Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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4. Die Aristokraten beginnen den Krieg. Cola belagert Marino. Seine Zusammenkunft mit dem Kardinallegaten in Rom. Der Adel beschließt von Palestrina aus den Zug gegen Rom. Blutige Niederlage der Barone am 20. November. Tragischer Fall des Hauses Colonna. Triumphe des Tribunen. Verändertes Wesen Colas. Seine Schwäche und Mutlosigkeit. Er unterwirft sich dem Kardinal. Aufstand in Rom und Abzug Colas vom Kapitol.

Die rachevollen Barone erhoben zuerst die Waffen. Die beiden Orsini hatten, ihres Eides spottend, Marino verschanzt und das Kastell zum Sammelplatz für die Reaktion gemacht. Der Tribun ächtete sie; er ließ Rinaldo und Jordan als Verräter am Kapitol abmalen, die Köpfe unterwärts. Sie antworteten mit Streifzügen bis an die Tore Roms, setzten über den Tiber, bewältigten Nepi, brandschatzten das Stadtgebiet. Nun zog der Tribun im Lauf des Oktober mit 20 000 Mann zu Fuß und 800 zu Pferd gegen Marino. Die Landschaft dieses Orts wurde grausam verheert; halb Rom lag dort und plünderte; man rüstete den Sturm. Da geschah es, daß der bevollmächtigte Legat Bertrand de Deus in der Stadt anlangte und im Namen des Papsts Cola aufforderte, vor ihm zu erscheinen. Der Tribun ertränkte zwei »Ritterhunde«, die er Rinaldo und Jordan getauft hatte, im Bach bei Marino, hob die Belagerung auf und zog nach Rom. Sofort ließ er den Palast Orsini bei S. Celso niederreißen; mit seiner Reiterei ritt er nach dem Vatikan. Nichts ist ergötzlicher als der Besuch des Tribuns beim Kardinal. Von Kopf bis zu Fuß gepanzert, aber zugleich mit der in Perlen und Gold gestickten Dalmatika bekleidet, welche die Kaiser bei ihrer Krönung zu tragen pflegten und die er in der Sakristei über seine Rüstung gezogen hatte, so schritt er, wildblickend, die Treppe des Palasts hinan, die silberne Tribunenkrone auf dem Haupt, den stählernen Zepter in der Hand; Trompeten schmetterten vor ihm her. »Du hast nach mir geschickt«, so sagte er zum Kardinal, »was steht zu Dienst?« Der erstaunte Legat antwortete: »Ich habe einige Aufträge von unserm Herrn, dem Papst.« – »Was sind dies für Aufträge?« rief der Tribun mit erhobener Stimme. Der Legat sah ihn an und schwieg. Der Tribun kehrte ihm verächtlich den Rücken, ging mit phantastischem Lächeln aus dem Palast, stieg aufs Pferd und brach wieder nach Marino auf. Der Kardinal blieb in Rom, ohne zu wissen, wie er die Befehle des Papsts ausführen solle. Da sein Einverständnis mit den Orsini und Colonna ruchbar ward, floh er bald darauf nach Montefiascone, wo der Rector des Patrimonium seinen Sitz hatte.

