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6.
Die Saaten.

Zuerst war es nur ein schwacher grüner, hin und wieder in das Bräunliche spielender Schimmer, der sich über den Acker verbreitete. Dann kam die Saat mehr und mehr heraus, bis die überall auflaufenden feinen Spitzen so dicht und stramm neben einander standen, wie die Haare in einer Bürste.

Die noch zusammengerollten Hälmchen entfalteten sich und nahmen ein immer kräftigeres Grün an, wenn die Sommerung auch nicht ganz so viel Farbe bekam als das Herbstkorn. Nur hie und da waren ein paar Kiesel zu sehen, die unabgelesen liegen geblieben, ein blinkender Scherben, eine bunte Hühnerfeder, die wer weiß wie! vom Hofe hierher gekommen und sich mit dem scharfen kleinen Kiel eingepflanzt hatte, als wollte auch sie Wurzel fassen und mit wachsen – aber es war ihr doch nicht recht geheuer, sie zitterte fortwährend – oder ein halbverrotteter Thierhuf und letzte Ueberreste menschlicher Fußbekleidung, die auf jene höchste Wohlthat der Natur hinwiesen, daß die Abgänge des Lebens neuer Befruchtung dienstbar sein müssen. Doch es währte nicht lange, so hatte die Verstaudung der Pflanzen das Alles verdeckt, und das Auge streifte zu seiner Erquickung über die weite, saftgrüne Fläche hin bis zu dem Birkenwäldchen, dessen weiße Stämme sich heiter dagegen hervorhoben. Kam dann eine frischere Regung der Luft daher, so schwankten die Halme, bogen sich und strebten wieder auf, in lieblichem Spiel von Licht und Schatten. Das Wetter war günstig, die Saat gedieh zusehends, und in wenigen Wochen rollte ein sanfter Wellenschlag über das ganze Feld.

Sicher geborgen saß nun die Lerche auf ihrem in die Furche gebauten Nest, mit warmer Brust die buntgefleckten kleinen Eier deckend, und lauschte dem Liede ihres Männchens, das noch nicht hoch flatterte; es machte gleichsam die erste Station beim Auffluge, um dann allmälig höher und höher zu steigen, während es herab immer wie mit einem Schusse mehr fiel, als flog und nie sein kleines Haus verfehlte.

Weiter nach dem Walde hin wurde der Lockruf des Rebhuhnes laut, und das klang gar frisch und kräftig aus dem Saatfelde hervor, als wenn die Pflanzen, deren grünes Kleid die Erde so schön schmückte, doch noch der Stimmen des Thierlebens bedurften, um dem Menschen ihren seelenvollsten Gruß zu senden.

Unter dem Weißdornbusche lag ein gelbgrauer Stein – eine Erdscholle – oder was war es sonst? Zuweilen hatte es den Anschein, als fuhr hier der Wind wie mit aufstreifendem Finger durch weiches Haar, unter dessen oberer Lage sich noch eine Art kurzer grauer Wolle befand ... Da trat Ferdinand aus der Hecke hervor, und auf einmal schnellte ... der Hase dicht vor seinen Füßen auf, daß die Erde nur so flog unter den auskratzenden langen Hinterläufern. Hopp – hopp – hopp! Hopp – hopp – hopp! ... ging es fort und davon, immer rascher und rascher, mit weiten Bogensätzen, bis der Flüchtige endlich zwischen den Waldbäumen verschwand; vorher hatte noch einmal sein weißes Schwänzchen hochaufgewippt in jener fast höhnischen Manier, die den Schützen, welcher fehlt, so sehr zu verstimmen pflegt. Doch jetzt war Friede zwischen Menschen und Thieren, es war Hegezeit! Ferdinand lächelte und dachte an den Förster, der scherzend bei seinen ersten weidmännischen Versuchen gesagt hatte: »freilich wäre die Jagd viel leichter, wenn die Hasen ehe sie aus dem Lager rutschen, vorher die Güte hätten, wenigstens: »eins – zwei – drei« oder »na nu!« zu rufen! –

»Aber ich wollte ja nachsehen, wie tief der Regen eingedrungen!«

Während Ferdinand mit der scharfen spatenähnlichen Spitze seines Stockes den Boden aufgrub, rollte ein Wagen heran. Es war der Einspänner des Herrn Pfarrers. Dieser ließ halten, begrüßte sich mit ihm und erkundigte sich theilnehmend, ob es schon etwas gefruchtet hätte. Denn so schön die Saaten standen. Regen hatten sie nöthig, und er war in der letzten Zeit nur strichweise gekommen, bald hier, bald da – nirgends viel. Wie im Herbst nach der Kartoffelernte, wenn die Brennereien wieder in Gang gesetzt worden, die stehende Frage: »wie viel ziehen Sie?« oder um Johanni: »was haben Sie geschoren? wie sind Sie mit der Wäsche zufrieden? wohin liefern Sie Ihre Wolle ab?« – so war jetzt unter den Landleuten nach »guten Tag!« und »guten Abend!« stets das Erste: »haben Sie Regen gehabt?«

»Es ist nicht der Rede werth!« sagte Ferdinand, »und es klärt sich auch wieder vollständig auf im Abend. Es giebt nichts mehr zur Nacht.«

»Aber ich weiß schon,« setzte er hinzu, »wenn es regnen wird!«

»Da wissen Sie mehr wie ich. Nun wann denn?«

»Wenn man wird Heu machen wollen!« Und das hörte sich trotzig an, fast so, als sollte der Herr Pfarrer die Verantwortung übernehmen für das unrationelle Ausbleiben des Regens.

Der that denn auch als frommer Mann seine Pflicht, erhob den Finger wie zu leichtem Drohen und vertheidigte die Weltregierung, so gut er konnte. »Ei ei, mein junger Freund! der liebe Gott ist ja schon ein alter Wirth, vertrauen wir ihm nur. Er wird auch wol diesmal das Rechte treffen.«

*

 


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