Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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3. Verschwörung und Ende des Stefano Porcato 1453. Stimmung in Rom. Klage und Mißtrauen des Papsts Nikolaus V. Eroberung von Konstantinopel durch den Sultan Mohammed II. Aufrufe zum Türkenkrieg. Italienischer Friede zu Lodi 1454. Abschied Nikolaus V. von der Welt und sein Tod.

Während Nikolaus V. nur Triumphe erlebte, bedrohte ihn selbst eine Verschwörung wider Thron und Leben. Die Folgen des Schreckensregiments Vitelleschis und Scarampos waren noch in Rom fühlbar. Hier richtete jetzt das Papsttum auf den Trümmern der Gemeindefreiheit seine bleibende Herrschaft ein, und diesen Gedanken konnten viele Römer nicht ertragen. Edlen Patrioten, zumal der vornehmen, leider oft in die Laster des Müßiggangs versunkenen Jugend, deren unbenutzte Kraft im Priesterstaat verkam, dünkte die Regierung von Geistlichen schmachvoll. Die klassische Literatur erhitzte die Köpfe mit antiken Freiheitsidealen. Da war noch vor allen Stefano Porcaro, der humanistische Enthusiast, welcher die Republik auf das Kapitol zurückzuführen wünschte. Nikolaus hatte ihn zu gewinnen gesucht, indem er dem ruhelosen Ritter eine hohe Stellung gab. Er machte ihn im Jahre 1448 zum Rector der Campania und Maritima. Dies Amt hatte Porcaro ein Jahr lang in Ferentino verwaltet, dann war er nach Rom zurückgekehrt, und hier trat er wieder bei den agonalischen Spielen im Jahre 1450 als Demagoge hervor. Der großmütige Papst schickte ihn zuerst unter dem Scheine einer Gesandtschaft nach Deutschland und verbannte ihn dann nach Bologna, doch mit Ehren. Er ließ ihm einen monatlichen Gehalt von fünfundzwanzig Goldgulden auszahlen, nur sollte er sich täglich beim Kardinallegaten Bessarion zeigen. Porcaro sann dort nur auf den Sturz des päpstlichen Regiments. Er wollte wie Cola di Rienzo der Befreier der Stadt werden; man hörte ihn Verse Petrarcas deklamieren, als sei er der Retter Italiens, welchen sie weissagten. Seine Pläne waren unzeitig; denn kein Papst hatte weniger verschuldet und mehr für Rom getan als Nikolaus V., der liberalste aller Päpste. Trotzdem gab es hier viele Unzufriedene. Die Bürger murrten über die ausschließliche Herrschaft des Klerus, welcher alle Ämter der Verwaltung an sich gezogen hatte und große Reichtümer aufhäufte. Die Magistrate auf dem Kapitol wurden nicht mehr von der Gemeinde gewählt, sondern vom Papst eingesetzt. Die Stadt war durch Nikolaus V. in eine päpstliche Festung verwandelt worden.

