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2.
Heiliger Dreikönigsabend.

Der Brennereischreiber war nach dem Abendessen auf ein Nachbargut hinüber geritten, um mit den dortigen jüngeren Beamten ein »Partiechen zu machen« – ob ohne oder mit Urlaub, ist hier gleichgiltig. Nur die allgemeine Bemerkung sei erlaubt, daß jener große Römer, der es aussprach, es gebe nichts Herrlicheres, nichts – eines freien Mannes würdiger als der Landbau, schwerlich die Idee der Freiheit in dem weiten Sinne genommen, wie sie zuweilen in ländlichen Schreibereistuben von mehr lebenslustigen, als feingebildeten jungen Leuten aufgefaßt wird.

Ferdinand vervollständigte noch ein Wirthschaftsregister, dessen Führung ihm übertragen war, nahm die Guitarre, die an einem verschossenen rosa Bande über seinem Bette hing, und spielte ein paar Stückchen, die er alle Abend spielte; es machte ihm Vergnügen, obwol diese landwirthschaftlich-musikalischen Studien von jeher keinen hohen Kunstwerth beanspruchen durften. Dann nahm er ein Buch vor, und im eifrigen Lesen bemerkte er kaum, wie der lange Winterabend immer tiefer in die Nacht versank. Ein Mann in ländlichem Schafpelz kam, es war der alte Aufseher; er hatte die Runde gemacht, brachte eine Hoflaterne zurück und hing an den bestimmten Haken des Schlüsselbrettes einen Schlüssel auf, dessen begriffenes Zeichenhölzchen noch eine ganze Weile nachpendelnd leise hin und her schaukelte, während in feierabendlich gedämpftem, schon etwas schläfrigen Tone einige Anordnungen für den folgenden Tag besprochen wurden. Als der Alte wieder gegangen, schürte Ferdinand die Gluth im Ofen. Die knorrigen Scheiten waren noch nicht ganz verkohlt, obwol bereits vor mehreren Stunden nachgeschoben »zum Glimmen« – eine Aufgabe, der sie sich mit so zäher Gemächlichkeit widmeten, als sei die Eiche, von der sie geschlagen, der letzte Rest der guten alten Zeit, wo man das Brennholz fast umsonst bekam, wenn man nur die Güte hatte, es abfahren zu lassen. Aus der Gesindestube, wo die Mägde beim Schnurren der Spinnräder Märchen und Schauergeschichten erzählten, klang noch einmal ein Aufjuchzen herüber. Noch einmal bellten draußen die Hunde, wüthend über ein fernes Geräusch vielleicht ganz unverfänglicher Natur, allein das mißtrauische Gemüth der Hofhunde ist gar zu sehr geneigt, jede Regung menschlichen Lebens zu so später Stunde für ein nahes Anzeichen beabsichtigten Diebstahls zu halten. Und da rappelte sich denn auch ihr besser situirter Vetter, der Hund im Zimmer, empor und schlug gleichfalls an, daß es laut schallte durch das nächtlich stille Haus; er wurde aber sofort zum Kuschen verwiesen und machte sich ferner nicht anders bemerklich, als ab und zu durch einen stärker schnaubenden Athem, wie um sich von der schweren Arbeit des Halbschlafes zu erholen, oder wenn er seine Lage wechselte, indem er die rechte Pfote über die linke, die linke über die rechte oder die Schnauze zwischen beide platt auf die weiche, warme Decke legte. Einmal schüttelte er sich, daß das Halsband klirrte, und die harten Nägelkrallen seiner Füße klapperten auf den Dielen, wie er langsam und sich reckend durch die Stube ging. Als ihn die Zugluft zwischen Thüre und Schwelle und noch mehr am undichten Fenster traf, kehrte er jedoch schnell wieder zum warmen Ofen zurück. Ein andermal ließ sein Herr einen Ordnungsruf an ihn ergehen, in dem der Zurechtgewiesene eine Unbilligkeit erblicken mochte: er sollte sich nicht kratzen – und doch juckte ihn das Fell so sehr.

Und nun war weiter keine Störung des Stilllebens einer Winternacht auf dem Lande. Der kalte Nordost, der den Tag über scharf gepfiffen, dann wimmernd und klagend am Giebel herumstrich, ließ jetzt nach; der wolkenbedeckte Himmel schien nur darauf gewartet zu haben. Ganz sachte, aber dicht, und immer dichter und dichter, mit jener gleichmäßigen Stetigkeit, die am meisten schafft, rieselten die sternförmigen Flocken hernieder, von denen die weiße Decke der Erde unmerklich höher und höher wurde. – Vor Weihnachten war noch nicht viel Schnee gekommen, bis Neujahr gab es einen trocknen klingenden Frost. Aber am Morgen, der diesem Abend folgte, lagen die glänzenden Krystalle Fuß hoch, und wie sich beim Goldlicht der spät aufgehenden Sonne der ferne Waldsaum mit den einzelnen hochragenden Kiefernwipfeln purpurn und violett färbte, da war es, als feierte die Landschaft nun erst den rechten Wintersanfang.

Als der solide Eleve schon lange schlief, kam sein Stubengenosse still, aber heiter zurück und theilte ihm mit, zur Entschädigung dafür, daß er ihn aufstörte, er habe unterwegs gehört, wie der Fuchs der Füchsin in der Haide gute Nacht gesagt, und wie die Würmer unter der Erdscholle sich auf die andere Seite gedreht zur zweiten Hälfte des Winterschlafes; denn das thun sie bekanntlich nach gut altpreußischer Sitte – am heiligen Dreikönigsabend.

*

 


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