Für den Krieg gegen Marino bot Cola alle Bundesgenossen auf und forderte Hilfe von Florenz. Unglücklicherweise konnte er das Kastell nicht einnehmen, und dies gab den Colonna Mut, einen Handstreich gegen Rom auszuführen, zumal hier das Volk durch Kriegsmühsal und Verluste erschöpft war und viele Cavalerotti, ungelöhnt und über Cola unzufrieden, bereits mit den Aristokraten unterhandelten. Der greise Stefan, seine ritterlichen Söhne und Enkel, seine Freunde vereinigten sich alle im Schloß zu Palestrina, und sie sammelten 4000 Mann und 600 Reiter, wobei sie der Kardinallegat von Montefiascone her unterstützte. Gegen diese furchtbaren Gegner rüstete sich Cola in fieberhafter Aufregung. Dem Bundesvertrage gemäß sandte ihm Ludwig von Ungarn 300 Reiter; der Präfekt schickte Getreide und kam selbst mit seinem Sohne Francesco, mit 15 kleinen Herren Toskanas und 100 Reitern nach der Stadt. Der argwöhnische Tribun wiederholte sein verräterisches Spiel: er ließ den Präfekten und dessen Begleiter vom Mahl ins Gefängnis führen. Ihre Pferde und Waffen verteilte er unter die Römer; seine Treulosigkeit entschuldigte er vor dem Parlament mit den verräterischen Absichten des Gefangenen. Angst und Ungeduld regten ihn auf; er aß nicht mehr und verlor den Schlaf. Er hatte oder er erfand geniale Visionen. Sankt Martin, Sohn eines Tribuns, erschien ihm hilfeverheißend im Traum; der Geist Bonifatius' VIII. sagte ihm, daß er jetzt Rache an seinen Todfeinden, den Colonna, nehmen wolle. Der kranke Tribun ließ Sturm läuten; er kam geharnischt in die Volksversammlung und offenbarte seine Erscheinungen. Die Feinde, so sagte er, lagern schon vier Millien vor der Stadt, bei dem Ort, welcher das Monument heißt. Dies ist ein Zeichen des Himmels; in diesem Monument wollen wir sie begraben. Es war der Morgen des 20. November; Cola ordnete 1000 Reiter und vieles Fußvolk in drei Zügen unter Hauptleuten vom Adel, denn Cola Orsini von S. Angelo, Jordan vom Monte Giordano, Angelo Malabranca, Matteo, Sohn des Grafen Bertold und mehrere andere Barone waren aus Familienzwist oder andern Gründen noch im Dienste der Republik. Als Parole wurde der Ruf: »Heiliger Geist Ritter« ausgeteilt. Man brach im Morgengrauen nach dem Tor S. Lorenzo auf, gegen welches der Angriff der Feinde gerichtet war.

Die Barone waren in der Nacht vom 19. zum 20. November vom Monument aufgebrochen und bis zum Kloster Sankt Laurentius vorgerückt. Es regnete in Strömen, und die Luft war kalt. Stefan der Jüngere, Generalkapitän des Heeres, hielt dort Kriegsrat; es waren um ihn sein Sohn Johann, Peter, Sohn des Agapitus, Herr von Genazzano, Jordan Orsini von Marino, Sciaretta, Sohn des berühmten Sciarra, Cola di Buccio, Petruccio Frangipane, zwei Gaëtani, Grafen von Fundi. Man hörte deutlich die Glocken in der Stadt Lärm läuten; man war nicht ganz einig, was zu tun sei. Der Exsenator Petrus Colonna, ehemals Geistlicher, in Waffen ungeübt, wurde ängstlich; ein Traumbild der Nacht, wo er sein Weib in Witwenkleidern gesehen hatte, verdüsterte ihn. Er riet zur Umkehr nach Palestrina; die andern Colonna widersprachen. Weil einige Cavalerotti in Rom das Tor aufzutun verheißen hatten, ritt Stefan, nur von einem Knappen begleitet, dorthin. Er rief die Wache an, ihn einzulassen; »Ich bin«, so sagte er, »ein römischer Bürger und ein Freund der Republik; ich will in mein Haus zurückkehren.« Die Wachen waren in der Nacht gewechselt worden; zum Beweise, daß man das Tor nicht öffnen werde, warf der Hauptmann die Schlüssel auf die Straße hinab. Als die Barone erkannten, daß sie getäuscht seien, beschlossen sie, nichts zu wagen, sondern mit klingendem Spiel bis vor das Tor zu ziehen und dann einen ehrenvollen Rückzug nach Palestrina zu nehmen. So taten zwei Heerhaufen. Während nun die dritte Schar, in der sich die berühmtesten Ritter befanden, ein gleiches tun wollte, sahen die acht zugführenden Barone das Tor aufgetan. Die Römer waren eben herangezogen und hatten es von innen aufgesprengt, um auszufallen. Johann Colonna, Stefans Enkel, ein blühender Jüngling von 20 Jahren, wähnte, daß die Verschworenen das Tor geöffnet hätten, und sprengte in tollkühnem Mut hinein, nur von einem deutschen Ritter begleitet. Die römische Reiterei machte beim Anblick dieses jungen Helden kehrt; als man jedoch sah, daß ihm niemand folgte, wandte man sich gegen. ihn. Der Unglückliche eilte jetzt, das Tor zu gewinnen, aber er stürzte mit dem Pferd in eine Vertiefung.

