Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

3. Karl legt die Senatsgewalt nieder. Konrad Beltrami Monaldeschi und Luca Savelli Senatoren 1266. Demokratische Regierung in Rom unter Angelus Capocci. Don Arrigo von Kastilien Senator 1267. Die Ghibellinen sammeln sich in Toskana. Gesandte eilen nach Deutschland, Konradin zur Romfahrt einzuladen. Er beschließt dies Unternehmen.

Der Sturz Manfreds war auch die Niederlage der Ghibellinen in ganz Italien, dessen meiste Städte nun Karl als Schutzherrn anerkannten. Der Kirchenstaat stellte sich sofort aus langer Bedrängnis her; der Papst, welcher wieder alleiniger Herr in Rom zu sein begehrte, forderte jetzt von Karl die vertragsmäßige Niederlegung der Senatsgewalt; der König zögerte, wünschte noch die zeitweise Fortdauer seines Amts und erklärte endlich den Römern mit schlecht verhehltem Unwillen, daß er seine Würde niederlege, um nicht die Kirche zu kränken, die auf den Senat ein Recht zu besitzen behaupte. Dies tat er am Ende des Mai 1266, und bald sollte es der Papst zu bereuen haben.

Clemens IV. hoffte jetzt seine Hoheitsrechte in Rom ohne weiteres wiederherzustellen, denn dazu ihm behilflich zu sein hatte sich Karl durch Verträge verpflichtet. Indes die Stadt machte keine Miene, dem Papst den Senat zu überliefern oder überhaupt nur ihn zur Rückkehr einzuladen. Er war schon im April aus Perugia nach Orvieto, sodann voll Hoffnung, in den Lateran einzuziehen, nach Viterbo gegangen, und hier blieb er auch wohnen. Rom stand damals in keinem näheren Verhältnis zum Heiligen Stuhle als die Republiken Florenz oder Lucca; die Römer sahen die Rechte des Papstes als erloschen an, während Karl sich nicht bemühte, diese zu verteidigen. Indem nun der Senat neu zu besetzen war, wählte das römische Volk nach dem alten System wiederum zwei Senatoren, Konrad Beltrami Monaldeschi von Orvieto und Luca Savelli von Rom. Sie forderten sogleich die Zahlung der Summen, für welche der römischen Kaufmannschaft die Kirchengüter verpfändet waren, und der Papst nannte sie Räuber und Diebe in und außerhalb Rom.

Eine Amnestie hatte manche Ghibellinen nach der Stadt zurückgerufen, wo sie neben den Guelfen wieder im Parlament saßen. Manche Anhänger Manfreds, wie Jacobus Napoleon von den Orsini, hatten sich dem Papst unterworfen, doch nur zum Schein. Als nun die besiegte Partei sich aus ihrer Bestürzung erholte, ordnete sie sich überall, in Rom wie in Toskana, in Neapel wie in der Lombardei, mit der den Italienern eigenen Geschicklichkeit in Geheimbünden, Der unerträgliche Hochmut des guelfischen Adels erbitterte das römische Volk so tief, daß es sich schon in der ersten Hälfte des Jahres 1267 erhob, eine demokratische Regierung von 26 Vertrauensmännern einsetzte und Angelo Capocci von der ghibellinischen Partei zum Kapitän des Volks ernannte. Clemens mußte diese Umwälzung anerkennen; der Volkshauptmann appellierte sogar an ihn, als der Adel, wie man in Rom sagte, von Viterbo her aufgereizt, die neue Regierung zu bekämpfen begann, worauf der Papst, seine Unschuld betonend, zwei Bischöfe abschickte, den Frieden herzustellen.

