friedens-Unterhandlungen, welche der vertriebene Graf von Mirandola, Gianfrancesco Pico, für den Papst führte, ließ er sich hinhalten, bis ein venetianisches Heer und Spanier unter Fabricius Colonna herbeikamen; dann zog er beschämt ab. Alle bewunderten den Papst. Er brannte vor Begier, Ferrara zu erobern; mit fieberhafter Hast blickte er auf die Langsamkeit des Kriegs. Im Beginne des Winters ließ er erst Concordia erobern, dann Mirandola bestürmen, worin die Gräfin Francesca, Witwe des im Dienst Alfonsos am Po gefallenen Lodovico Pico, Herrin war, eine Tochter Trivulzios. Im Winterfrost ließ sich Julius in einer Sänfte ins Lager seiner Truppen tragen, um den Fall der Burg zu beschleunigen, die als Schlüssel Ferraras galt. Er hörte nicht auf die Abmachungen der Kardinäle und der Gesandten Venedigs. Zu einem General verwildert, mit langem Bart, besuchte er die Laufgräben und setzte sich den feindlichen Bomben aus, die ihn in seinem Zelt hätten töten können. Man fand dies Wesen groß, denn in jener Zeit suchte man in den Päpsten keine Tugenden des Priesters mehr. Die Patrioten des sinkenden Italiens sahen in Julius II. den einzigen politischen Charakter ihres verzweifelnden Landes. Dichter priesen ihn, den Papst, als den zweiten Mars. Sie riefen ihm zu, daß er die letzte Hoffnung Italiens sei, welches die Vertreibung der Barbaren nur von seiner kriegerischen Kraft erwarte. In Wahrheit, dieser gewaltige Greis, ein Zerrbild der Religion auf dem Stuhle Petri, ein eherner Held in den Stürmen der Zeit, erschien einen Augenblick lang als der Moses seines Volks. So heroisch ist sein Wesen, daß die Verwünschungen seiner Feinde gegen diesen alten Papsttitanen kleinlich und fast wie frömmelnde Heuchelei erscheinen. Und doch hatten sie recht, mit Abscheu auf den Oberpriester zu blicken, der sich unter rohen Soldatenbanden in Laufgräben sehen ließ, ein Kastell zu Fall zu bringen, worin eine bedrängte Witwe sich verteidigte. Hatten nicht die französischen Bischöfe Grund, diesen Papst vor ein Konzil zu laden? Als Mirandola am 21. Januar 1511 sich ergab, ließ er sich voll Ungeduld durch die Bresche in einem hölzernen Kasten hinaufziehen. Er hatte nichts vom Priester als den Rock und den Namen.

Der Fall jener Burg war ein so großer Schimpf für Chaumont, daß der berühmte Feldherr am 11. Februar zu Correggio vor Kummer starb. Aber frohlockend genoß der Papst sein Glück zehn Tage lang in dem zerschossenen Kastell, dessen Herrschaft er Gianfrancesco Pico übergab, dann ging er am 7. Februar nach Bologna und verließ diese Stadt wieder am 11., um sich nach Imola und Ravenna zu begeben. Zu Pferd konnte er nicht mehr steigen: nach romagnolischer Landesart wurde er zu seiner Pein auf einem hochrädrigen Wagen von vier Ochsen fortgezogen. Nur Gassenbuben jubelten ihm zu, als er so von Bologna nach Imola fortrollte. Am 18. Februar traf er in Ravenna ein, und seither wanderte er zwischen diesen Hauptstädten der Romagna hin und her, mit Leidenschaft den Krieg gegen Ferrara betreibend. Am 10. März 1511 machte er in Ravenna acht neue Kardinäle, sich den Schismatikern gegenüber zu verstärken und seinen Verpflichtungen an einige Mächte nachzukommen. Es waren der Engländer Christoph Bambridge, Antonio Ciochi von Monte Sansovino, Erzbischof von Siponto, Pietro Accolti, Bischof von Ancona aus Arezzo, Achilles de Grassis von Bologna, Francesco Argentino von Venedig, Bandinello Sauli von Genua, Alfonso Petrucci von Siena und der Schweizer Matthäus Schinner.

