Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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3. Hadrian IV. bekriegt den König Wilhelm. Er wird gezwungen, ihm die Belehnung zu geben. Orvieto wird päpstlich. Friede Hadrians mit Rom. Mißstimmung zwischen Papst und Kaiser. Die Städte Lombardiens. Hadrian unterhandelt mit ihnen; er überwirft sich mit Friedrich. Die Römer nähern sich dem Kaiser. Tod Hadrians IV. Seine Wirksamkeit. Seine Klage über das Unglück, Papst zu sein.

Der Abzug des Kaisers betrog den Papst um seine Hoffnungen. Rom war ihm nicht, wie es der Konstanzer Vertrag verheißen hatte, unterworfen worden, er selbst fand sich im Exil, und endlich war der Kriegszug gegen Sizilien unterblieben. Entschlossen raffte er jetzt Vasallen und Söldner zusammen und eilte noch im Herbst nach Capua und Benevent. Schon hatte er Wilhelm I. gebannt und die Völker Apuliens von ihrem Eide losgesprochen; nun bestärkte er sie persönlich in ihrem Aufstande und vereinigte sich mit den rebellischen Baronen und Verbannten, die ihm in Benevent huldigten. Die Empörung aller Provinzen, die gleichzeitige kräftige Bewegung der Griechen, mit denen sich Hadrian offenbar verbunden hatte, die reißenden Fortschritte der Barone, die Tätigkeit dieses kühnen Papstes, der die Seele der Empörung war und ihre Früchte erntete, bewogen den erschlafften Sohn Rogers, jenem die günstigsten Anträge zu machen, worunter auch dieser war, daß er ihm Rom wieder unterwerfen wolle. Der Abschluß des Friedens scheiterte indes am Widerstande der kaiserlichen Partei unter den Kardinälen; dann aber gelang es Wilhelm durch plötzliche Anstrengung, Kalabrien und Apulien wie im Sturm den Griechen und Baronen zu entreißen, worauf er nach Benevent zog, wo die Exilierten sich zum Papste geflüchtet hatten. Das Glück der Normannen wiederholte sich zum drittenmal: der bedrängte Hadrian mußte seine Verbündeten preisgeben und um Frieden bitten. Der Sieger diktierte diesen im Juni 1156 bei Benevent, wo er die dreifache Investitur Siziliens, Apuliens und Capuas zwar wiederum als päpstliches Fahnenlehen empfing, aber viele Rechte der Kirche gegenüber sich ausbedang. Dieser einseitig abgeschlossene Friede, wonach der vom Kaiser verlassene Papst den Reichsfeind mit Ländern belieben hatte, deren Gebieter zu sein Friedrich erklärte, erbitterte die kaiserliche Partei, welche darin einen Bruch des Konstanzer Vertrages sehen wollte, und bald vermehrten noch andere Gründe die schon eingetretene Spannung.

Im Sommer ging Hadrian in den Kirchenstaat zurück, ohne sich nach Rom zu wagen. Er stärkte die päpstliche Macht durch Verträge mit großen Vasallen, selbst mit Städten; so nahm er Orvieto im Oktober förmlich in Besitz. Dann ging er nach Viterbo, wo die Päpste seither öfters wohnten, zog aber im November in den Lateran ein. Sein Friede mit Rom war die Folge des sizilianischen Vertrags; der König Wilhelm bewog durch Gold und Drohungen die Römer zur Nachgiebigkeit, und schon aus Haß gegen Friedrich gingen sie auf ein Abkommen ein. Auch dieser Friede war einseitig und mußte den Kaiser aufbringen, was den listigen Römern nur erwünscht sein konnte. Der Inhalt des Vertrages ist unbekannt; doch hatte er wohl die Grundlagen der früheren Übereinkunft mit Eugen III.

