Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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3. Leo IV. ummauert Portus und übergibt den Hafen einer Korsenkolonie. Er baut Leopolis bei Centumcellae. Civitavecchia. Er stellt Horta und Ameria her. Seine Kirchenbauten in Rom. Seine Weihgeschenke. Reichtum des Kirchenschatzes. Frascati.

Gregor IV. hatte Ostia erneuert, Leo IV. richtete Portus wieder auf. Diese berühmte Hafenstadt Roms war fast hinweggeschwunden; denn nur als Schatten und Name erhielt sie sich in den Sümpfen des Tiber, weil sie ein uraltes Bistum war und die Kirche St. Hippolyts auf der Heiligen Insel wie jene der Santa Ninfa am Ufer noch fortdauerte. Nachdem die Sarazenen auch die letzten Bewohner verjagt hatten, sah Leo IV. mit Kummer den völligen Verfall dieses Hafens. Er umgab Portus mit neuen Mauern und richtete neue Gebäude in dem Ort auf; zugleich kamen ihm viele aus ihrem Eilande durch die Araber vertriebene Korsen wie vom Himmel geschickte Kolonisten. Ein förmlicher Vertrag wurde mit ihnen abgeschlossen, und Rom siedelte wieder eine Kolonie an. Nachdem den Korsen Portus mit Ländereien, Vieh und Pferden durch päpstliche Urkunde und unter Bestätigung der Kaiser Lothar und Ludwig übergeben worden war, zogen sie dort im Jahre 852 als freie Besitzer und Dienstmannen der Kirche oder St. Peters ein. Indes, die Stadt erholte sich nicht mehr. Die junge Kolonie erlag bald der Fieberluft oder dem Schwert der Sarazenen. Völliges Dunkel bedeckt ihre Geschichte.

Der Trajanische Hafen war um diese Zeit in einen See oder Sumpf verwandelt. Kein Schiff berührte ihn; wenn sich Handelsbarken nach Latium wagten, nahmen sie die Tiberfahrt auf der Seite von Ostia. Dagegen war der andere Hafen Trajans, Centumcellae, zur Zeit Pippins und Karls noch einigermaßen belebt gewesen. Die Sarazenen hatten jedoch diese alte tuszische Stadt schon im Jahre 813 überfallen und später, wahrscheinlich 829, zerstört. Man fürchtete für sie das Schicksal Lunis, welches von den Mohammedanern im Jahre 849 vernichtet worden war. Der Hafen war verlassen und versandet, die Mauern lagen am Boden, und die flüchtigen Bewohner lebten schon vierzig Jahre lang in den Schluchten des nahen Gebirges. Die Stadt Centumcellae schien dem Untergange so rettungslos geweiht, daß Leo IV. sie in Trümmern legen ließ und zur Ansiedlung ihrer Bewohner eine andere Stelle aussuchte, zwölf Millien weit landwärts von der alten entfernt. Mit unermüdlichem Eifer ging er ans Werk; auf seinen Wink erhoben sich Kirchen, Häuser, Mauern und Tore. Er weihte die neue Stadt unter ähnlichen Zeremonien, wie er die Leonina geweiht hatte, im achten Jahre seines Pontifikats, und nannte sie Leopolis. Aber weder Name noch Ort dauerten lange; vielmehr sehnten sich die Einwohner desselben nach ihrer verlassenen Heimat zurück; ein ehrwürdiger Greis Leander forderte sie, so wird erzählt, in einem Parlament zur Rückkehr nach der alten Stadt auf; dies geschah, und Centumcellae wurde seither Civitas vetus ( Civitavecchia) genannt. Auch Tarquinia ist wohl wie andere etruskische Städte in jenen Zeiten von den Sarazenen zerstört worden; auf seiner Stelle entstand allmählich Corneto.

Leo IV. stellte noch zwei andere tuszische Städte her, Horta und Ameria, oder er versah sie mit Mauern und Toren. Befestigung war fortan das einzige Mittel, die Einwohner zusammenzuhalten. Da die Sarazenen alle Küsten Etruriens und Latiums plünderten, geschah es leicht, daß unverteidigte Orte, zumal in der Ebene, verlassen wurden; ihre Bewohner flüchteten sich auf Felsen und Berggipfel, und mit dem Beginn der moslemischen Raubzüge im Anfange des IX. Jahrhunderts erhoben sich auf der römischen Campagna Kastelle und Türme in großer Zahl, welche dann später Feudalburgen wurden.

Der Glanz gegründeter Städte verdunkelte die Kirchenbauten Leos IV. in Rom, und doch war auch hierin seine Tätigkeit groß. Die Feuersbrunst im Borgo hatte vieles zerstört, wahrscheinlich auch die alte Basilika der Sachsen, St. Maria, vernichtet, denn der Papst erbaute sie neu. An ihrer Stelle steht heute die Kirche S. Spirito. Leo hat wohl auch die Friesenkirche, S. Michele in Sassia, hinter welcher die neue Mauer fortging, hergestellt; wenigstens sagt die Tradition, daß er sie zur Erinnerung an jene Sachsen baute, die das Schwert der Ungläubigen dort erschlagen hatte. Den beschädigten Porticus St. Peters stellte er wieder her und so auch das Atrium.