Am 30. März ging Julius nach Bologna, wo er die Ostern feierte, am 14. April wieder nach Imola. Seine Truppen, 1500 Reiter und 9000 Mann zu Fuß, waren stärker als die Frankreichs, weshalb er die Friedensvorschläge zurückwies, die ihm alle beteiligten Mächte auf einem Fürstenkonvent in Mantua darboten. Der Kaiser schickte zu ihm nach Bologna den Bischof von Gurk, seinen Reichsvikar in Italien. Der Gesandte wurde ehrenvoll empfangen, aber der Papst, welchem er durch ein königliches Auftreten zu imponieren suchte, wollte auf nichts eingehen, wenn ihm nicht Ferrara übergeben werde. Erbittert über die hartnäckige und heftige Weigerung des Statthalters Christi verließ Gurk Bologna am 25. April, nachdem er die Kardinalswürde und andere Angebote ausgeschlagen hatte. Die Greuel des Krieges erschütterten das Herz des Papsts so wenig, wie das jedes andern Generals, welcher es natürlich fand, daß man Besatzungen erwürgte, Bürger niedermetzelte Städte ausplünderte und verbrannte.

Da wurde der plötzliche Verlust Bolognas und was auf ihn folgte die erste gerechte Strafe für Julius. Im Mai zog Trivulzio mit Macht nach der Romagna, und der Papst verließ jene Stadt, die Bürger zur tapfern Verteidigung ermahnend. Er ging nach Ravenna; in Bologna aber ließ er Francesco Alidosi als Legaten zurück. Alidosi, ein lasterhafter Mensch von schöner Gestalt, war sein Liebling. Er stammte von den Herren Imolas, war unter Sixtus IV. nach Rom gekommen und Familiar seines Neffen geworden, den er, wie man sagte, sich verpflichtete, weil er sich durch die Borgia nicht bestechen ließ, ihm Gift zu mischen. Im Jahre 1504 wurde er Bischof von Mileto, dann von Pavia und am 12. Dezember 1505 Kardinal. Julius gab ihm im Jahre 1507 die Legation im Patrimonium, im folgenden die der Romagna. Alidosi verfolgte die Partei der Bentivogli mit raubgieriger Wut; vier Senatoren Bolognas, viele andre Bürger ließ er enthaupten. Mit Eifer betrieb er den Bau der Zwingburg Galiera. Der verblendete Papst machte diesen schamlosen Wüstling am 18. Oktober 1510 auch zum Erzbischof Bolognas. Von Stolz aufgeblasen, verlangte der Kardinallegat Imola für seine Familie zurück, und die Weigerung des Papsts machte ihn, wie es hieß, zu dessen heimlichem Feinde. Schon einmal hatte ihn der Herzog von Urbino gefangen zum Papst gebracht und des Hochverrats angeklagt, aber er war von seinem Gönner freigesprochen worden.

Nun aber unterhandelten die Bolognesen mit dem kriegsberühmten Trivulzio, welcher Nachfolger Chaumonts geworden war, und mit Hannibal und Hermes Bentivoglio, ihnen die Stadt zu geben. Französisches Kriegsvolk rückte herbei. Die Bürger weigerten sich, den Befehlen des Legaten zu gehorchen und päpstliche Truppen aufzunehmen. Sie erhoben sich in Wut am 21. Mai 1511; eine Bildsäule Julius' II. aus Stucco rissen sie von der Loge des Palasts der Anzianen herab, wo sie auf Befehl des Papsts schon am Ende des Jahres 1506 aufgestellt worden war, und sie zerschlugen unter Hohn und Spott auch eine bronzene Ehrenstatue, das schöne Werk Michelangelos, welches im Jahre 1508 über dem Portal des Domes S. Petronio war erhoben worden. Alidosi entrann nach Kastell Rio bei Imola. Man glaubte ihn selbst, obwohl grundlos, mit dem Feinde einverstanden. In die befreite Stadt aber zogen die Bentivogli ein, und das jubelnde Volk warf die Zwingburg nieder. Zwar rückte die Bundesarmee unter Urbino schnell vor Bologna, doch sie wurde mit Verlust ihrer ganzen Artillerie schimpflich zerstreut. Da fiel Mirandola in die Gewalt des Siegers.