Viele Verfemte und Exilierte lauerten draußen auf Rache und Rückkehr. Porcaro selbst unterhielt von Bologna aus Verbindungen mit seinen Verwandten und Freunden. Battista Sciarra, sein Neffe, warb sogar unter Vorwand, in Condotta zu gehen, Söldner in der Stadt. In den Häusern zweier reicher und angesehener Schwestermänner Stefanos, des Angelo di Maso und des Giacomo di Lello Cechi, wurden Waffen versteckt, und selbst im Vatikan war ein anderer Neffe des Ritters, der Domherr Niccolò Gallo, in die Verschwörung eingeweiht. Als die Umwälzung hinlänglich vorbereitet schien, eilte Porcaro, der sich krank gestellt hatte, um Bessarion zu täuschen, zu Pferde in vier Tagen nach Rom. Hier trat er, in einem goldgestickten Gewande und mit goldenen Ketten geschmückt, unter die Verschworenen, denen ein Mahl im Hause des Angelo gegeben wurde. In einer selbstgefälligen Rede, auf die er mehrere Tage verwendet hatte, schilderte er die Sklaverei der Stadt: »Man proskribiert Unschuldige. Während sie Italien erfüllen, ist Rom von Bürgern leer. Man sieht hier nur Barbaren; doch der Patriot wird als Verbrecher gebrandmarkt. Es muß eine Tat geschehen, welche die Stadt für ewig von dem Pfaffenjoch befreit.« Porcaro brannte von Ruhmsucht wie jeder andere aufstrebende Geist unter seinen Zeitgenossen; aber er entflammte seine Mitverschworenen durch die lockende Aussicht auf wirklicheren Lohn als den der Unsterblichkeit. Wenn er selbst ein Cola di Rienzo sein wollte, suchten jene ihr Vorbild lieber bei Catilina. Man wollte den Priesterstaat stürzen und dann tüchtig zugreifen. In den Schatzkammern des Papsts, der Kardinäle und Kurialen, in den Banken der Wechsler hoffte man mindestens eine Million Goldgulden zu erbeuten. Das päpstliche Rom jener Zeit war bereits üppig genug, der Klerus verderbt und verhaßt. Die Kardinäle lebten wie weltliche Fürsten, so verschwenderisch, daß sie den Sinn auch anderer als der Republikaner beleidigten. Die Kurialen, zahllose Schwärme von Prälaten, welche Pfründen suchten und genossen, boten der Stadt das häßliche Schauspiel von Übermut, Goldgier und Lasterhaftigkeit dar. Die Satiren der Humanisten, eines Poggius, Valla und Filelfo, hatten nicht wenig dazu beigetragen, diesen Haß gegen die Priester zu mehren.

Porcaro überzählte seine Streitkräfte: dreihundert versteckte Söldner erschienen ihm hinreichend, die Herrschaft des Papsts umzustürzen; außerdem rechnete er auf den Zuzug von Proskribierten und die Erhebung des Volks. Die Bewältigung Roms war auch keineswegs unmöglich, denn in dem tiefen Frieden der Stadt gab es dort kaum andere Truppen als die Mannschaft der Polizei. Der Plan war, während des Fests der Epiphanie (am 6. Januar 1453) Feuer in die vatikanischen Ställe zu werfen, worauf Porcaro den Papst und die Kardinäle festnehmen und sich der Engelsburg bemächtigen wollte. Im äußersten Falle wollte man selbst den Papst umbringen und unter der Priesterschaft erbarmungslos aufräumen; aber wenn es wahr ist, daß Porcaro eine goldene Kette mitgebracht hatte, um Nikolaus V. damit zu fesseln, so mochte er doch wohl minder blutdürstige Gedanken gehegt haben.

Am 5. Januar traf eine Warnung Bessarions in Rom ein. Zugleich verrieten den Plan Mitverschworene dem Stadtgovernator Niccolò degli Amigdani und dem alten Kardinal Capranica. Sofort führte jener und der Senator Jacopo Lavagnoli von Verona Bewaffnete gegen das Haus Porcaros. Es war verrammelt. Aus den Fenstern herab verteidigte sich Sciarra tapfer, bahnte sich dann, den Degen in der Faust, mit vier Begleitern den Weg durch die päpstlichen Kohorten und entkam. Statt kühn Rom zu durchreiten und das Volk zur Freiheit aufzurufen, war Porcaro durch eine Hintertüre in die Wohnung einer seiner Schwestern entflohen. Die Polizei verhaftete viele Verschworene in ihren Häusern und suchte nach dem Ritter, auf dessen Kopf ein Preis gesetzt ward. Er verkleidete sich und ging nachts nach dem Palast des Kardinals Latinus Orsini, dessen Großmut um ein Asyl anzuflehen; jedoch Gabadeo, ein Freund, welcher ihn dorthin begleitet und den auf der Straße Wartenden angemeldet hatte, wurde vom Kardinal festgehalten. Porcaro entwich zu einer zweiten Schwester nach dem Viertel Regola. Auf der Folter bekannte unterdes der Gefangene des Kardinals den Zufluchtsort des Ritters, und der unglückliche Freiheitsschwärmer wurde schon am Morgen aus dem hölzernen Kasten hervorgeholt, in den ihn die Schwester verschlossen hatte. Man führte ihn in die Engelsburg.