Seither wurde der Widerstreit kaiserlicher, päpstlicher und senatorischer Ansprüche die Ursache eines tiefen Zwiespalts zwischen dem Kaiser und Hadrian. Seit Otto dem Großen hielt das Reichsschwert kein so gewaltiger Mann als Friedrich I. Mit dem Bewußtsein der Macht Deutschlands, durch welche allein er die Krone Constantins zu tragen erklärte, warf er die Anmaßung des Papstes nieder, der ihm die überspannten Ideen Gregors VII. entgegenstellte. Das Prinzip der absoluten Monarchie trat jenem der absoluten Kirche schroff gegenüber. Der Gegensatz zweier starker Persönlichkeiten drohte, den alten Kampf zu erneuern; denn einem herrschsüchtigen Kaiser trat der Hochmut eines Priesters entgegen, in welchem die übertriebene Idee vom Papsttum persönlich geworden war. Dazu kamen das mathildische Erbe, Investiturverhältnisse, der päpstliche Friede mit Sizilien, die Lage Roms und des Kirchenstaats. So erbitterte Reden hatten kaum vorher Kaiser und Päpste gewechselt, und die Sprache gab den durch einen Weltkampf klar gewordenen Standpunkt mit rücksichtsloser Klarheit wieder. Die zufällige Plünderung eines schwedischen Bischofs durch burgundische Ritter, welche der Kaiser nicht bestraft hatte, gab Hadrian IV. Anlaß, Friedrich vorzuhalten, daß er seine Krönung der Gnade des Papsts verdanke. Das von ihm gebrauchte doppelsinnige Wort »Beneficium« (nach rechtlichen Begriffen bedeutete es ein Lehen) entflammte den Zorn des Kaisers und seines Hofs. Kaum entgingen die Kardinallegaten, die Überbringer des päpstlichen Schreibens, in Besançon dem Tod von deutscher Ritterhand, und schimpflich weggewiesen kehrten sie nach Rom zurück. Friedrich richtete an sein Reich ein Manifest, brandmarkte die Priesteransicht vom Verhältnis des Imperium zum Papsttum als lügenhafte Anmaßung und erklärte, daß er durch die Wahl der Fürsten von Gott allein die Reichsgewalt empfangen habe und lieber sterben als sie unter die Pfaffen erniedrigen wolle. Die Zeiten Heinrichs IV. waren vorbei; das ganze Deutsche Reich schallte von der kaiserlichen Stimme wider; Fürsten und Bischöfe erklärten sich voll Nationalgefühl einstimmig gegen den Papst, und Hadrian, der unter den Kardinälen selbst eine deutsche Partei zu bekämpfen hatte, mußte den Zorn des Hohenstaufen zu beschwichtigen eilen: seine neuen Legaten brachten ein Entschuldigungsschreiben, worin er als ein Pedant oder Grammatiker erklärte, daß der Begriff »Beneficium« nicht im Sinne des Lehens von ihm gebraucht worden sei.

Diese Nuntien fanden Friedrich schon in Augsburg, wo er im Juni 1158 im Begriff e war, mit starker Macht wiederum nach Italien zu ziehen, die widerstrebenden Städte und das ganze Land unter sein Kaiserschwert zu beugen. Das heroische Mailand unterwarf sich im September, und nun feierte das Kaisertum auf dem Ronkalischen Reichstag den entschiedensten, aber auch letzten Triumph. Selbst die berühmtesten Juristen Bolognas, voll Begeisterung für das altrömische Imperatorenrecht, erhöhten das Gefühl des Mächtigen, indem sie dies hohenstaufische Imperium mit aller Absolutie Justinians bekleideten und als die gesetzmäßige Weltherrschaft erklärten. In dieser Zeit, wo die sich umwälzende bürgerliche und politische Ordnung einen festen Rechtsboden suchte, beriefen sich die Städte wie der Kaiser auf das römische Gesetz und kamen dadurch in den heftigsten Widerspruch. Aber die lebendige Gegenwart drängte die Städte, außer dem einen Rom, vom Altertum hinweg, während der Kaiser bald in das römische Cäsarentum, bald in das theokratische Reich Karls zurückgriff und voll Verblendung wähnte, daß er den demokratischen Zug des Jahrhunderts in die Fesseln justinianischer Alleingewalt schlagen könne. Bei diesem tiefen Zwiespalt des Bürgertums mit der Kaisergewalt konnte es nicht lange zweifelhaft sein, daß das Papsttum sich mit jenem verbünden werde. Die Investitur, der feudalrechtliche Begriff, welcher ein ganzes Zeitalter beherrscht, war das Mittelglied zwischen beiden, oder der alte Streit wurde jetzt, nachdem die Wormser Konkordate ihn innerhalb der Kirche beruhigt hatten, mit neuer Heftigkeit in den bürgerlichen Sphären fortgeführt. Es galt auch für die Städte, dem Kaiser die Kronrechte, die Gerichte und Magistrate zu entziehen, und so war der Kampf Friedrichs I. mit den lombardischen Städten der zweite, aber bürgerliche Investiturstreit, aus welchem endlich die Republiken siegreich wie die Kirche hervorgingen und ihre staatsrechtliche Selbständigkeit errangen.