In Ravenna hörte der Papst diese Schreckenskunden, wahre Donnerschläge. Wütend rief er aus: »Wenn der Herzog in meine Hände kommt, so will ich ihn vierteilen lassen.« Zuerst kam am 24. Mai der Kardinal, warf sich ihm zu Füßen und wälzte alle Schuld auf Rovere. Dann kam dieser, den Legaten des Ungeschicks selbst des Verrats anzuklagen: er aber wurde vom Papst mit Schmähungen überhäuft und aus dem Palast gejagt. Der Herzog, erst zwanzig Jahre alt, entflammte von unbezähmbarer Wut: Wehe dem Kardinal, wenn er ihm begegnete! Zum Unglück geschah dies. Alidosi, in einer Straße daherreitend, entblößte sein Haupt; der Herzog sprang vom Pferd, griff in die Zügel des Maultiers. Als jener abstieg, riß er den Degen aus der Scheide, hieb den Kardinal, welcher einen Panzer trug, in den Kopf und durchstieß den Stürzenden. Den Rest gaben die Dolche der Trabanten, während sich von den Begleitern des Kardinals auch nicht einer rührte. In einem nahen Palast verschied Alidosi, der Herzog aber sprengte von dannen nach Urbino. Ein herrliches Schauspiel für die Christenheit: der Neffe des Papsts einen Kardinal öffentlich ermordend! Nicht umsonst hatten die Borgia gelebt. Fünf Jahre früher war eine andere Szene gesehen worden: der junge Kardinal Hippolyt von Este hatte Meuchelmörder gedungen, die seinem natürlichen Bruder Julius die Augen auszureißen suchten, weil eine Geliebte des Kardinals diese Augen schön gefunden hatte. Das waren die Kirchenfürsten jener Zeit.

Die Ermordung Alidosis erregte, nach dem Zeugnis des päpstlichen Zeremonienmeisters, nur Jubel in Ravenna, wo man den raschen Herzog hochleben ließ; selbst Kardinäle priesen mit erhobenen Händen diese herrliche Tat. Nur der Papst war außer sich, er schluchzte laut, ja er stieß ein tierisches Geschrei aus; zwei Stunden nach dem Morde verließ er Ravenna. Er lag weinend in der Sänfte, in welcher man ihn nach Rimini trug.

Alles wurde finster um ihn her. Bologna war dahin! Mit Schande hatte ihn sein Neffe bedeckt; ein furchtbarer Sturm bedrohte ihn, das Schisma, das Konzil. Als er am 28. Mai nach Rimini kam, fand er an den dortigen Kirchen die Vorladung dazu angeschlagen. Die abtrünnigen Kardinäle luden ihn zum 1. September nach Pisa, wo die verderbte Kirche reformiert werden sollte. Denn da Julius das Konzil bisher verweigert habe und stets verweigern werde, weil es sich wesentlich um die Reform der Kirche an ihrem Haupte handle, so hätten sie, die Kardinäle, die Pflicht, in voller Freiheit und unter der ausdrücklichen Autorität des Kaisers und des Königs von Frankreich das Konzil zu berufen. Nachdem der Papst Gurk mit den Friedensvorschlägen abgewiesen, hatte Maximilian allerdings seine Prokuratoren zu den Kardinälen nach Mailand geschickt, wo sie mit den Gesandten Frankreichs die Abhaltung des Konzils vereinbarten. Fünf Kardinäle hatten sich vom Papst losgesagt: Briçonnet, Sanseverino, Francesco Borgia, René de Prie und der gelehrte, nach der Tiara begierige Kardinal Bernardino Carvajal von Santa Croce, das wahre Haupt des Schisma; Hippolyt von Este schwankte; sein kluger Bruder Alfonso hinderte ihn, sich zu beteiligen. Auch Hadrian von Corneto und Philipp von Le Mans neigten sich zum Abfall.