Draußen suchte Stefan seinen Sohn: ahnungslos ritt auch er durch das halboffene Tor. Die Sonne war aufgegangen; der edle Jüngling lag in einer blutgefärbten Wasserpfütze, von wütendem Volk umringt, das ihn tötete. Stumm ritt der Vater zurück, dann kehrte er wieder; ein Steinwurf traf ihn; sein Roß warf ihn ab, man erschlug ihn im Augenblick. So lagen Vater und Sohn, der Stolz ihres Hauses und der gesamten römischen Ritterschaft, beide tot, nur durch die Stadtmauer voneinander getrennt. Ihr Fall riß die Barone zur Wut hin; sie stürmten gegen das Tor, aus welchem die gleich erhitzten Römer ausfielen. Das Banner Colas sank; er selbst schrie voll Furcht: Gott hast du mich verraten! Doch die Römer siegten, und die Gegner wichen zurück. Petrus Colonna, ein stark beleibter Herr, war in einen Weinberg am Tor geflohen; er bat um sein Leben; man schlug den Exsenator nieder, wie seinen Vetter Petrus, Baron von Belvedere. Die Aristokraten zerstreuten sich in entsetzter Flucht. Der todwunde Jordan Orsini erreichte nebst einem der Grafen von Fundi das Schloß Marino, andere retteten sich nach Palestrina. Die nackten Leichen von mehr als achtzig großen Herren, einst den gefürchteten Peinigern des Volks, blieben dem wilden Hohne des Pöbels bis zum Nachmittag ausgesetzt. Dies ist der schwarze Tag der Fabier in der Geschichte des mittelalterlichen Stadtadels; er erholte sich nie mehr davon; die Gewalt der großen Geschlechter, welche die Republik so lange regiert hatten, war am 20. November 1347 für immer gebrochen.

Der Tribun hatte in Todesfurcht gezittert, als er die ersten Waffen blitzen sah, aber jetzt bekränzte er sein Haupt mit Olivenlaub, ließ die Trompeten blasen und führte seine Scharen triumphierend aufs Kapitol, wo man die Gefangenen in die Kerker warf. Er trat hier vor das versammelte Volk, wischte als Komödiant sein unblutiges Schwert an seinem Kleide ab, steckte es in die Scheide und sprach: »Du hast das Ohr von einem Haupt abgeschlagen, welches nicht Kaiser noch Papst zu treffen imstande waren«. Er schrieb phantastische Siegesberichte, und Boten mit dem Ölzweig in Händen trugen sie zu den Städten Italiens. Ganz Rom war berauscht von Grauen und wilder Freude. Am Abend brachte man die drei erschlagenen Colonna, Stefan, Johann und Petrus, in die Familienkapelle zu Aracoeli. Ihre edlen Witwen drangen in die Kirche, von Klageweibern gefolgt, mit zerrissenen Gewändern und aufgelöstem Haar, sich auf die geliebten Toten zu stürzen. Der wahnsinnige Tribun ließ sie verjagen. »Wenn diese drei verdammten Leichname«, so rief er, »mich noch weiter ärgern, so will ich sie in die Grube der Gehängten werfen, wohin sie als Verräter gehören.« Man trug sie in der Nacht nach S. Silvestro in Capite; denn dort hatte das Haus Colonna für seine Töchter ein Nonnenasyl gestiftet, und hier begruben sie heilige Frauen ohne Totenklage.

