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2.
Was die Leute dazu sagen.

Darum auch – ich hab' die Nacht von Rindfleisch geträumt!« sagte die Flore.

»Es scheint ja ein sehr anständiger Herr zu sein,« sagte die Mine. Auch der glatteste Besenstiel setzt leicht Schwielen ab. Dennoch hatte die Mine ein ungemein zartes Gefühl dafür, ob es ein großes Fünf- oder ein kleines Zehngroschenstück, was ihr freundlich in die Hand gedrückt wurde.

»Das muß ich doch gleich melden gehen,« sagte die Aufwartfrau nicht, aber sie ließ Alles stehen und liegen und rannte spornstreichs zu Rademachers hinüber. Eine halbe Stunde später ging die Jette von Engelrechts zum Kaufmann Lassanke an der Ecke nach zwei Matjesheringen und traf dort Rademachers Dore, die Kapern holte. »Wissen Sie auch schon, Dorchen?« sagte die Jette mit dem stets behaglichen Gefühl, brühwarm etwas ganz Neues berichten zu können. »Sie meinen wol die Verlobung von Fräulein Agathchen?« – »Ja, also Sie wissen es auch schon!« – »Ach wie lange!« – »Na, Dorchen, bei Ihnen kommt man aber auch nie mit was an, und der Lohndiener sagte mir doch, er hätte nur eben den Brief hingetragen.«

»Wäre ich reich, sagte der bescheidene Herr Bockholz, Ferdinand's Kollege, oder dies einzig liebenswürdige Wesen ein Dienstmädchen, so hätte ich sie mir bei Gott! von keinem Alborn und keinem Teufel nehmen lassen, und wäre er Regierungsrath oder Rittergutsbesitzer. Aber sie ist ein hochgebildetes Mädchen, ich bin ein armes Thier, und Esel will Esels Futter, sagte der reiche Mann, als er sich den Mund wischte nach dem Rehbraten.«

»Ehen werden im Himmel geschlossen,« sagte Frau Jäscheck, die Mutter Aureliens. Aurelie aber hätte gar nichts gesagt, sondern wäre ganz blaß geworden und rasch in's andere Zimmer gegangen, sagte die Schneiderin, die in der Nebenstube saß und den folgenden Tag bei Perwitts nähte, wo sie es erzählte: die Perwitt'schen Mädchen haben es wieder unseren Mädchen erzählt, und so kam es denn richtig rund um, wie sich's für eine schöne Klatschgeschichte gehört.

»Wenn es nur wahr ist!« sagte jener Sonderling, aber das sagte er immer, ja er sagte es nicht nur, – der wunderliche Heilige hatte sich diese seiner Meinung nach goldnen Worte unter Glas und Rahmen in Frakturschrift über sein Sopha gehängt, zu steter Mahnung an die Unzuverlässigkeit alles menschlichen Wissens von den ältesten Ueberlieferungen bis zu den jüngsten Neuigkeiten des Tages.

»Gott segne das liebe Paar,« sagte Tante Malchen.

»Wenn er sie nicht glücklich macht, soll ihm ein heiliges Kreuz-Donnerwetter auf den Kopf fahren,« sagte unser frommer Onkel Major.

»Also wirklich! das freut mich ja ungeheuer,« sagte Gertrud Rademacher, feuerroth vor Ueberraschung und frohester Erregung, sie klatschte in die Hände, sprang im Zimmer herum und wurde zuletzt ganz ärgerlich über ihren Bruder, welcher die anziehende Neuigkeit ungleich ruhiger aufnahm. In der That sollte eine Verlobung nur dann Giltigkeit haben, wenn die jungen Freunde, ja selbst die Brüder der Braut ebenso darüber jubeln, wie ihre Freundinnen, so würden bald gar keine Brautringe mehr bestellt werden. Der Goldschmied will aber doch auch leben!

»Sie werden im Anfange keine großen Sprünge machen können,« sagte Onkel Paustian. »Ich glaube nicht, daß sein Vater ihnen jetzt schon was geben wird. Aber das schadet nichts, der alte Mann, der Großvater ist über Siebzig, und wenn der mal die Augen zumacht, hinterläßt er Alborn's ein schönes Vermögen. Sie macht doch eine gute Partie.«

»Die macht jedes Mädchen, welches einen braven Mann bekommt, den es gern nimmt, der arbeiten kann und will und sie nicht blos mit Süßholz, Vergißmeinnichtsalat, gebratenen Nachtigallen, Mondschein und einem Herzen voll Liebe zu beköstigen denkt,« sagte Herr Engelrecht.