Auf demselben Punkt, wohin er einst Alexander VI. gedrängt hatte, Karl VIII. bestürmend, ein Konzil zu versammeln, war denn auch Julius II. angelangt. Mit der Reformbedürftigkeit der Kurie, mit der Empörung so angesehener Kardinäle verband sich aber jetzt die Feindschaft der größten Monarchen Europas. Ludwig XII. hatte Amboise die Papstkrone zu verschaffen gehofft, bis dieser ehrgeizige Kardinal im Jahre 1510 zu Lyon und zum Glücke Julius' II. starb. Maximilian konnte nur einem deutschgesinnten Kardinal das Papsttum geben wollen, etwa Hadrian von Corneto. Man schrieb ihm auch den ungeheuerlichen Plan zu, sich selbst auf den Stuhl Petri als Papstkaiser niederzulassen, nachdem er den Papstkönig davon herabgeworfen hatte. Es gibt drei Briefe Maximilians, worin er von solcher Idee redet. Man hat sie als Scherze oder diplomatisch erklärt; denn konnte es ihn reizen, das Beispiel Felix' V. nachzuahmen? Konnte er glauben, daß Europa, welches schon das römische Priesterkönigtum haßte, einen Kalifen ertragen würde? Der Geist Maximilians war nicht tief genug, um sich mit Leidenschaft in den Plan einer Kirchenreformation zu versenken, aber aufgeregt und phantasievoll genug, um die Papstkrone auf seinem Haupt für möglich zu halten. Seine geheimnisvollen Andeutungen beweisen, für wie heillos er den Zustand der Kirche und des Papsttums unter dem profanen Julius erkannte und wie sehr er überzeugt war, daß diese Übel nur durch die Reichsgewalt zu verbessern seien, wie zur Zeit, da die deutschen Kaiser das Papsttum reformierten, weil sie es beherrschten. Die Reformation lag schon in der Luft; glühender Haß gegen Welschland wie gegen den römischen Papst erfüllte das deutsche Volk. Maximilian selbst wollte dieses auf eine neue Stufe der Macht heben; er liebte außerordentliche Taten: er dachte an die Erneuerung des Imperium im Hause Habsburg, dem die Familien-Verbindung mit Spanien gerade eine glänzende Zukunft verhieß. Zur Herstellung dieser Reichsherrlichkeit bedurfte er der Vertreibung Frankreichs aus Italien und der Unterwerfung des Papsttums unter die Kaiser-Gewalt. In jedem Falle war der angedeutete Plan Maximilians die furchtbarste Ironie auf die Ausartung des Papsttums und den erneuerten Kirchenstaat, diese ewige Quelle so vieler Verbrechen, Kriege und Leiden in der Welt.

Wenn Maximilian und Ludwig, noch Verbündete wider Venedig und den Papst, ein Konzil nicht aus politischen, sondern aus ernsten kirchlichen Zwecken berufen hätten, so würde wohl eine unermeßliche Bewegung in Europa daraus entstanden sein. Der französische König haßte den Papst bis auf den Tod. Vor dem Zorn des mächtigen Ludwig, vor der Aufregung der gallikanischen Kirche war Julius in Furcht. Deutschland ängstigte ihn nicht: was in den Tiefen dieser Nation schlummerte, ahnte er nicht. Nur vor wenigen Monaten hätte sein gleichgültiger Blick auf einen Wittenberger Mönch fallen können, der in Angelegenheit seines Augustinerklosters nach Rom gekommen war und selbst nicht ahnte, zu welcher welterschütternden Aufgabe er berufen sei. Es war dies ein Mann des Volks, durch heldenhafte Charakterstärke und feurigen Ungestüm ein ganz ebenbürtiger Zeitgenosse des Papsts Julius, der Hildebrand der deutschen Reformation.