Das Schicksal des greisen Stefan war tief tragisch und seine Fassung eines Römers würdig. Als der Unglücksbote ins Schloß Palestrina trat und ihm meldete, sein erstgeborener Sohn, sein herrlicher Enkel und seine Neffen seien alle tot, blickte er stumm zur Erde, dann sagte der stolze Aristokrat mit Ruhe: »Der Wille des Herrn geschehe; jawohl, sterben ist besser, als das Joch eines Bauern ertragen.« Das Lob, welches Petrarca diesem Römer erteilte, daß er ein Phönix aus der Asche alter Helden sei, mochte nicht ganz übertrieben sein. Vier Jahre zuvor hatte er ihn in Rom besucht und ein Bild von seinem Wesen entworfen: »Großer Gott! Welche Majestät in diesem Greise! Welche Stimme, Stirn und Antlitz, welche Art, Geisteskraft und Körperstärke in solchem Alter. Ich glaubte, Julius Caesar oder Scipio Africanus vor mir zu sehen; nur daß er weit älter ist als beide; und trotzdem hat er in sieben Jahren, seit ich ihn in Rom zum zweitenmal, oder in zwölf Jahren, seit ich ihn zu Avignon zum ersten Male sah, sich kaum verändert.« Der edle Greis hatte sein Schicksal Petrarca vorausgesagt; er überlebte seine Kinder; denn auch der Kardinal Johann starb ein Jahr nach dem Unglückstage. Petrarca verließ zufällig Avignon, um nach Italien heimzukehren, an demselben 20. November, an welchem seine Freunde und Wohltäter den Untergang fanden. Er hörte die Kunde davon mit Bestürzung und vergoß Tränen; aber er bewahrheitete, was er früher ausgesprochen hatte, daß Rom und Italien ihm teurer seien als die Familie Colonna, die er auf der Welt am meisten liebe. Dem Tribun konnte er jetzt vorwerfen, was Maharbal dem Hannibal vorgeworfen hatte. Statt nach seinem Siege schnell vor Marino und Palestrina zu erscheinen, hielt Cola Schaugepränge und Triumphzüge. Seinen Sohn Lorenzo führte er tags nach dem Gefecht ans Tor desselben Namens und zur Stelle, wo der ritterliche Colonna gefallen war; er taufte ihn hier aus der Blutlache zum Ritter Laurentius vom Sieg, worauf ihm die Hauptleute der Reiterei den Ritterschlag erteilten mußten. Diese rohe Handlung machte ihn verächtlich. Die Ritter weigerten sich fortan, ihm zu dienen; die Vornehmen verließen seinen bisher glänzenden Hof; er umgab sich mit verworfenen Menschen. Unfähig, das Glück zu ertragen, verwandelte sich der Mann des Volks in einen schwelgenden Tyrannen. Der Ruf von dem veränderten Wesen des Befreiers Roms war schon vor dem 20. November laut geworden. Petrarca schrieb ihm trauernde Briefe aus Genua und beklagte den Untergang seines Genius. Sein Glaube an den Bestand der Freiheit war noch im September unerschüttert gewesen. Als er damals gehört hatte, daß die Ungarn Sulmona belagerten, schrieb er an Barbatus voll Aufregung, beklagte den Einfall dieser Barbaren in die Vaterstadt Ovids, setzte jedoch seine Hoffnung auf das römische Volk und den hochherzigen Tribun, dessen Schutz er den Freund empfehlen wollte. Im November hatte er nur noch Tränen der Täuschung um das Los des entstellten Italiens und des wieder sinkenden Roms; er begann sich seiner eigenen lyrischen Begeisterung zu schämen.