Capocci unterdes, vom Volk beauftragt, den Senator zu ernennen, warf seine Blicke auf einen spanischen Infanten, Don Arrigo, den Sohn Ferdinands III. von Kastilien und jüngeren Bruder Alfons des Weisen, des Titularkönigs der Römer, einen abenteuernden Helden von Talent und prinzlichem Ehrgeiz. Als Rebell landesverbannt, hatte sich derselbe im englischen Südfrankreich aufgehalten und schon im Jahr 1257 in Diensten Heinrichs III. an der Unternehmung gegen Manfred teilnehmen wollen, welche jedoch unterblieb. Im Jahre 1259 war er auf englischen Schiffen nach Afrika gesegelt, begleitet von seinem Bruder Friedrich und anderen spanischen Verbannten, und seither hatte er dem Herrscher von Tunis im Kampf gegen die Mauren gedient. Die Umwälzung in Italien lockte ihn, einen neuen Schauplatz für seinen Ehrgeiz aufzusuchen. Er kam mit ein paar hundert Kastilianern im Frühling 1267 an den Hof Karls, seines Vetters, der ihn ehrenvoll, doch ungern aufnahm. Denn Karl war sein Schuldner für große Summen Geldes, die er zurückzuzahlen zögerte, und er suchte den lästigen Gläubiger mit guter Art loszuwerden. Der Infant trat neben Jakob von Aragon als Bewerber um die Krone der Insel Sardinien auf, welche die Kirche für ihr Eigentum erklärte und der Republik Pisa bestritt. Er ging an den päpstlichen Hof in Viterbo, wo er die Kardinäle durch sein tunesisches Gold gewann; aber Clemens IV. war geneigter, ihn durch eine aragonische Heirat abzufinden, als ihm Sardinien zu verleihen, um welches sich auch Karl bewarb. Dieser König hinterging seinen eigenen Vetter, indem er den Erfolg seiner Wünsche heimlich hintertrieb.

Der Infant war ein glücklicherer Kandidat in Rom, wo seine Dublonen, ihm das Kapitol öffneten. Der Volkshauptmann Capocci leitete die Wahl auf ihn, und die Römer nahmen einen kastilianischen Fürsten bereitwillig zum Senator an, welchen Kriegsruhm und Reichtümer auszeichneten und von dem sie kraftvollen Schutz gegen den Übermut des Adels wie gegen die Ansprüche des Papsts erwarteten. Der Adel, die meisten Kardinäle, der Papst selbst widersetzten sich dieser Wahl, doch ohne Erfolg. Die Stimmung in Rom war überhaupt wieder ghibellinisch geworden, sobald als Karl von Anjou den Thron Siziliens bestiegen hatte. Der Infant kam von Viterbo im Juni 1267, die Signorie der Stadt anzutreten, und so waren durch einen seltsamen Zufall zwei spanische Brüder zu gleicher Zeit der eine erwählter König, der andere Senator der Römer.

Die städtische Regierung Don Arrigos erhielt alsbald eine nicht mindere Wichtigkeit, als sie jene seines Vorgängers Karl von Anjou gehabt hatte. Denn kaum hatte sie der Infant angetreten, so begann auch sein Mißverhältnis zum Papst; dem Kapitol wollte er die ganze Campagna unterwerfen, dem Klerus die Gerichtsbarkeit nehmen, den Adel niederbeugen. Der Papst protestierte, der Senator hörte nicht darauf. Das Volk achtete den Prinzen, welcher sich anfangs gegen Guelfen wie Ghibellinen durchaus gerecht zeigte; aber sein glühender Haß gegen Karl und plötzliche Ereignisse bewogen ihn bald genug, sich offen als Feind der kirchlichen Partei zu erklären.

Die Anhänger Manfreds und des Schwabenhauses sammelten sich in Toskana. In diesem Lande war die neue Drachensaat jener zwei alten Faktionen aufgegangen, deren unversöhnbarer Streit der Geschichte Italiens den heroischen Charakter wilder und großer Leidenschaft aufgedrückt hat und in deren Formen und Devisen die Italiener noch weiter kämpften, als der große Zwist zwischen Kirche und Reich schon ausgegangen war. Der Phantasie jener Zeit erschien dieser wutentbrannte Parteikrieg als das finstere Werk zweier Dämonen Guelfa und Gebellia, und diese waren in der Tat die Furien des Mittelalters. Sie erschienen nicht erst in der Epoche Manfreds; ihr Ursprung ist älter, aber ihr wildes Treiben nahm hauptsächlich seit dem Sturze der staufischen Herrschaft jenen schrecklichen Charakter des Faktionenkampfs an, welcher die Provinzen und Städte Italiens in zwei feindliche Hälften zerriß. Pisa und Siena, Poggibonsi und San Miniato al Tedesco waren nach dem Falle Manfreds allein staufisch oder ghibellinisch geblieben. Der Graf Guido Novello, welcher in Bestürzung Florenz verlassen hatte, sammelte deutsche Söldner und Freunde um die Fahne Schwabens in Prato und anderen Burgen. Von den Feldhauptleuten Manfreds waren einige dem Schlachtfelde bei Benevent oder apulischen Kerkern entronnen, so die Brüder Galvano und Friedrich Lancia, Konrad von Antiochien, Enkel des Kaisers Friedrich und Schwiegersohn Galvanos, Konrad und Marinus Capece, neapolitanische Edle, und Konrad Trincia von Foligno. Das Königreich Sizilien seufzte unter dem Joche seines neuen Gebieters; von französischen Steuereintreibern, Richtern und Baliven mit Füßen getreten, um alle Rechte und Freiheiten durch die Despotie Karls betrogen, befand es sich in einem Zustande, gegen welchen die Regierung Manfreds als ein goldenes Zeitalter erschien. Das Volk, welches diesen verraten hatte, erinnerte sich jetzt seiner Milde und rief ihn umsonst zurück. Selbst die Guelfen jener Zeit haben die Herrschaft des ersten Anjou mit Abscheu geschildert, und Clemens IV. hat in berühmten Briefen, unter der Form väterlicher Abmahnung und wohlmeinender Ratschläge, von ihm das Bild eines verhaßten Tyrannen meisterhaft gemalt.

