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3.
Die junge Hausfrau.

Meine lieben, lieben Eltern! So schön ich's mir gedacht, in der Wirklichkeit ist es doch noch viel schöner, für immer mit dem geliebten Manne vereint zu sein. Jeden Wunsch sieht mir Max an den Augen ab, und ich hoffe, ihr werdet nicht unglaublich finden, daß auch ich Alles thue, was in meinen Kräften steht, ihm das Leben zu erheitern und zu verschönern. Wir entdecken noch immer neue Vorzüge an uns und sind mit einem Wort so glücklich, wie nur zwei Menschen sein können, die sich von ganzem Herzen lieb haben.

In die Familie lebe ich mich mehr und mehr ein. Mein ganzer Liebling ist Agathe, sie hat noch etwas sehr Jugendliches, das mich zu ihr hinzieht und eine sanfte Würde, die mir imponirt. Am meisten bewundere ich den heitern Gleichmuth, mit dem sie die kleinen Verdrießlichkeiten des alltäglichen Lebens trägt. Man muß sie in ihrem Hause sehen. In Gesellschaft tritt ihr voller Werth nicht so hervor, oder doch nur für den, der sie schon kennt. Sie vermeidet fast zu sehr jedes Glänzende, obwol sie mehr Verstand hat wie Andere, die über Menschen und Bücher sprechen, als wären sie Salomo's Schwestern. Auch mit Justus habe ich Brüderschaft gemacht. Man hört zuweilen über seine Schärfe und Schroffheit klagen, ich habe noch nichts davon gespürt. Nicht unbedingte Milde und Zugänglichkeit mag hie und da wohl angebracht sein. Rein lächerlich finde ich, ihm Beamtenstolz vorzuwerfen. Ich erkläre es mir nur durch die Zeitströmung. Auch hier wird schrecklich viel politisirt. Es sind doch schon Monate darüber hin, und noch immer ist der »vereinigte Landtag« und der Landtagsabschied ein unerschöpfliches Thema. Viele erblicken den Abschluß darin, viele – und wol die Mehrheit – erst den Anfang ... doch ich will nicht auch kannegießern. Zurück in die Familie! Die Kinder sind süße Geschöpfchen. Und ist es nicht reizend, daß die lieben Menschen in diesen selben Räumen glücklich waren? Zuletzt mußten sie sich schon sehr behelfen, und den Trost haben wir, daß sie nicht aus reiner Zuvorkommenheit und Aufopferung uns Platz gemacht, sie brauchten entschieden eine größere Wohnung. Für ein junges Paar ist das Häuschen wie geschaffen. Alborns sind hübsch eingerichtet, doch versichert Agathe, wenn sie uns besucht und kommt dann wieder nach Hause, so erscheint ihr Alles bei ihnen schon ganz unmodern. Es ist aber auch wunderhübsch bei uns, kommt nur bald und seht selbst! Als ich heute Morgen in unsere Wohnstube trat, und ihr schautet mich so freundlich aus euern Bildern an, war mir's wieder, als müßte ich euch, einzig liebe Eltern! um den Hals fallen und danken für eure unendliche Liebe, die mich so treu durch mein ganzes Leben geleitet, und die mich nun auch hier in meiner neuen Heimath überall umgiebt. –

Aber was sind das für traurige Nachrichten von Kurt und Alice! Ich hatte schon durch Siegfried davon gehört. Ich sehe A. noch immer als strahlende Braut im weißen Kleide mit der Rose im Gürtel. Wenn irgend wo, schienen hier alle Bedingungen äußern und innern Glückes zusammen zu treffen. Wie anders ist es gekommen! Sie thun mir unendlich leid! – Auch für uns werden diese himmlischen Tage nicht ewig dauern, ich weiß es wol, und Alle sagen es, aber der Gedanke schlägt mich nicht nieder, ohne Zagen schaue ich der Zukunft in's Gesicht, ja willkommen ist mir auch diese Mahnung an die tief ernste Bedeutung unseres beseligenden Bundes, den wir nicht nur für die flüchtigen Freuden des Augenblicks schlossen. –