Am 27. Juni 1511 war Julius nach Rom zurückgekehrt, aufgeregt und fieberkrank. Hier erließ er die Bulle Sacrosanctae vom 18. Juli, wodurch er für den 19. April 1512 ein Lateranisches Konzil berief. Den Gedanken dazu soll ihm der Kardinal Antonio von Monte Sansovino eingegeben haben. Es war die richtigste Taktik; sie erschütterte die Unternehmung seiner Gegner.

Jetzt stellte der Papst auch seinen Neffen unter Prozeß. Er lud ihn nach Rom vor ein Tribunal von vier Kardinälen, worunter auch Medici war. Bis zum Urteilsspruch entsetzte er ihn aller Würden; doch durfte er gegen Niederlegung von 10 000 Skudi in seinem Hause auf dem Corso wohnen. Heute steht an dessen Stelle der Palast Doria Pamfili.

Am 17. August brach der alte Papst unter der Last aller erlittenen Erschütterungen und Mühen plötzlich zusammen. Man sagte ihn tot. Schon plünderten die Palastbeamten seine Wohnzimmer aus: selbst im Schlafgemach blieb kaum ein Stück Linnen übrig. Aus seiner Haft eilte der Herzog Urbino nach dem Vatikan: er fand den Oheim noch lebend; der jüdische Arzt gab ihm sogar Hoffnung. Das Gerücht vom Tode des Papsts durchflog schon ganz Italien, so daß abwesende Kardinäle, selbst die Urheber des Schisma, sich zur Reise zum Konklave rüsteten. In Rom war alles in Aufruhr. Tausend lärmende Menschen, Bürger, Priester, Barone enthüllten sich plötzlich als Feinde des Papsts. Die großen Geschlechter der Stadt vor allem waren erbittert, weil er ihren Trotz niederhielt und keinem ihrer Mitglieder den Kardinalspurpur gab. Denn diesen verwilderten Adel Roms, welchen schon die Borgia gebrochen hatten, wollte er nicht wieder aufkommen lassen. Was unter einem Alexander VI. nie gewagt worden war, ein Aufstand zugunsten der verlorenen Freiheit, das wagte man jetzt unter Julius II.

Führer der Unzufriedenen war Pompeo Colonna, Sohn des im Stadtkrieg des Jahres 1482 erschlagenen Girolamo. Seine Oheime Prospero und der Kardinal Giovanni hatten ihn in Monte Compatri erzogen und für die geistliche Laufbahn bestimmt, obwohl er nur Neigung für Waffen besaß. Mit Auszeichnung diente er im Neapolitanischen Krieg unter Consalvo; nur mit Gewalt hatte ihn sein Oheim abhalten können, einer der Kämpfer in der Disfida von Barletta zu sein. Er focht tapfer in der Schlacht am Liris im Jahre 1503. Doch Prospero zwang ihm das geistliche Gewand auf, damit er der Erbe der reichen Benefizien des Kardinals Giovanni werde. Als nun dieser im Jahre 1508 starb, machte Julius II. den widerstrebenden Pompeo zum Bischof von Rieti und zum Abt von Grottaferrata und Subiaco. Der junge Colonna war eine groß angelegte Natur, voll Feuer und Tatendurst, erfüllt von dem hohen Sinn seines Hauses. Er war aufgebracht, daß der Papst keinen vornehmen Römer ins Heilige Kollegium aufnahm, nachdem die Kardinäle Orsini, Colonna, Savelli und Cesarini gestorben waren. Da er einmal der Kirche dienen mußte, strebte er auch nach der höchsten Macht, welche sie bieten konnte. Er selbst würde als Papst Rom wie ein König beherrscht haben, aber weil er das nicht war, bekämpfte er die verhaßte Papstgewalt mit den ghibellinischen Überlieferungen seines Hauses und den nie veräußerten Rechten des römischen Volks. In dieser Zeit, wo seit Alexander VI. und Julius II. die Päpste zu Despoten Roms geworden waren, vertrat Pompeo Colonna den römischen Freiheitsgedanken, und das gibt ihm eine ausgezeichnete Stelle in der Geschichte der Stadt.

