Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

11.
Erntefest.

Hie und da an den Zweigen der Bäume hingen geknickte Getreidehalme, die von den hochbeladenen Wagen, wenn sie vorbeifuhren, abgestreift, und auf den leeren Aeckern zeigten sich überall noch die frischen Gleise in gleichlaufenden Doppellinien der unter der schweren Last niedergedrückten Stoppeln. Nun war auch das letzte Fuder eingebracht mit der herkömmlichen Auszeichnung einer lustig klappernden Pritsche an dem einen Hinterrade.

In feierlichem Aufzuge, flatternde bunte Bänder an den Harken, kamen die Frauen und Mägde zur Ueberreichung des Aehrenkranzes. Sie sangen nach einer einfachen, schwermüthigen Melodie Scherz- und Spottlieder. Selbst die Gutsherrschaft, die zur Zeit anwesend war, ging nicht leer aus, der Verwalter erhielt redlich sein Theil, desgleichen die »Mamsell«, welche nie so viel Fett zum »Abmachen« gab, daß man sich den Magen daran verdarb, und lange Suppen kochen ließ, die nicht nach sauer und nicht nach süß, ja die nach – gar nichts schmeckten. Auch die Eleven wurden freundlich bedacht. Vom alten Aufseher, welcher die Leute bei den Feldarbeiten überwacht hatte, sang die ländliche Muse, er wäre starrer wie der Drillich in den neuen Gesindebetten. Aber er würde schon weich werden! Und das war kein bloßer Wortscherz. Der Alte führte den Zug an, er trug die aus Weizenähren und Feldblumen geflochtene Krone, und je näher man dem Schlosse kam, desto lauter ertönte der Schreigesang. Doch man lachte nicht offen heraus, es war mehr ein verstohlenes Kichern, als wenn noch ein Hauptspaß im Schilde geführt würde. Und wie der Alte durch das Thor des herrschaftlichen Hofes schritt ... schwapp! wurde er begossen von oben bis unten hinter dem Pfeiler hervor. Darauf war es abgesehen, und das wiederholte sich nun stets mit verschiedenem Glücke, aber immer gleich laut jubelnder Lust, so oft ein geeigneter Versteck am Wege war; hinter jedem Busch und jeder Mauer, hinter dem Pumpenhause und hinter der angelehnten Stallthüre – überall stand eine derbe Nymphe mit aufgeschürztem Kleide, kurzen Hemdärmeln, vollem Busen, glänzend weißen Zähnen, vor Freude leuchtenden Augen und rothbraunen Armen, die eine Kanne mit kaltem Wasser, gerüttelt und geschüttelt voll, zu demselben fröhlichen Zweck bereit hielt. Bei diesem uralten, wol noch dem heidnischen Quellendienste entstammenden Brauche, der den Segen der Fruchtbarkeit auf das nächste Jahr übertragen soll, schien es den Mägden jedoch vorzugsweise auf den unmittelbaren Erfolg anzukommen. Wenn sie ihren Vorgesetzten nur einweichten bis auf die neunte Haut, wie ein Bündel schwarzer Wäsche – die tiefere Symbolik davon konnte er sich allein ausdeuten. Kurz vorher, ehe der Kranzträger die zum Schlosse hinaufführende Freitreppe erreichte, begannen nun gar Feuereimer und Handspritze zu spielen. Der Alte selbst aber verzog noch immer keine Miene, wie er von Anfang an ganz die nämliche kratzbürstige Ehrbarkeit gezeigt, die ihn bei keiner Amtsverrichtung verließ, denn dazu gehörte die Erduldung dieses ausgelassenen Treibens ja auch. Sein Gesicht sah nicht spaßiger aus, als wenn er einen »Dreher« durch den raschen Tod für die Küche von seinen irdischen Leiden befreite, wenn er einem auf der Kleeweide verhüteten Ochsen den Trokart in den Leib stieß, oder wenn er am Quartal sein Gehalt und Deputat zu erheben kam; nur daß er dann nicht all seine Kleider übereinander zog wie jetzt, um sich nach Möglichkeit wasserdicht zu machen.

Hierauf folgte Klettern am Mäste, Sacklaufen, Wertsprünge und andere ländliche Belustigungen. Ein fernerer Hauptakt des Festes bestand in der Austheilung von bunten Tüchern, Schürzen, Kappenzeug und ähnlichen einfachen Geschenken für die Frauen, für die Männer in Geldspenden, die je nach der Länge der Dienstzeit verschieden waren. Dann wurde das Erntebier gegeben. Die Dorfmusikanten spielten auf, und nicht blos Bursche und Mädchen, auch die Männer und Frauen, Alles, was sich ganzer Glieder erfreute, tanzte: der kleine kurzbeinige, aber stämmige Vorpflüger auch hier »immer forsch voran!« Doch während in der Stadt die Herren sich höflich verneigen, wenn sie eine Dame auffordern, winkte hier der Tänzer gnädig mit dem Finger der Schönen, die er begehrte – und sie kam! Der Baß brummte, die Fiedel kratzte, die Weiberröcke wehten, der Männer lange Hemdärmel flatterten, der Schweiß floß, die Füße schleiften oder trampelten kraftvoll mit den Hacken, und von Zeit zu Zeit wurde in die Hände geklatscht oder ein lauter Juchzer gab Zeugniß, daß die Freude keine blos affektirte sei. Dies Juchzen kam in der That recht aus der Tiefe der noch nicht durch Ueberfeinerung abgeschwächten Natur der guten Landleute herauf. Von eben daher kam auch, als die Köpfe warm geworden, die unwiderstehliche Sehnsucht nach ernsthaften Prügeln. Als die Lustigkeit jedoch eben diesen höchsten Gipfel erreicht, trat der Verwalter dazwischen, gebot Ruhe und hieß alle nach Hause gehen, um auszuschlafen. –

Am folgenden Morgen stand Ferdinand schon wieder früh auf dem Felde bei den Pflügern, die er genauer anzuweisen hatte auf diesem Stück; die Ackerkrume sollte da vertieft werden, doch zu tief sollte sie auch nicht gehen. Das taugt nicht bei Neuerungen. Lieber nach und nach, aber sicher! – Und so geht es fort und fort in der Landwirthschaft, getreulich folgt sie dem Gange der Natur und kennt keinen Stillstand, als im Tode. Ja selbst da nicht einmal: wenn die letzte Garbe abgefahren ist, kommt gleich wieder der kleine stämmige Vorpflüger, treibt die schwerfälligen Zugthiere an, seine wetterbraune haarige Hand drückt den Hakenpflug ein, und wirft unverzagt die Scholle mit den todten Stoppeln herum, die Stätte zu bereiten – für die neue Saat. –

Den Sonntag darauf fand das kirchliche Erntedankfest statt. Der Herr Pfarrer galt für keinen großen Redner. Dennoch fühlte sich unser Ferdinand recht erbaut von der Predigt, schon um des schönen Textes willen, der die tröstliche Versicherung enthielt, daß sein Beruf, den er liebte, noch nicht so bald überflüssig werden würde. Es waren die Worte der Schrift: »So lange die Erde steht, wird nicht aufhören Same und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.«

*

 


 << zurück weiter >>