Die Priesterschaft war in Schrecken, der Papst außer sich. Man übertrieb die Verhältnisse der Verschwörung. Hoffnungen gestalteten sich unter den Qualen der Tortur zu Geständnissen von Handlungen. Die Florentiner, Sforza, Alfonso, Venedig, kurz die Mächte Italiens sollten in den Plan zum Umsturz der Papstgewalt und zur Plünderung des Klerus eingeweiht sein. Der Prozeß wurde mit ungewohnter Schnelligkeit beendigt. Schon am 9. Januar, drei Stunden vor Tagesanbruch, führte man den Ritter zur Hinrichtung ab. Er war von Kopf bis zu Fuß schwarz gekleidet. In einem Turme des Kastells ward er aufgeknüpft. Es ist ungewiß, ob seine Leiche in S. Maria Traspontina heimlich beigesetzt oder in den Tiber hinabgestürzt wurde. Wenn der unglückliche Porcaro außer den Helden des Altertums, die ihn begeistert hatten, auch die Geschichte der Stadt im grauen Mittelalter kannte, so durfte er sich auf seinem letzten Gange mit dem Gedanken trösten, daß er für dieselbe Sache, deren Märtyrer schon Crescentius gewesen war, auf derselben Stelle den Tod erlitt. Für seinen Nachruhm wäre es freilich ein Glück gewesen, wenn er so tapfer kämpfend geendet hätte wie jener Feind Gregors V. und Ottos III. Sein Versuch, Rom umzuwälzen, war nur ein kraftloses Nachspiel der großen Tragödie Cola di Rienzos, von dessen wundervollem Genie nichts in Porcaro gelebt hatte. Nikolaus V. befahl, ohne Gnade die Schafotte aufzurichten. Hier zeigte er sich ohne Größe, aber seine Strenge war begreiflich genug. Noch an demselben Tage wurden neun Verschworene auf dem Kapitol gehenkt; ihnen folgten andere Opfer. Die Städte, wohin manche sich geflüchtet hatten, selbst Venedig, lieferten sie aus: auch der tapfere Krieger Battista Sciarra verlor seinen Kopf in Città di Castello. Man schalt den Papst grausam, selbst treulos. Man sagte ihm nach, daß er auf Fürbitten des Kardinals von Metz einen Verurteilten begnadigte und dann den Befehl zu seiner Hinrichtung gab. Das Haus Porcaros ließ er einreißen; doch wurde dasselbe nicht völlig zerstört und später wieder aufgebaut. Die Porcari bewohnten es als ein angesehenes Geschlecht am Ende des XV. wie im XVI. Jahrhundert, wo es darin viele Statuen und Inschriften gab.

Die Hinrichtung des römischen Ritters machte großes Aufsehen; denn Porcaro war ein durch Talente, Liebenswürdigkeit und vornehme Erscheinung sehr ausgezeichneter Mann gewesen. Viele Fürsten und Große, die berühmtesten Menschen Italiens hatten ihn gekannt und geehrt. In Rom selbst sahen die Anhänger der alten Verfassung in ihm den hochherzigen Märtyrer, im Papst den grausamen Tyrannen der Freiheit. Infessura, Schreiber des Senats, Augenzeuge der Hinrichtung Porcaros, schrieb ihm in seinen Annalen Roms folgenden Nachruf nieder: »So starb dieser Ehrenmann, der Freund des Wohles und der Freiheit Roms; ohne Grund aus der Stadt verbannt, wollte er sein eigenes Leben an die Befreiung seines Vaterlandes von der Knechtschaft setzen, wie er durch die Tat bewies.« Die Erinnerung an Porcaro blieb in Rom lebendig. Wir sahen sie selbst noch im Jahre 1866 erwachen, wo eine merkwürdige Schrift Porcaros politische Ansichten wiederholte und seinen Namen trug. Denn Rom ist, wie wir oft bemerkt haben, der einzige Ort in der Welt, wo die Schatten der Vergangenheit noch nicht zur Ruhe gekommen sind.