Die sarazenische Plünderung zwang ihn zum Ersatze der kirchlichen Kleinodien. Der Aufwand, den er dabei machte, bewies den unermeßlichen Reichtum des Kirchenschatzes. Den Hauptaltar belegte Leo wieder mit edelsteinbesetzten Platten von Gold, worauf man unter manchem Bildwerk auch sein und Lothars Bildnis, wahrscheinlich in Smalto, sah. Eine dieser goldenen Tafeln wog 216 Pfund; ein mit Hyazinthen und Diamanten geschmückter Crucifixus von vergoldetem Silber 70 Pfund; das silberne, mit Säulen und vergoldeten Lilien gezierte Ciborium über dem Altar wog nicht weniger als 1606 Pfund, ein Kreuz von massivem Golde, von Perlen, Smaragden, Prasinen blitzend, war 1000 Pfund schwer. Dazu kamen Vasen, Weihrauchfässer, Lampen, die an silbernen Ketten schwebten und mit goldenen Bullen behängt waren, mit Edelsteinen besetzte Kelche, Lektorien oder Lesepulte von Silber in getriebener Arbeit; dazu die neue Bekleidung der Türen, mit »vielen Tafeln von lichtausströmendem Silber, worauf heilige Geschichten abgebildet waren.« Man füge die Teppiche und Vorhänge an Säulen und Türen hinzu, ferner die seidenen Priestergewänder, Arbeiten von so viel Kunst als Wert, da sie die mühsamste Goldstickerei, figurenreiche Geschichten, Arabesken, Bilder von Pflanzen und Tieren enthielten und in der Regel mit Perlen und Edelsteinen besetzt waren. Die Verwendung so vieler orientalischer Stoffe von Seide und Purpursamt und so vieler Perlen und Edelsteine beweist den großen Handelsverkehr Italiens mit dem Orient. Vom Süden her vermittelten ihn die Neapolitaner, die Gaëtaner und Amalfitaner durch die Sarazenen selbst. Dieselben Heiden, welche St. Peter und Paul geplündert hatten, brachen aus den geraubten Gefäßen die Edelsteine aus und verkauften sie durch den Zwischenhandel der Juden wieder an den Papst; sie führten der römischen Kirche Metalle und Perlen aus Asien und Afrika zu, während vom Norden her die Venetianer einen gleichen Handel über Byzanz nach Rom trieben.

Jene kostbaren Weihgeschenke wurden nicht dem St. Peter allein dargebracht; auch der geplünderte St. Paul und viele andere Kirchen, selbst der Provinzen, wurden nach Verhältnis geschmückt, so daß die Stadt Rom schon um dieser assyrischen Verschwendung willen mit Recht die »goldene« genannt werden konnte. Die Summen ferner, welche Leo IV. für den Bau der Leonina, der Städte Portus, Leopolis, Horta und Ameria verwendete, zeigen, daß der Kirchenschatz damals reicher war, als er es zur Zeit Leos X. gewesen ist; denn noch ohne namhafte Beisteuer des Auslandes, wenn auch fort und fort durch Einkünfte aus der Fremde, durch Vermächtnisse und Geschenke bereichert, konnte Leo IV. hauptsächlich aus den eigenen Renten des Staates selbst so viele Millionen verausgaben. Die Päpste häuften damals für sich keine Reichtümer auf, und die Verschwendung an Nepoten war unbekannt; auch das Leben der Kurie hatte sich von der klösterlichen Zucht noch nicht losgesagt; so geschah es, daß die Kassen der Kirchen stets gefüllt blieben und ihr Vermögen zu großen und wohltätigen Zwecken verwendet werden konnte.

Leo IV., welcher Kardinal der »Vier Gekrönten« gewesen war, baute auch diese Basilika wieder auf. Aber der Brand Roms zur Zeit Robert Guiscards am Ende des XI. Jahrhunderts vertilgte seinen Bau, und nur geringe Reste sind von ihm in der später erneuerten Kirche übriggeblieben. An der Via Sacra erbaute er neu die Kirche der St. Maria, welche bisher antiqua, dann aber nova genannt wurde. Es ist dieselbe, die unweit des Titusbogens in den Ruinen des Tempels der Venus und Roma steht und im XVII. Jahrhundert den Titel S. Francesca Romana erhielt. Nikolaus I., der sie vollendete, schmückte ihre Tribune mit Mosaiken; allein, die heute dort gesehen werden, gehören schwerlich dem IX. Jahrhundert an.

Die Sorge Leos erstreckte sich auch auf die Kirchen und Klöster anderer Städte. Einige Namen unter ihnen verdienen Erwähnung, so das Kloster Benedikts und der Scholastica in Subiaco (damals noch Sub Lacu), das Kloster Silvesters auf dem Soracte, Kirchen in Fundi, Terracina, Anagni, und zum erstenmal taucht in der Lebensgeschichte dieses Papsts der Name Frascati oder Frascata auf. Er bezeichnete einen schon bewohnten Ort, weil auf ihm mehrere Kirchen standen, so daß schon im IX. Jahrhundert die Stelle des Albanergebirges, wo das heutige Frascati liegt, bebaut und mit dem gleichen Namen genannt war.


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