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27.
Der letzte Abend.

Nun wurde bereits sein Bündel geschnürt. In der That war es ein solider Koffer, der mit so realer Kräftigkeit nach neuem Leder roch, daß hierdurch der letzte Zweifel an der Wirklichkeit der bevorstehenden Reise zerstreut werden mußte. Künftig sollte Karl seine Sachen allein packen. Jetzt that es noch die gütige Mutter für ihn und zeigte, wie er's zu machen hätte, während die zusehenden Kinder von jedem Stück, das eingelegt wurde, wissen wollten, was das sei und wozu es diente.

»Die Wäsche nach der Nummer tragen wirst du ja doch nicht, wenn ich dich auch darum bitte.«

Karl lächelte.

»Thu' mir wenigstens nicht den Kummer an, die Strümpfe unpaarig zu brauchen.«

»Die Aermel umzukehren, wie viele thun, ist unzweckmäßig,« sagte die Mutter, indem sie einen Rock zusammenlegte. »Mit den Beinkleidern ist das etwas Anderes,« und der Hausfrau Arm fuhr dabei tief in den schwarzen Buckskin, erfaßte den Rand, wo das Vorstoßfutter sitzt und streifte mit sicherm Zuge das Inwendige nach außen herum.

»Uebrigens – die feinen schwarzen Kleider waren das natürliche Verbindungsglied der Ideen – versprich mir nochmals, den Umgang in guten Häusern nicht zu vernachlässigen. Frau von Hillerström will dir auch noch ein Empfehlungsschreiben besorgen. Aber mache es nicht wie Eduard Werner, der seine Briefe durch den Lohndiener austragen ließ; denn den hatte man nicht an die Familien adressiren wollen. Ich mache dir das noch besonders zur Pflicht – wenn es dir anfänglich auch ein wenig sauer wird! Seid ihr jungen Leute immer nur unter euch, da laßt ihr euch gar zu sehr gehen. Ich kenne das!« Dann wieder seufzte die Gute: »ja, ja – wie die Zeit vergeht! Die Großmutter hat ganz Recht: »kein Kind mehr in der Wiege und noch keins außer dem Hause, das sind die besten Jahre!«

»Karl!« rief der Vater und winkte ihn zu sich in sein Zimmer, wo auch er dem Sohne noch manche wohlangebrachte Weisung ertheilte, und ein milder, fast, weicher Ton gab seinen ernsten Worten etwas besonders Eindringliches. Der gute Karl ließ sich das Alles mit empfänglichem Gemüth gesagt sein, aber sein Blick schien erwartungsvoll auf dem offenstehenden, vom Lampenschein freundlich erhellten Pulte zu ruhen, als sollte von dorther noch die Hauptsache kommen. Es war ein einfaches Schreibepult, dennoch hatten sämmtliche Familienglieder ein unbedingtes Zutrauen zu der Unerschöpflichkeit seiner Hülfsquellen; nur das ehrwürdige Möbel selbst und der Hausherr wußten recht gut, wie der Boden der Geldschieblade aussah. Ein Päckchen jener kostbaren, dem Werthe baarer Münze gleichen Scheine lag denn da auch wirklich bereit für Karl und wurde mit Dank von ihm in Empfang genommen. Die Summe, obwol sie seine Hoffnung nicht überstieg, war doch im Abstande gegen sein bisheriges Taschengeld ›gewaltig groß‹ und wie er das viele Geld nun wirklich als freies unbeschränktes Eigenthum in Händen hielt, dachte er: »ei, damit kannst du ja prächtig auskommen, vielleicht auch noch etwas zu einer großen Reise sparen!« Später haben sich dann seine Begriffe über Finanzangelegenheit im Allgemeinen und Ersparnisse im Besondern sehr aufgeklärt. Der unproductiven Kapitalanhäufung, die im Collegium über Nationalökonomie als ein Verstoß gegen die Regeln einer richtigen Wirthschaftslehre bezeichnet wurden, machte sich der gelehrige Schüler nicht schuldig. Ja, als er nach absolvirten Studien wiederholt betheuerte, es sei diese Zeit die schönste seines Lebens gewesen, setzte der Vater der enthusiastischen Versicherung etwas kühl entgegen: »jedenfalls die kostspieligste.«

*

 


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