Unter den Anhängern des Papsts wurden andere Urteile vernommen. Humanisten wie Manetti, Filelfo und Poggio, wie Alberti, Piccolomini und Platina, selbst Valla, welcher die Papstgewalt zur Zeit Eugens so heftig angegriffen hatte, verdammten ihren ehemaligen Freund, weil sie in Nikolaus V. den liberalsten Mäzen gefunden hatten. Sie standen in seinem Dienst; sie schrieben und übersetzten für ihn; sein Sturz würde auch ihr eigener geworden sein. »War nicht Rom in Frieden und Glück? Floß nicht aus dem Füllhorn des Papsts tausendfacher Segen auf die Bürger nieder? Wurde etwa Rom wie andere Städte durch Steuern für einen Tyrannen ausgezogen? War nicht das Regiment des Papsts das mildeste unter allen Regierungen überhaupt? Genossen nicht die Bürger vollkommene Freiheit, soweit sie mit den Gesetzen vereinbar war? Und doch jagten sie noch immer dem Phantome der Republik nach, um die wirklichen Güter der Gegenwart mit dem Schatten zu vertauschen!« – Dies sind die Gedanken, welche Zeitgenossen, Höflinge Nikolaus' V. auf Grund der Verschwörung Porcaros in Prosa und in Versen aussprachen. Der Papst wiederholte mit Bitterkeit dieselben Vorwürfe gegen die Undankbarkeit der Römer. Denn wie sollte er anerkennen, daß auch das Prinzip seiner Gegner, geschichtlich begründet wie es war, immer wieder sein Recht verlangen, immer wieder in Kampf mit der päpstlichen Gewalt treten mußte? Die Selbständigkeit Roms, deren Untergang Männer wie Porcaro und Infessura beweinten, war unrettbar geworden. Sie fiel früher als die Autonomie anderer Republiken Italiens; den Verlust dieser munizipalen Freiheit ersetzte eine Zeitlang die Natur Roms und die des Papsttums durch ein großartiges, keiner anderen Stadt der Erde eigenes Wesen, in dessen kosmopolitischer Luft sich alles Monarchische und Dynastische verzehrt. Es war der moralische Weltbezug Roms, der Welthauch, der darin wehte, die Weltidee der Kirche, die sich noch im Papsttum abspiegelte, wodurch die Alma Roma diejenigen bezauberte, die in ihr lebten und zu dem Bekenntnis zwang, daß nirgends der Mensch sich freier von Vorurteilen empfinde als in dieser Weltrepublik.

Seit dem 9. Januar 1453 wurde Nikolaus V. nicht mehr froh: ihm war Rom verleidet. Schnell alternd, vom Podagra gequält, begann er sich mißtrauisch zu verschließen; kaum oder nur mit Bedeckung bewegte er sich in Rom. Noch war er vom Eindruck jener Verschwörung verdüstert, als ihn eine fast vernichtende Kunde traf: am 29. Mai 1453 hatte Mohammed II. Konstantinopel erobert und über den Leichen von 50 000 Christen seinen Einzug in die Heilige Sophia gehalten. Das griechische Reich war nach einer Dauer von elf Jahrhunderten aus der Geschichte ausgelöscht, und an seine Stelle trat das furchtbare Türkenreich. Der Schatten des letzten Kaisers von Byzanz konnte die beiden Häupter der katholischen Christenheit schwer verklagen; denn was hatten sie getan, um Griechenland, diese erste Hälfte der menschlichen Kultur, zu retten? Vergebens hatte der unglückliche Constantin das Abendland mit seinen Hilferufen erfüllt; es war mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt und einer gemeinsamen Unternehmung nicht fähig. Der römische Kaiser saß müßig auf seinem Landgut, pflanzte Gärten und fing Vögel. Der Papst wiederum hatte den byzantinischen Kaiser nur mit Forderungen zur Aufrechterhaltung der Florentiner Union bestürmt, von welcher er die Hilfe des Okzidents abhängig machte. Es schien ihm, so warf man ihm vor, mehr an der Erhaltung eines Dogma als des griechischen Reichs gelegen. Der Kardinal Isidorus war Zeuge des Falles Konstantinopels; er entfloh, aber der letzte Constantin beschloß, glücklicher als der letzte Romulus Augustus, die lange Reihe der Imperatoren des Ostens mit einem ruhmvollen Tode durch Feindeshand.

