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5.
Tischchen deck' dich.

Tischchen deck' dich, breite das Tischtuch aus – ist's auch nicht mehr so ganz vollkommen weiß am Ende der Woche: lieber ein paar Flecke zur Bezeichnung der Kinderplätze, als blendend zarter, alle Tage frisch aufgelegter Damast über kinderlosem Tische.

Tischchen deck' dich, setze die Teller auf in gewohntem Kreisrund, tiefe und flache Teller, tiefe, die sich noch tiefer machen möchten, wenn es eine Lieblingsspeise giebt, und flache, die überzulaufen fürchten, so wie das erste Atom von etwas Unbeliebtem an sie kommt: »genug, genug, genug!«

Teller, die mit ihrem auf der Rückseite eingebrannten Fabrikstempel wie mit einer Art Adelswappen groß thun. Teller, die immer gleich wieder da sind, als »Schiffchen aus England« und neue Ladung begehren, oder wol gar vorlaut ohne allen Anstand: mehr, mehr! kommandiren, wie im Wirthshaus.

Mäkelnde Teller, die Fleischbrühe nur im Wege der Execution annehmen und entschlossen sind, wenn sie groß sein werden, alle Tage Chokoladensuppe kochen zu lassen, die bald Dünnes bald Dickes, bald Mageres bald Fettes, bald Braunes bald aus der Mitte des Bratens, bald die Sauce auf das Fleisch bald nebenbei verlangen, und die ersucht werden, sie möchten doch das Modell des Stückes und eine Specialkarte einreichen, wohin Kost und Zukost kommen soll – aber auch artige Teller, die nicht vorschreiben und nicht fordern, sondern hübsch warten, und zufrieden sind mit dem, was sie erhalten.

Tischchen deck' dich, herbei du rasselnder Löffelkorb, gieb jedem Teller seinen Löffel, jeder Gabel ihr Messer. Die Löffel, Messer und Gabeln, die schon im Korbe so wacker rasseln, rasseln noch viel wackerer, wenn sie ihre Thätigkeit auf dem Teller beginnen. Da sind kleine Löffel, die sich durch ein höchst verständiges, gesetztes Betragen der ihnen frühzeitig zu Theil gewordenen Ehre würdig zeigen, am großen Tische mitzuessen, wenn sie auch zuweilen noch unrichtig gehalten werden und statt mit der Spitze mit der breiten Seite nach dem Munde fahren, und Messer und Gabeln, die sich die Portionen wohlweise in möglichst kleine Theilchen zerlegen, »damit's recht viel wird.«

Löffel, die mit den einfachen Mitteln von Pflaumenmus oder Blaubeersuppe Farbenwirkungen hervorbringen, an und in den kleinen Mäulern – die blaue Grotte auf Capri ist nichts dagegen, und Messer und Gabeln, von denen schwer zu sagen, wozu sie eigentlich da sind, wenn die Finger so viel mithelfen.

Löffel, Gabeln und Messer, die, eines so gut wie das andere, nicht ohne Mitschuld, wenn die Kinder berufen werden: »iß und plappre nicht« oder: »stopf' nicht so, nicht so viel auf einmal« oder: »spiel' nicht mit dem Essen« oder: »siehst du, die Augen haben doch wieder mehr als der Magen gewollt.«

Tischchen deck' dich, fülle dich, Flasche, mit dem besten Kinderwein, dem frischen, klaren Brunnenwasser und ermahne die kleinen goldgeränderten Henkelgläser, daß sie nicht wieder ungeschickt sind und umgießen.

Tischchen deck' dich, die Stühle rücken an, die durchtriebenen Stühle, die den Nebenmann mit dem Fuße anstoßen und »schick' weiter« sagen und allerhand, was sich nicht gehört, unter dem Tische treiben, wofür dann die armen Kinder, die »gar nichts gethan haben«, verantwortlich sein sollen und am Ende wol gar nach vergeblicher Verwarnung doch wieder abgefaßt, von Tisch müssen, um in der andern Stube still sitzen zu lernen.

Tischchen deck' dich, und ist fertig gedeckt, mag ungesäumt die große wohlhäbig ausgerundete Terrine erscheinen, die unter dem Tischgeschirr, was die Mutter, vor deren Platze sie steht, unter den Tischgenossen. Liebevoll für Alle bedacht, sorgt sie zuletzt für sich selbst und ist über nichts mehr erfreut, als wenn es Allen brav schmeckt, als wenn sie, »um schön Wetter zu machen« – das heißt, damit ja nichts übrig bleibt – die letzte Neige über Bord gießen muß, und nur mit der einen Schwäche behaftet, daß sie nie etwas davon merken kann oder will, wenn die Suppe angebrannt ist.

Tischchen deck' dich, vergiß vor Allem den Segen des Hauses nicht: Salz und Brod, gedeihliche, einfach kräftige Nahrung und Würze für Leib und Seele, für Groß und Klein.

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