Auf das Gerücht, der Papst sei tot, strömten die Barone mit bewaffnetem Volk in die Stadt. Es vereinigten sich Pompeo, Roberto Orsini, ein Sohn des von Cesare Borgia ermordeten Paul, Georg Cesarini, Antimo Savelli und andere Herren von der guelfischen wie ghibellinischen Partei. Sie zogen auf das Kapitol, das Volk zur Wiedererlangung seiner alten Rechte aufzurufen, und dort war solcher Ruf längst verstummt. Drei Konservatoren und ein Senator, damals Pietro de Squarcialupis von Florenz, stellten die Regierung der Stadt dar. Die Bürgerschaft mochte erstaunen, als sie die feurigen Reden vernahm, womit ein junger Bischof die Schatten der Vergangenheit beschwor. Mit der Stimme Porcaros sprach Pompeo von der Freiheit der römischen Republik und der Schande des Priesterregiments. Es sei eine Schmach für den Ruhm des Römernamens, daß Hab und Gut der Bürger der Gier weniger Pfaffen zur Beute gefallen sei; nur die Scheinbilder der alten Ehren habe man der Stadt gelassen; Senator und Konservatoren zeigten sich nur noch im Pomp von Aufzügen als lächerliche Masken in Goldbrokat. Den alten Geschlechtern der Stadt sei jede Ehre entrissen, denn niemand aus ihrer Mitte werde zur Kardinalswürde zugelassen. Wenn früher die Heiligkeit der Päpste deren Herrschaft erträglich machte, welche Tugend oder Würde vermochte wohl heute die Schande der Sklaverei zu decken? Etwa die Unbescholtenheit des Lebens, das heilige Beispiel der Priester oder ihre Wunder? Welche Menschenklasse wäre gleich verderbt und sittenlos? An ihr erscheine nur das wunderbar, daß die Gerechtigkeit Gottes solche Verbrechen so lange ertrage. Behaupte sich etwa diese Tyrannei durch Kraft der Waffen, durch Geist und männliche Tätigkeit und den stetigen Gedanken, die Majestät des Papsttums zu bewahren? Welche Menschengattung sei von den Wissenschaften und den Waffen weiter entfernt, der Lust und dem Müßiggange mehr ergeben und sorgloser in bezug auf die Würde und den Vorteil der Nachfolger? Es gebe in der Welt nur zwei einander gleiche Regierungen, die des Papsts und des Sultans von Ägypten, wo auch weder die Würde des Oberhaupts noch die Ämter der Mamelucken erblich seien, doch seien diese wenigstens Männer, des Waffendienstes gewohnt, wild und kriegerisch und fern von aller Weichlichkeit. Die Römer dagegen seien Sklaven von Feiglingen und Fremdlingen, oft so unedel an Blut wie an Sitten. Es sei Zeit, sich aus dieser Schlaftrunkenheit aufzuraffen und sich zu erinnern, daß man Römer sei.

Diese und andere Reden machten solchen Eindruck, daß die Konservatoren Marcantonio Altieri und Giulio Stefanuccio den Antrag stellten, das Volk zu bewaffnen, das Konklave zu beaufsichtigen und die Kardinäle zu zwingen, der Stadt Rom ihre Rechte wiederzugeben. Auch sollte sich der neue Papst verpflichten, vier Römern den Purpur zu erteilen. Endlich müsse die Engelsburg für immer dem Volk ausgeliefert werden. Jene Männer gehörten der antiquarischen und akademischen Schule an, in welcher die Ideen des Cola di Rienzo und des Stefano Porcaro fortlebten. Marcantonio Altieri war Schüler des Pomponius Laetus, ein glühender Patriot und ein hochgebildeter Mann.