»Und er macht doch auch keine ganz schlechte Partie,« sagte Tante Paustian. Eine Cousine der Mutter der Braut, glaubte sie es sich schuldig zu sein, für die Ehre der Familie einzutreten.

»Mein liebes Kind,« sagte wieder Herr Paustian, »das ist solche Sache. Ich habe nichts dagegen: allerdings es sind ja recht wohlhabende Leute – das heißt, nach hiesigen Begriffen. Wer bei uns Bäcker und Fleischer bezahlt, der ist wohlhabend, und wer gar dem Schuster und Schneider nichts schuldig bleibt, gilt für reich. Vergiß nicht, man muß auch immer nach dem Divisor fragen. Je mehr liebe Kinderchen, desto fetter die Brühe, heißt das Sprichwort nicht.«

»Jedenfalls wird es keine Vernunftheirath,« sagte der junge Wiedemann.

»Du bist wol mehr für Unvernunftheirathen,« sagte Herr Wiedemann Vater, und wenn das der eigene Vater des noch sehr jungen Mannes sagte, so wird er auch wol seinen guten Grund dazu gehabt haben.

»Wenn ich nur keinem neugebackenen Bräutigam mehr zu gratuliren brauchte! Mir ist dabei immer, als sähe ich um seinen Hals ein feines Fädchen, so fein, wie es die Taschenspieler zu manchen ihrer Kunststücke nehmen. Das feine Fädchen wird aber immer stärker und stärker und zieht sich immer fester und fester zusammen, bis der Glückliche am Ende selbst merkt, aus was für gutem Hanf die Schlinge angefertigt, mit der er sich hat einfangen lassen.« Und da der Herr, der das sagte, noch nicht vermählt, auch nicht mehr so ganz jung, so schien die Besorgniß leider nur zu begründet, er würde am Ende überhaupt niemals unter die Haube kommen. Denn »mit dem Heirathen ist es wie mit dem Einkochen der grünen Erbsen,« sagte unser alter Nachbar und Hausfreund. »Gar zu jung und weich – das taugt nicht mal bei den Mädchen, bei den jungen Burschen nun schon gar nicht, aber klapperhart und dürr vor Ueberreife müssen die Schoten freilich auch wieder nicht werden.«

Und so wurde denn das frohe Ereigniß nach allen Richtungen hin gründlich besprochen. Acht Tage lang war die neue Verlobung das Stadtgespräch. Da wurden bei Richters die Hühner gestohlen. »Wissen Sie schon?« – »Ach, es ist nicht möglich!« – »Ja, ja, die Sache ist factisch.« – »Aber wie denn? –« »O höchst einfach und zweckentsprechend – über den Zaun gestiegen, ein Loch in das Fachwerk des Stallgebäudes gestoßen, hinein gekrochen und vollständig rein Tisch gemacht. Nicht eine Feder haben sie zurückgelassen, vom alten Hahn bis zum jüngsten Keichel, das noch die Eischale mit sich herum trägt, die ganze Hühnerfamilie mußte d'ran glauben. Ich habe auch schon meine Frau instruirt, sie soll um's Himmels willen auf dem nächsten Markt keine Hühner kaufen, wenigstens keine bereits gerupften – sonst ...«

»Meinen Sie, daß Einer Unannehmlichkeiten haben könnte, auch ohne zu wissen, daß was man kauft, nicht auf redlichem Wege erworben ist?«

»Einmal das, und dann denken Sie sich, man setzt sich zu Tische, der Braten wird aufgetragen – ah, Kapaunen! und sie scheinen ja recht groß und schön zu sein, aber beim ersten Bissen kriegt man die bastzähen Muskelfasern des ehrwürdigen Stammvaters vom Richter'schen Hühnerhof zwischen die Zähne, während die Herren Diebe ohne Zahnstocher die delikatesten jungen Hühner schmausen – auch billig, denn die Butter zum Braten und den Speck zum Spicken hat sich das Rackerzeug wieder wo anders gestohlen, und die kleine Bemühung, sowie Gewissensunkosten rechnen sie sich nicht.«

»Hahaha! Sehr gut – die armen Richters!« –

Von der neuen Verlobung redete kein Mensch mehr. Und das mag sich Jeder gesagt sein lassen zum Trost oder zu klüglicher Selbstbescheidung bei Zeiten, der das Glück oder Unglück hat, gelegentlich in aller Leute Munde zu sein.

*

 


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