Schon Hadrian IV. knüpfte insgeheim mit den Städten Unterhandlungen an, während er zugleich eifrig um die Freundschaft der sizilianischen Feudalmonarchie warb. Friedrich wollte nach so viel Triumphen wie Karl der Große über Rom und die Bischöfe im Reich als seine Vasallen gebieten. Er schickte seine Boten durch Italien, welche mit rücksichtsloser Härte Fiskalien einziehen sollten, auch vom mathildischen Erbe und vom Kirchenstaat. In einem Brief beklagte sich der Papst, daß er von den Bischöfen Lehnspflicht verlange und den Kardinallegaten den Zutritt in die Provinzen verweigere; der Kaiser antwortete mit Geringschätzung: die Kirche habe vor Constantin keine Fürstenrechte besessen, aller Besitz des Heiligen Stuhls sei ein Geschenk der Könige; die Bischöfe, welche nur Gottes Erben sein sollten, besäßen nichtsdestoweniger weltliche Hoheiten vom Staat, daher seien sie dem Kaiser mit Recht lehnspflichtig, denn auch Christus habe für sich und Petrus dem Kaiser den Zins gezahlt. Entweder müßten also die Bischöfe ihr weltliches Gut abgeben oder dem Kaiser geben, was des Kaisers ist. Den Kardinallegaten seien die Kirchen verschlossen worden, um die Gemeinden vor ihrer Raubgier zu schützen. Der Papst schände die christliche Demut, wenn er irdische Vorteile, die mit der Religion nichts zu tun hätten, vor der Welt zur Diskussion bringe. Er habe ihm alles dies sagen müssen, weil er sehe, wie das abscheuliche Tier des Hochmuts selbst bis zum Sitz des heiligen Petrus hinangekrochen sei.

So nahm Friedrich den Investiturstreit an seiner weltlichen Seite wieder auf; er sprach damals mit dem Munde der Römer, er schien sich in die Gestalt desselben Arnold zu verwandeln, welchen er vor wenig Jahren hatte hinrichten lassen. Die Kaisergewalt war (wenigstens für den Augenblick) in eine Epoche der Restauration getreten, die päpstliche geschwächt. Im Innersten verwundet schickte Hadrian IV. seine Legaten an Friedrich, versuchend, was durch Unterhandlungen zu gewinnen sei. Seine maßlosen Forderungen zeigten, daß das Papsttum dem Reiche gegenüber ganz in das Verhältnis der Städte getreten war; es verlangte die völlige Befreiung von der Kaisergewalt im Weltlichen oder die Übertragung der Kronrechte auf sich selbst. Die Bischöfe Italiens, so forderte der Papst, sollten dem Kaiser nur den allgemeinen Eid der Treue, nicht der Lehnspflicht leisten; im Kirchenstaat solle er kein Foderum erheben, außer bei Gelegenheit der Krönung; dem Heiligen Stuhle sollen die Renten des mathildischen Erbes und alles Landes von Aquapendente bis Rom, von Spoleto, Sardinien und Korsika, von Ferrara und Massa überliefert werden; keine Sendboten dürfe der Kaiser nach Rom schicken ohne Genehmigung des Papsts, denn alle Magistratur wie alle Regale gehörten dort dem Heiligen Stuhl allein. Indem so Hadrian die Reichsgewalt vom Kirchenstaat auszuschließen begehrte und die Anerkennung der vollen Landeshoheit forderte, antwortete der Kaiser: weil ich durch göttlichen Willen römischer Kaiser bin und heiße, so würde ich nur einen inhaltlosen Titel tragen, ließe ich die Herrschaft über die Stadt Rom aus meiner Hand.