Verbannte Apuliens flüchteten nach Toskana und erzählten, daß jenes Königreich zur Empörung reif sei. Die Anhänger Manfreds sahen dessen Kinder in Ketten schmachten und unfähig, die ererbten Rechte zu verteidigen; sie wandten daher ihre Wünsche auf Konradin, den letzten rechtmäßigen Erben Siziliens, welchen einst die Guelfen gegen den Usurpator Manfred nach Italien eingeladen hatten.

Der Sohn Konrads IV., geboren am 25. März 1252 auf dem Schloß Wolfstein bei Landshut, war vierzehn Jahre alt, als sein Oheim fiel und ein Eroberer auf den Thron sich niederließ, der nach dem Erbrecht sein unbestreitbares Eigentum war. Er stand unter dem Schutze seines rauhen Oheims Ludwig von Bayern und seiner Mutter Elisabeth, der Schwester dieses Herzogs, die sich im Jahre 1259 zum zweitenmal, mit dem Grafen Meinhard von Götz, vermählt hatte. Die Kaiserkrone schwebte eine Minute lang über dem Haupte Konradins, doch der Papst, welcher den Kronstreit zwischen Alfons und Richard nicht entschied, um Deutschland durch die Parteien sich aufreiben und Italien ohne Kaiser zu lassen, verbot die Wahl des letzten echten Sprößlings aus dem Geschlecht der Hohenstaufen. Nur der wesenlose Titel des Königs von Jerusalem und sein ganz geschmälertes Herzogtum Schwaben war Konradin geblieben. Er wuchs auf im Bayernlande und nährte seinen Geist mit Liedern heimischer Sänger und mit aufregenden Bildern von der Heldengröße und dem Falle seines Hauses.

Die politische Geschichte hat wenig so Ergreifendes als das Schicksal dieses Jünglings, welchen die Macht ererbter Verhältnisse aus seiner Heimat nach Italien führte, um ihn als den letzten seines Heldengeschlechts auf den Gräbern der Ahnen zu opfern. Ghibellinische Gesandte von Pisa, Verona, von Pavia und Siena, von Lucera und Palermo kamen schon im Jahre 1266 nach Konstanz, Augsburg oder Landshut; es kamen im folgenden Jahr die Brüder Lancia und die Capece, den »kaum befiederten Adler« zum Fluge emporzutreiben. Sie waren, nach dem schönen Gleichnis des Guelfen Malaspina, wie jene Boten, die dem kommenden Könige Gold, Weihrauch und Myrrhen brachten. Sie versprachen ihm die Unterstützung Italiens, wenn er das Banner des Reichs wieder auf den Alpen entfalten und kommen wolle, das Land seiner glorreichen Väter von verhaßter Tyrannei zu erlösen.

Als der Enkel des großen Friedrich diese italienischen Männer huldigend zu seinen Füßen sah, als er ihre wunderbaren Reden vernahm und ihre reichen Geschenke, die Pfänder ihrer Verheißungen, empfing, wurde er von schwärmerischem Entzücken hinweggerafft. Die Sirenenstimmen lockten ihn in das schöne und verhängnisvolle Land, das geschichtliche Paradies der germanischen Sehnsucht, wohin seine erlauchten Väter aus ungerechten Gräbern ihn zu rufen schienen. Seine Mutter widerstrebte; seine Oheime und seine Freunde stimmten zu. Ein Gerücht ging über die Alpen, daß der junge Sohn Konrads IV. ein Heer rüste, nach Italien herabzusteigen, den Tyrannen Karl vom Thron zu stürzen und die schwäbische Herrschaft wiederherzustellen.


 << zurück weiter >>