Bis jetzt haben wir ganz still für uns gelebt, einen Tag wie den andern, und alle Tage sind gleich schön. Außer der Familie verspreche ich mir am meisten vom Umgange mit jungen Engelrechts. Sie sind auch erst seit Kurzem verheirathet, er ist voller Witz und Schalkheiten, aber nicht ohne Tiefe und stimmt sehr gut mit Max, sie schwärmt auch so für ihren Mann, wir haben lauter gleiche Interessen. Gestern waren wir auf dem Markt zusammen, Agathe nahm uns unter ihre Flügel. Sie hat bestimmte Frauen, von denen sie nimmt, und stellte uns vor. Trotz der Empfehlung räth sie, nicht zu sehr auf ihre Ehrlichkeit zu bauen. Sie nehmen es, von wem sie's bekommen, von alten und neuen Kunden, wie von Fremden. Die Augen aufmachen muß man doch, auch hier und dahin hören, was Andere nehmen und geben. Ich wünschte, ihr hättet gesehen, wie wir zurückgingen, Christiane hinter mir, den großen Korb am Arm, mit einem Paar Kohlköpfen, Butter, Eiern, einem stattlichen Büschel Majoran und anderm Küchenkraut, worauf ich glücklich drei Pfennige abgehandelt. –

Das Wirtschaften macht mir viel mehr Vergnügen, als ich dachte. Bisher gab mir Max immer fünf Thaler, und wenn ich damit fertig war, holte ich mir mehr. Es hat das sehr was Bequemes, aber ich sehe ein, mein Mann hat Recht. »Wenn ich nun auch fertig bin,« sagt Max, »zu wem gehe ich dann mehr holen?« Wir wollen uns einen Etat aufstellen für ordentliche und außerordentliche Ausgaben, ich werde vom Ersten genau danach wirtschaften. Auch will ich jetzt Alles immer gleich aufschreiben. Beim Abschluß dieser Woche behielt ich trotz alles Sinnens und Rechnens ein nicht aufzuklärendes Deficit. Da finde ich nun mit einmal den räthselhaften Posten doch gebucht, von nicht ganz unbekannter lieber Hand – ob strenge nach den Regeln der italienischen Buchführung, weiß ich nicht. Es stand eingetragen: 17 Silbergroschen 4 Pfennige – »richtig verausgabt«. Es würde mich freuen, wenn ich's noch herausbekäme, schon der Christiane wegen. Mein ganzer Ehrgeiz ist, mich nicht vor ihr zu blamiren. Als sie mir Salz und Brod auf der Schwelle entgegenbrachte, damals machten wir beide ziemlich verlegene Gesichter; seitdem haben wir ja aber auch Zeit gehabt, uns mit einander einzurichten. Sie bewährt sich, es ist ein gutes, ordentliches Mädchen, das den besten Willen hat; sie putzt, scheuert und fegt den ganzen Tag – wenn sie doch nur so bliebe! Die Küche sieht aus wie ein Putzkästchen, Alles so blank und nett. Leider versteht sie nicht viel vom Kochen. Weiß sie etwas nicht, so kommt sie mich fragen, und weiß ich es auch nicht, so schlagen wir im Kochbuch nach. An dem habe ich einen treuen Rathgeber. Man kann sich sehr gut danach richten, und es steht Alles darin von den feinsten Leckereien, auf die ich mich vor der Hand noch weniger einlasse, bis zu Brühkartoffeln mit dem Kochfleisch. Heute hatten wir Griessuppe und eine kleine Hammelkeule, die normal geschmort war, wie ich ohne Selbstüberhebung sagen zu dürfen glaube. Es war ein wahres Festessen zu zweien. Auch der Kaffee geräth mir jetzt ausgezeichnet. Anfangs war er manchmal etwas dick, er schmeckte uns aber doch besser, als wenn er zu dünn war, was auch ein paar Mal vorkam. Es ging mir wenigstens nicht wie der Großmutter von Max. Als sie heirathete, eröffnete ihr der junge Ehemann: »ich nehme gerne mit einfacher Hausmannskost vorlieb, nur um Eins muß ich bitten, an recht guten Kaffee bin ich gewöhnt, und vor allen Dingen um Himmelswillen nur keine Cichorie!« Die junge Hausfrau versprach ihr Bestes zu thun, sorgte für die feinste Bohne, die sich nur auftreiben ließ und gab sich alle Mühe. Vergebens! Er tadelte ihren schönen Kaffee nicht gerade, er war ja ganz gut, aber so wie seine frühere Wirthin ihn gemacht, war er nicht. Da machte sich die junge Frau auf zu der erfahrenen Haushälterin und theilte sich ihr vertrauungsvoll mit. »O, – sagte die, – ich habe ihm immer einen gehörigen Knollen Cichorien hineingelegt, machen Sie's nur auch so.« Gesagt, gethan. »Nun, wie schmeckt dir der Kaffee denn heute?« fragte sie den andern Morgen. Der Verwöhnte probirte und probirte noch einmal. »Ja, so ist er gut, so muß er sein.« Was sagt ihr zu dem lehrreichen Geschichtchen? Mir gefällt am besten, daß es mir mein lieber Max erzählte.

