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9.
Bei Mondenschein.

Die abgelohnten Arbeiter zerstreuten sich. Sie hatten von Sonnenaufgang bis Untergang die Sense geschwungen, die sie jetzt auf der Schulter trugen. Wenn die weitgedehnte schräge Reihe der Männer sich hinter dem Vorhauer langsam fortbewegte, hart am Rande des noch stehenden Getreides, gegen dessen gelbe Farbe wie gegen den blauen Himmel die groben Hemden, bis zum Gürtel ihre einzige Kleidung, weiß leuchteten wie feines Linnen auf der Bleiche, das machte sich wunderhübsch – für den, der zusah. Mancher Schweißtropfen war geflossen im Sonnenbrand des heißen Julitages. Und doch waren die Leute am späten Abend noch munter; es hatte wiederholt Ruhe geboten werden müssen, damit das Aufrufen der Namen zu hören war. Wo die Frauen und Mägde standen, mit dem Rechen im braunen Arm, da wurde nicht am wenigsten geplaudert und gelacht.

Auch Ferdinand war thätig gewesen den ganzen langen Tag, aber nach dem Essen lockte ihn der schöne Abend doch noch hinaus zu einem Gange in die Felder. Morgen am Sonntage konnte man ja ausschlafen! Sonst war er, wie die meisten Landleute, kein Freund von bloßen Vergnügungspromenaden. Alles war so friedlich still – nur aus der Ferne klang eine Schalmei herüber – die Luft lau, von schmeichelnder Milde; dann und wann ging ein regerer Hauch durch die Wipfel der Bäume, und ihre Blätter flüsterten mit den weichsten Lauten der Natur. Auch einfache Alleebäume haben ihre Poesie. Gleich treuen Wächtern stehen sie in langer Doppelreihe am Wege, dehnen Abends ihre Schatten weiter und weiter über die Fluren und hören selbst bei hereinbrechender Nacht nicht auf, dem Wanderer freundlich die Straße zu weisen. Und so schnurgerade ging die Pappelallee auf das Waldvorwerk hin. »Das ist ja eben die Schönheit!« dachte Ferdinand. Der Holunder athmete seinen strengen Duft aus, und der Wohlgeruch der Linden, deren heller Blüthenschimmer auch im Abendlicht zu erkennen war, mahnte Ferdinand an die Linden im elterlichen Garten. Die Tage der Kindheit standen wieder vor ihm, wie so oft! Ach, es war doch schön, als er noch zu Hause! Allen kindischen Kummer, allen kindischen Zwist mit den Geschwistern, Alles was – nicht schön, hatte er vergessen. Nur das Liebe und Angenehme blieb im Bilde der Erinnerung verklärt, wie die Welt nach des Tages Mühen und Lasten jetzt im sanften Licht des Mondes erschien.

Wo die Arbeiter heute am Tage gemäht, lag das Getreide auf dem Schwad, da hatten die Grillen ihr Hauptquartier, sie schwirrten in emsiger Lust. Auch diesen kleinen winzigen Thierchen war so wohlig zu Muth – die Welt mußte es wissen, wie sehr! Ein Jeder macht Musik, so gut er kann. Auf einem andern Schlage waren bereits die Garben in sogenannte »Mandel« zusammengestellt, ihre Reihen bildeten Gassen; es sah aus wie ein Feldlager des Friedens. Weiterhin war dann nichts mehr angehauen; so fern der Blick reichte, nichts als Himmel und Getreide. Leise knisternd regte sich der Wald goldener Halme, die von der Schwere der Körner geneigten Aehren verbreiteten ihren kräftig herben Geruch, da Thau gefallen, noch merkbarer, und des Mondlichtes zitternde Strahlen ergossen sich über dieses Meer der Fruchtbarkeit, als vollende sein heilig stiller Segen erst das Tagewerk der schaffenden Naturkräfte. Dem Jüngling schwoll das Herz unter dem Eindruck der erhabenen Umgebung. Doch zu äußern, was er empfand, war ihm nicht verliehen: er hätte das schöne Gefühl wol in der Brust zurückbehalten, wäre er auch nicht allein gewesen! Unser Herr Studiosus würde vielleicht ein kleines Gedicht gemacht haben. Oder fand der junge Landmann doch Worte? Floß auch ihm die Lippe über, wovon das Herz voll war? Fester gespannt schweifte sein redlicher Blick über die Feldfläche und leise sprach er: »Künftige Woche nehmen wir ihn!«

Den Weizen natürlich.

Ferdinand hatte nur bis zum Weizen gehen wollen. Im Begriff sich umzuwenden, blieb er doch wieder stehen, als ob ihm etwas Anderes einfiel. »Bin ich einmal so weit, da kann ich auch noch die kleine Strecke weiter machen, sagte er nach kurzem Besinnen. Ich möchte blos wissen, ob die Schwernothsbauerjungen nicht wieder überhüten.«

»Gedacht gethan! Tiras hier!«

Und war sein Argwohn begründet, so hätte der gute Genius der jungen Hirten unverzüglich dafür sorgen müssen, daß das Vieh wieder zurückgetrieben wurde über die Grenze. Der Verwalter war kein Freund vom Pfänden und hatte seine Jünger in diesem Sinne instruirt. Unserm Mondscheinschwärmer fiel das auch gar nicht ein, aber seine Reitpeitsche wippte mit einem eigen scharf accentuirten Rhythmus; sie hatte an der Spitze ein feines Flöckchen von grüner Seide – im Uebrigen war sie von Fischbein.

*

 


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