Die ganze Stadt befand sich in Waffen und Tumult: da kam Botschaft vom Vatikan, daß der alte Papst sich aus tiefer Ohnmacht aufrichte. Der furchtbare Julius erhob sich in der Tat, er erholte sich durch die Kunst seines Arztes Scipio Lancelotti; ein Trank Malvasier und ein Pfirsich erweckten seine Lebensgeister. Viele Kardinäle, welche auf sein Ende gehofft hatten, »blieben wie tot bei seiner Genesung«. Vorsichtig verschwieg man ihm, was sich auf dem Kapitol ereignet hatte. Noch den Tod vor Augen, absolvierte er seinen Neffen. Dem Herzog oder seinem geistvollen Verteidiger, Filippo Beroaldo dem Jüngern, wurde es nicht schwer darzutun, daß der ermordete Kardinal ein Verräter gewesen sei, und Francesco Maria ward durch päpstliche Autorität in allen seinen Ehren hergestellt.

Auf dem Kapitol folgte jetzt statt des Umsturzes des Staats ein Friedensschluß der Barone. Schon am Anfange des August hatte die Bürgerschaft die Versöhnung zwischen den Colonna, Orsini und andern Häusern vermittelt, um das nahe bevorstehende Konzil nicht zu stören. An die im Saal des Kapitols versammelten Barone hielt Altieri, der Deputierte der Region Pigna, eine ergreifende Rede. Er schilderte das Elend Roms, welches durch ihre Leidenschaften und Laster und ihre Uneinigkeit veranlaßt sei. Deshalb sei der Papst gezwungen, den Römern keine Ämter und Ehren mehr anzuvertrauen. Die Orsini und Colonna seien es, welche die römische Bürgerschaft verderben und entehren und Rom zu einer Einöde machen. Die Rede dieses neuen Cicero wirkte. Die Häupter oder Boten der Parteien, Fabrizio Colonna, Giulio Orsini, Antimo Savelli, Giovanni Conti, Fabio Anguillara, Paolo Planca, der Vertreter der Cesarini und andere, beschworen am 28. August auf dem Kapitol feierlich, alle Feindschaft, alles Parteiwesen unter dem verderblichen Namen von Guelfen und Ghibellinen abzutun und fortan sich für die Ruhe und das Wohl der Stadt Rom und die Erhaltung des kirchlichen Regiments zu Ehren des Papst Julius zu bemühen.

Dies war der in den Annalen der Stadt berühmte römische Frieden. Er machte Epoche, denn er bezeichnete allerdings, wenn auch noch nicht das Ende der gewalttätigen Baronenwirtschaft in Rom, so doch eine große Veränderung in den bürgerlichen Verhältnissen und einen Umschwung zugunsten der öffentlichen Ordnung. Der Papst begrüßte diesen Vertrag mit Freude. Er ließ sogar eine Münze darauf schlagen mit der Inschrift Pax Romana.

Indes erfuhr er, was auf dem Kapitol geredet worden war, denn dies hinterbrachte ihm die Herzogin Elisabetta von Urbino, welche die Ansprüche der Colonna auf Urbino fürchtete, auf Grund der Verbindung Fabrizios mit Agnese von Montefeltre. Pompeo entzog sich seinem Zorn, indem er nach Nemi ging, wo er Anhänger sammeln wollte und mit den Agenten Frankreichs Mittel zum Sturz des Papsts beriet. Zu ihm kam auch der junge Pietro Margano, welcher den Hauptmann der Polizei auf Campo di Fiore erstochen hatte und die Blutgesetze fürchtete. Indes hinderte Prospero seinen Verwandten an weiteren Unternehmungen. Pompeo zog sich in das feste Schloß Subiaco zurück, während Roberto Orsini und Margano nach Frankreich entflohen.


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