»Komm Kind, und sieh, wie man's macht,« sagte die Schwiegermutter, als sie ihre Gänse einschlachtete. Ich kam, paßte gut auf und wollte nun doch sobald als möglich das Gelernte auch selbst anwenden, versuchte es aber für's Erste mit einer Gans, um nicht gleich ein ganzes Dutzend zunicht zu machen. Soweit ich es bis jetzt übersehe, ist Alles gelungen bis auf das Weißsauer. Max sagt, die trauernden Juden hätten nicht schwermüthiger an den Wassern zu Babylon gesessen als ich vor meiner Schüssel mit der trüben Suppe, in der die unglückseligen Keulen und Fittiche herumschwammen, statt im krystallklaren Gallert fest zu liegen. Nun, Lehrgeld giebt Jeder, der Neid der Götter muß doch durch etwas versöhnt werden! ... Lacht mich nur nicht aus, daß ich von all diesen Kleinigkeiten schreibe! Du, liebe Mutter, verstehst mich gewiß, mir ist nichts zu klein, was mit zu meinen neuen Pflichten gehört, und was ich Alles noch zu lernen habe, um eine tüchtige Hauswirthin zu werden. Ihr müßt doch auch merken, daß es die ersten Briefe vom eigenen Herde sind.

Hat es bei euch auch so gestürmt? Hier tobte es Sonnabend am ärgsten, Max war in Geschäften fort über Nacht. Mir wurde unheimlich so ganz allein im Hause, ich fühlte recht, wie sehr die Frau den Schutz und die Stütze des Mannes bedarf. Das Wiedersehen war einzig. Es geht doch nichts über den lieben heiligen Ehestand.

Max fordert mich zum Spaziergange auf – wohin wissen wir noch nicht, mir ist es gleich, wenn ich nur meinen lieben Mann von der Arbeit losbekomme. Aber ich habe euch wol noch gar nicht gesagt, wie das Flüßchen heißt, bis zu dem wir gewöhnlich gehen ... Es hat den poetischsten Namen von allen Flüssen, Strömen und Gewässern der ganzen alten und neuen Welt – es heißt »die Liebe«. Und die Liebe macht einen großen stundenweiten Bogen fast in vollem Kreisrund, ehe sie ihr Ziel erreicht, ehe sich in ihrer klaren Fluth Stadt, Schloß und Dom spiegeln, als wollte sie so lange wie möglich in den freundlichen Fluren, den Wäldern und Thälern weilen, die durch tausend Jugenderinnerungen meines lieben Mannes auch für mich einen unverlöschlichen Reiz erhalten. Max hat selbst geschrieben, ohne mir was davon zu sagen, will mir das Blatt aber nicht geben und eigenhändig den Brief zumachen. Ich hoffe, er wird mich nicht verleumdet haben. Nun muß ich aber rasch fertig sein, sonst vergeht die beste Zeit. Und so sagt euch Lebewohl mit den herzlichsten Grüßen an Alle, Alle

eure glückliche Tochter
Ottilie.

Das Ausgehen ist immer so nett, das Wiedernachhausekommen noch netter. Unterwegs fiel uns ein, heute ist ja der Jahrestag des denkwürdigen Balles bei Onkel Ludwig. Erinnert ihr euch noch? In der Cotillontour mit Reimzeilen führte uns der prophetische Spruch zusammen: »Jede Arbeit ist ihres Lohnes werth, doch das beste Project ist ein eigener Herd.«

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