Die Stumpfheit, mit welcher Fürsten und Völker das Bollwerk Europas fallen sahen, bewies, daß die christliche Religion aufgehört hatte, das bewegende Prinzip der Menschheit zu sein. Der Untergang von Byzanz erweckte nur einen Sturm europäischer Beredsamkeit. Mit den Kreuzzugsbullen wetteiferte das oratorische Klagegeschrei der Humanisten, welche den Verlust der literarischen Schätze Griechenlands beweinten, aber, wie Nikolaus V. selbst, deren Trümmer nach Italien hinüberzuretten eilten. Türkenreden beschäftigten fortan die Parlamente, die Schulen und Kanzeln, die Muße und die Mode des Abendlandes, während Kaiser, Papst und Fürsten in dem Türkenzehnten ein willkommenes Mittel finanzieller Bereicherung fanden, wie ihre Vorfahren dies in dem Kreuzzugszehnten gefunden hatten.

Jetzt warf auch Nikolaus einen Blick auf den Zustand Italiens, nachdem er bisher zugesehen, wie die dortigen Mächte einander schwächten, während er selbst es mit keiner verdarb und seinen Kirchenstaat vor Krieg bewahrte. Die Usurpation Mailands hielt diese Mächte in Streit: Sforza war mit den Florentinern, Venedig mit Alfonso verbündet. Um diesem einen alten Feind zu erwecken, hatte das vom neapolitanischen Kriegsvolk bedrängte Florenz sogar René in die Lombardei gerufen, wo er sich mit Sforza verband. Der Papst, welcher Carvajal zu den Streitenden gesendet hatte, bewog sie jetzt im Jahr 1454, einen Kongreß in Rom zu beschicken, wo Italien beruhigt werden sollte, um seine vereinigten Waffen gegen die Türken zu wenden. Doch die Bemühungen der italischen Gesandten hatten keinen Erfolg, weil Nikolaus solche Lauheit zeigte, daß jene nach einem Aufenthalt von Monaten unwillig Rom verließen. Der Feuereifer eines Augustinermönchs Fra Simonetto von Camerino übernahm das Friedenswerk. Er ging zwischen Mailand und Venedig hin und her, und am 9. April 1454 schlossen diese Mächte den Frieden zu Lodi, wodurch Sforza die Anerkennung als Herzog erhielt. Dem Vertrage beizutreten, wurden die übrigen Parteien eingeladen. Der Friede war ohne Zutun des Papsts gemacht worden, aber auch ohne Wissen Alfonsos: der König weigerte den Beitritt, auch nachdem die Florentiner am 30. August den Vertrag gezeichnet hatten. Die Gesandten der drei versöhnten Mächte eilten hierauf über Rom nach Neapel, begleitet vom Legaten Capranica, und diesen überredete Alfonso, den Frieden (am 26. Januar 1455) anzunehmen. Nur seine verhaßten Feinde, Genua, Malatesta, welcher von ihm einst treulos zu den Florentinern abgefallen war, und Astorre von Faenza nahm er davon aus. Durch neuen Vertrag schlossen demnach der Papst, Alfonso, Florenz, Venedig, Mailand und andere Dynasten auf 25 Jahre ein Bündnis gegen alle fremden Mächte, die Italien angreifen würden. Die Furcht vor den Türken, welche die Seerepubliken aus ihren Kolonien am Bosporus verdrängt hatten und bald im Mittelmeer erscheinen konnten, bewirkte diesen ersten nationalen Bund der Italiener. Nikolaus hatte noch die Genugtuung, ihn abgeschlossen zu sehen, ehe er am 24. März 1455 starb.