Gesandte des Senats waren anwesend, während dies verhandelt wurde; denn als die Römer sahen, daß der Kaiser die Grundsätze Arnolds entschieden gegen den Papst wendete, näherten sie sich ihm. Sie schickten ihm im Frühjahr 1159 Boten der Versöhnung, und nachdem sie Friedrich öffentlich wohl empfangen hatte, sandte der Senat andere angesehene Männer ins Lager vor Crema. Die nun bescheideneren Römer baten um die kaiserliche Gunst und Amnestie, sie versprachen die imperatorische Gewalt in Rom herzustellen, und Friedrich ging auf eine Unterhandlung mit der Kommune ein. Jetzt wollte er den Senat anerkennen, aber auf den Grundlagen, die er ihm selber gab, und diese würden den Bedingungen für das unterworfene Mailand gleich gewesen sein. Mit den reich beschenkten Gesandten ließ er den Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach, den Grafen Guido von Blandrate, den Probst Herbert von Aqui nach Rom gehen; dort sollten sie wegen der Feststellung des Senats und der Rückberufung des exilierten Präfekten sich verständigen und zugleich, wenn möglich, mit dem Papst ein Konkordat abschließen. Die Boten wurden mit Ehren aufgenommen, aber die Forderungen des Senats, welcher jetzt eine achtunggebietende Haltung annahm, machten einen Abschluß unmöglich, auch trat der Tod des Papsts hindernd ein.

Hadrian IV. starb am 1. September 1159 zu Anagni in völligem Zerwürfnis mit dem Kaiser, schon mit den Lombarden im Bündnis wider ihn und mit dem Gedanken kämpfend, Friedrich in den Bann zu tun. Dieser aus dem Staub emporgekommene Priester stand dem mächtigsten Monarchen so stolz gegenüber, als wäre er nicht nur seinesgleichen, sondern über ihn gestellt. Die Gaben der Natur vermehrte selbsterrungene Größe und Lebenskenntnis durch preiswürdige Charakterkraft, welcher bei allem Hochmut doch nicht die Besonnenheit zur rechten Zeit fehlte. Hadrian war klug, praktisch und unbeugsam, wie Angelsachsen zu sein pflegen. Gleich Gregor VII. wollte er das Prinzip der päpstlichen Weltherrschaft durchführen; aber bei seinen kühnen Träumen versäumte er das Nächste nicht. Er befestigte selbst Städte neu, wie Orte und Radicofani, er erwarb andere, und die Akten des Dominum Temporale lehren, wie sorgsam er war, dem Heiligen Stuhl Patrimonien zu erhalten oder zu stiften, die Dynasten auf der Campagna zu schwächen und dienstbar zu machen. Der Landadel war damals durch die Kriege mit den Kaisern wie mit der Stadtgemeinde herabgekommen; die Barone, infolge der demokratischen Umwälzung um ihren Einfluß gebracht, waren halb verschuldet und verarmt. Viele übergaben ihre Kastelle halb oder ganz Hadrian, der sie ihnen dann als Lehen der Kirche zurückstellte, und so wurden Edelfreie zu pflichtigen Leuten ( homines) des Papsts. Gerade in diesem Sinne war die Tätigkeit Hadrians IV. sehr groß. Nur die Republik Rom zu stürzen hatte er nicht vermocht. Der Senat dauerte auf dem Kapitol, und statt eines willfährigen Kaisers war Friedrich der gewaltige Feind des Papsts geworden. »Daß ich doch niemals«, so hörte ein englischer Mann Hadrian seufzen, »mein Vaterland England oder das Kloster St. Rufus verlassen hätte! Ist irgendwo in der Welt ein Mensch gleich elend wie der Papst? Ich fand auf dem Heiligen Stuhle so viel Not, daß alle Bitterkeit meines vergangenen Lebens mir dagegen süß erschien. Mag der zum Papst Gewählte heute ein Krösus sein, er ist morgen arm und unzähligen Gläubigern verschuldet. Wahrlich mit Recht heißt der Papst Knecht der Knechte; denn ihn knechtet die Habgier der römischen Knechtsseelen, und befriedigt er sie nicht, dann muß er seinen Thron und Rom als Flüchtling verlassen.« Dies ist das Bekenntnis Hadrians IV. über das damalige Papsttum, das Bekenntnis eines welterfahrenen Weisen, der im Exile starb.

Rom bewahrt kein anderes Denkmal von diesem kraftvollen Fremdling als seinen Sarg in den Grotten des Vatikan, eine antike Urne, deren Unzerstörlichkeit ihr die Erhaltung sicherte. Dieser plumpe bildlose Sarkophag von rotem Granit umschließt passend den einzigen englischen Papst, dessen Natur stark und fest war wie Granit.


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