Cola schwelgte und erpreßte Geld; er erhöhte die Salzsteuer, seine Truppen zu löhnen; das Volk murrte; er wagte kaum mehr, es zu versammeln. Der Sieg über die Colonna war der Gipfel seines Glücks, nicht seiner Macht. Alsbald fiel er aus Berauschung in grenzenlose Schwäche. Die Orsini streiften wieder vor Rom und erzeugten Mangel in der Stadt. An die Spitze der Aristokraten stellten sich jetzt Luca Savelli und Sciaretta Colonna, mit dem Kardinal im Bündnis, welcher von Montefiascone aus die Städte Umbriens und Toskanas zu Hilfe rief. Als der Legat mit Acht und Bann und Ketzerprozeß drohte, ward der Tribun mutlos. Er nahm den päpstlichen Vikar wieder zum Amtsgenossen an und erklärte seine Unterwerfung unter den Papst. Weil eine der schwersten Anklagen wider ihn die Huldigung der Sabina war, so schrieb er an die dortigen Gemeinden am 2. Dezember, daß er die Gewalt des Podestà, die sie ihm übertragen, niederlege, seinen Stellvertreter abberufe und die Ordnung ihres Verhältnisses zur Kirche dem Kardinal überlasse; im übrigen sollten sie nichts fürchten; er würde sie in der Not nicht preisgeben, nur wolle er mit der Kirche Frieden machen. Schon in diesem Brief nannte sich Cola nur einfach Tribunus Augustus; er wollte sogar nur Rector des Papsts heißen; er widerrief alle seine Dekrete von den Majestätsrechten Roms, auch die Vorladung der Reichsfürsten. Um den Argwohn zu entfernen, daß er sich mit Hilfe Ludwigs von Ungarn zum Tyrannen machen wolle, ließ er unter Mitwirkung des päpstlichen Vikars am 7. Dezember 39 Popolanen als Beirat wählen. Aber die Weigerung dieses Volksrates, eine Salzsteuer und die Wahl eines Kriegskapitäns zu genehmigen, war schon ein übles Zeichen. Der Streit zwischen ihm und einigen der Gewählten hatte freilich zur Folge, daß der ganze Rat vom Volk vertrieben wurde, und sie zeigte Cola, daß er noch nicht alle Gunst verloren hatte. Die Römer wollten sich dem päpstlichen Regiment nicht mehr fügen: als ihnen Cola sagte, daß er die Stadt nach den Bedingungen des Kardinallegaten regieren wolle, forderten sie mit Ungestüm, diese Artikel zu hören, was er verweigerte. Der Vikar sah sich in Gefahr; er entwich am 11. Dezember unter Verwünschungen über den Heuchler Cola und die trotzigen Römer und begab sich nach Montefiascone. So war Cola wieder alleiniger Regent. Er hoffte jetzt das Volk zu gewinnen und selbst die Aristokraten sich zu versöhnen, weshalb er den Präfekten aus dem Kerker entließ. Doch sein Ansehen war schon so tief erschüttert, daß der leiseste Stoß seine Macht zu Boden werfen mußte.

Am 3. Dezember hatte der Papst eine heftige Bulle an das römische Volk erlassen, Cola als Frevler, Heiden und Ketzer gebrandmarkt und die Römer ermahnt, ihn von sich auszustoßen. Unter den Vergehen des Tribuns hatte er jetzt auch diese hervorgehoben, daß er Kirche und Reich umstürzen wolle, denn er habe den Städten Italiens Stimmen für eine neue Kaiserwahl angeboten und in seinem Wahnsinn selbst nach der Kaiserkrone gestrebt, unbekümmert um die Gefahren, in welche er die Römer versetze, da er den Zorn aller Deutschen und der Kirche auf sie lade; er habe Geistliche eingekerkert, die Rechte der Kirche an sich gerissen, durch Edikt allen römischen Prälaten die Rückkehr in die Stadt geboten und sogar zu erklären gewagt, daß Rom und die Kirche eins seien. Cola fiel noch eher, als diese Bulle Rom erreichte. Das nahe Jubiläum stand vor den gierigen Römern; der Papst konnte es ihnen entziehen, und sie hatten zu wählen zwischen der Freiheit, die nur Opfer verlangte, und der Unterwerfung, welche Überfluß verhieß. Die wachsende Gefahr entmutigte Cola mit jedem Tage mehr; finstere Träume vom Einsturz des Kapitols ängstigten ihn; das Geschrei einer Eule, die sich in den Ruinen hören ließ und nicht zu verjagen war, erregte ihm Furcht und Grauen. Er litt viel an Schwindel und wurde oftmals ohnmächtig. Der Zufall stürzte ihn vom Kapitol.