Als er sich zum Tode anschickte, versammelte er die Kardinäle an seinem Lager. Er richtete eine Rede an sie; sein Biograph, der eitle Manetti, mag diesen Abschied seines Mäzens von der Welt stilisiert haben, doch es war vollkommen der Zeit gemäß, daß ein humanistischer Papst mit einer Rede von der Bühne der Geschichte abtrat, worin er sich selbst, gleich dem sterbenden Augustus, mit Wohlgefallen betrachtete. Wenn Nikolaus V. einige Vorwürfe, wie Konstantinopel und die Reform der Kirche, dem Urteil seines Gottes überließ, so durfte er von sich sagen, daß er wenig Böses verschuldet und viel Gutes geschaffen hatte. Die Schätze, die er aufgehäuft, hatte er weder in Kriegen verbraucht, noch an Nepoten verschleudert. Als Papst hatte er das bedürfnislose Leben eines Magisters geführt und vom fürstlichem Stolz war er so weit entfernt gewesen, daß er statt des Familienwappens stets nur die Schlüssel Petri gebrauchte. Sein Ehrgeiz war nur auf das eine Ziel gerichtet, das Papsttum mit monumentaler Pracht in Erscheinung treten zu lassen und seine Autorität zu vergeistigen, indem er es zum Mittelpunkt auch der wissenschaftlichen Welt machte. So sollte dasselbe, während sein religiöser Nimbus im Glauben der Menschheit sich minderte, noch als die intelligente Macht der Zeit von sich selber Zeugnis geben. Alles was Nikolaus V. unternahm, war dazu bestimmt, das Ansehen des Heiligen Stuhles zu erhöhen. In den Augen der Apostel würde dieses Ziel nicht als das christliche Ideal gegolten und sie würden dem trefflichen Papst zweifellos erklärt haben, daß er das Papsttum mit der Kirche und die Angelegenheiten des römischen Kirchenstaates mit denen der christlichen Republik verwechsle. »Ich habe«, so sagte der Sterbende, »die heilige römische Kirche, welche ich von Kriegen verstört und von Schulden erdrückt vorfand, so reformiert und so befestigt, daß ich ihr Schisma tilgte und ihre Städte und Schlösser wiedergewann. Ich habe zu ihrem Schutz prachtvolle Festungen wie in Gualdo, Assisi, Fabriano, Civita Castellana, in Narni, Orvieto, Spoleto und Viterbo errichtet, ich habe sie mit herrlichen Bauten, mit den schönsten Formen einer von Perlen und Edelsteinen schimmernden Kunst geschmückt, sie mit Büchern und Teppichen, mit goldenen und silbernen Geräten, mit köstlichen Kultusgewändern überreich ausgestattet. Und alle diese Schätze sammelte ich nicht durch Habsucht und Simonie, Geschenke und Geiz, vielmehr jede Art großmütiger Liberalität ward von mir geübt, in Bauwerken, im Ankauf zahlreicher Bücher, in fortgesetzter Abschrift lateinischer und griechischer Handschriften und in der Besoldung gelehrter Männer der Wissenschaft. Aus der göttlichen Gnade des Schöpfers und dem beständigen Frieden der Kirche während meines Pontifikats ist mir alles dies zugeflossen.«