Dem Vertrage gemäß war es Ludwig von Ungarn erlaubt, in Rom Reiter zu werben. Ein neapolitanischer Baron, berüchtigt durch seine Verbrechen, Johann Pippin, Graf von Minorbino, befand sich mit seinen Brüdern als Werber in der Stadt. Dem Cola verhaßt, der ihn wegen Räuberei schon einmal vor Gericht geladen hatte und jetzt aus Rücksicht auf den Ungarnkönig dulden mußte, ließ sich der Graf mit Luca Savelli in eine Verschwörung ein, welcher der Kardinallegat nicht fremd war. Die Häscher des Tribuns wollten eine Vorladung wider Savelli an die Türen der Kirche S. Angelo heften; die Neapolitaner hinderten sie daran. Als Cola hierauf den Grafen von Minorbino vor Gericht lud, verschanzte sich dieser bei St. Salvator in Pensilis im Circus Flaminius. Er ließ die Glocken von S. Angelo läuten und das Geschrei erheben: »Volk! Volk! Tod dem Tribunen!« Auf den Glockenruf vom Kapitol zogen nur fünf Bannerschaften Cola zu; das Volk und die Orsini seiner Partei blieben aus. Er schickte einen deutschen Hauptmann gegen die Barrikade der Empörer; der Hauptmann fiel; da glaubte der Tribun alles verloren. Der Befreier Italiens und Roms bebte vor ein paar trotzigen ungarischen Lanzen zurück. Seine krankhafte Phantasie sah die ganze Stadt in Aufruhr, obwohl dies so wenig der Fall war, daß er mit rascher Entschlossenheit jene Rebellen leicht hätte bewältigen können. Sein Herz war geschwunden; er besaß nicht den Mut eines Kindes mehr; er konnte kaum reden. Er legte die Zeichen seines Tribunats ab; den silbernen Kranz und den stählernen Zepter stiftete er als Weihgeschenk auf den Altar der Jungfrau in Aracoeli; er nahm Abschied von den Freunden; er klagte, daß er nach einer guten Regierung von sieben Monaten vom Kapitol herabsteigen müsse, verjagt durch den Neid der Bösen. Er weinte; die um ihn standen, die ihn herabsteigen sahen, das Volk, die besten Bürger weinten. Es hielt ihn niemand zurück. Mit klingendem Spiel, mit entfalteten Fahnen, von Bewaffneten geleitet, stieg der Volkstribun vom Kapitol und zog in die Engelsburg, wo er sich verschloß. Ganz Rom war tief bestürzt. Ein schöner Traum war in nichts zerflossen, nach nur sieben Monaten eines Aufschwunges, wie ihn die Stadt seit langer Zeit nicht mehr gesehen hatte. Es war der 15. Dezember 1347, als das Regiment Cola di Rienzos dies geräuschlose Ende nahm. Der Volkstribun hatte den Römern in ihrer tiefen Verlassenheit ein klassisches Karnevalspiel gegeben und die Herrlichkeit der antiken Welt in einem glänzenden Triumphzug vor ihren Augen vorübergeführt. Nun kam die Entnüchterung und mit ihr die Realität in der prosaischen Form der Restauration des rachevoll heimkehrenden Adels.


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