Zur Zeit Julius' II. und Leos X. hätte die Voraussetzung, daß die Prachtliebe eines Papsts der Entschuldigung bedürfe, nur Lachen erregt; aber Nikolaus V. bedurfte ihrer noch in den Augen der Zeitgenossen der Reformkonzile. Seine Abschiedsrede ist daher seine Apologie, die Verteidigung gegen die Vorwürfe altgläubiger Menschen. Aus den höchsten Gesichtspunkten des Christentums betrachtet, zeigt sich zugleich, wie römisch begrenzt der Horizont der Ideen dieses Papstes war. Unter Nikolaus V. begann die Kirche, das heißt das römische Papsttum, in strahlender Herrlichkeit der Zeremonien sich darzustellen. Wenn dies weder die Billigung des Hl. Hieronymus noch Sankt Bernhards würde gefunden haben, so entfaltet sich doch aus solchem Trieb eine Großartigkeit der Formen des Kultus, deren der Mensch zuzeiten bedarf, um seinen Geist durch Anschauung von Schönheit und Erhabenheit zu erhöhen. Die Kirche hatte nach den Begriffen Nikolaus' V. die Epoche ihres Kampfes beendigt, und sie war in die ihres Triumphes eingetreten. Sie hüllte sich seither in das Gewand formenschöner Pracht, wozu der Geist des Altertums mitwirkte; denn der Sinn für das Klassische trat jetzt immer mächtiger und mit ganz heidnischer Färbung hervor. Am Sarge des Papsts im Jahre 1455 vernahm man schon diese Totenklage, welche zur Zeit des Sankt Franziskus oder nur der Katharina von Siena würde unerhört gewesen sein: »Die heiligen Musen würden wohl über den schrecklichen Tod unseres Nikolaus mit Recht lauten Jammerruf erheben, da nun die Säule der Literatur zerbrochen ist, wenn Unsterbliche, wie der Dichter sagt, überhaupt Sterbliche beweinen dürften.« In Wahrheit begann die prachtvolle Verweltlichung des Papsttums mit Nikolaus V., ohne daß dieser edle Mann sich ihrer Folgen bewußt war. Sie erreichte sodann unter Leo X. die äußerste Höhe. Aber die Päpste vom Mäzenatenhause der Medici, schwelgerischer im Gefühle des Schönen und von feinerem Sinn für geistigen Luxus, besaßen weder die wissenschaftliche Leidenschaft noch die Großartigkeit der Pläne Parentucellis, des armen Günstlings Cosimos.

Den Geschichtschreibern der Kirche gehört das Urteil, ob Nikolaus V. trotz seiner Begeisterung für das Ideal des Papsttums in ihr mehr als ein gewöhnlicher Geist gewesen ist, oder ob er auch nur für die Gefahren, denen sie entgegentrieb, ein Verständnis besessen hat. Auch dieser Mann, welcher so glücklich schien, seufzte oft, zumal in seiner letzten Zeit, über das Unglück, Papst zu sein. Er erkannte wohl, wie tief verderbt alles um ihn her war. Er selbst fand das Papsttum, wie wir sahen, in einem schon verengten Kreise des Wirkens vor. An die einzige großartige Aufgabe, die ihm etwa geblieben war, die Reform, wagte er sich nicht; und diese hätte ja das Papsttum am Ende selbstverneinend gegen sich selbst wenden müssen. Aber dasselbe bot zum Glück für die Förderung der Kultur dem vom Geiste der Alten genährten Sinne Nikolaus' V. die Mittel dar, seine edlen Neigungen in weiten Kreisen wirken zu lassen. In den acht Jahren seines Mäzenats auf dem Stuhle Petri gründete er mit unerschöpfter Liberalität vieles, was in den Zeiten segensreich fortgewirkt hat und noch besteht. Die Gestalt dieses merkwürdigen Mannes erscheint daher nur unvollständig innerhalb der politischen und kirchlichen Geschichte jener Zeit, denn erst in der Geschichte der wissenschaftlichen Kultur kommt sie zu ihrer vollen Berechtigung.

In den Grotten des Vatikan liegt die steinerne Figur Nikolaus' V. auf dem schmucklosen Sarkophag; der Betrachter blickt dort, eine Kerze in der Hand, mit Anteil in das hagere Antlitz dieses Mannes, um dessen Mund das geistreiche Lächeln eines Rhetors zu spielen scheint, welcher über antiken Handschriften attische Nächte hinbrachte. Er darf urteilen, daß dieser Papst ein Wohltäter der Menschheit war, zu deren geistiger Befreiung durch die Schätze der Weisheit Griechenlands und Roms auch er mächtig beigetragen hat.


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