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16.
Die Nixchen.

Glaubt es nur, ein kleiner durchtriebener Nixkobold ist überall mit im Spiel, wo die Kinder berufen werden: »patscht nicht im Wasser!«

So ein Nixchen lenkt den Finger, der das durchgeschlagene Regenwasser auf dem Fensterbrett zu kleinen Teichen vermalt, die Teiche zu Seen ausweitet, verbindende Kanäle anlegt und schließlich eine großartige Abflußtraufe nach dem Fußboden improvisirt.

So ein Nixlein weiß am besten, woher das Wasser in der Küchentonne eines schönen Frühlingsmorgens den bittern Beigeschmack hat, und woher es kommt, daß die Flöten von Weidenrinden über Nacht sich so frisch im Saft erhielten.

So ein Nixlein schüttelt von Sträuchen und Baumzweigen lustige Tropfenschauer auf der Geschwister Köpfe herab, denn Mairegen macht wachsen.

So ein Nixchen, wir wissen es ganz genau, füllte die kleine Handspritze – wie sie zieht die kleine Spritze, nachdem der Saugeknopf neu mit Werg umwickelt ist! – Das Nixchen thut nichts weiter, als mit dem Finger zu zeigen: »da kommt die Charlotte« – dieselbe Charlotte, die bei Verfertigung der kleinen Spritze die alte einzinkige, zum Ausbohren des Holundermarks gewünschte Bratengabel verweigerte. »Aber ich kehrte mich nicht daran, ich ging ganz ruhig an den Schrank und nahm mir die neue mit zwei Zinken

»Na warten Sie, Karlchen! Ich sehe Sie ganz gut, Sie brauchen sich nicht unter der Treppe zu verstecken – und mit dem schmutzigen Wasser!«

Allerdings sind die Nixchen nicht gar zu bedenklich in der Benutzung ihres Elements, je nach dem größeren oder geringeren Grade seiner Reinheit.

Solche Nixchen sind in ganzen Schaaren dabei, wenn ein herzhafter Platzregen fällt zur Zeit des Schulschlusses, und die derbsten Regengüsse richten sich erfahrungsgemäß so ein, daß sie pünktlich 12 Uhr Vormittags oder 4 Uhr Nachmittags da sind, um der heimwandelnden lieben Jugend sofort den Schulstaub abzuspülen. Die Nixchen aber sorgen dafür, daß die im Interesse der Wissenschaft wünschenswerthen Messungen der Rinnsteintiefe mit der Exactheit der ersten Schäftenstiefel vorgenommen werden.

Solche Nixchen sind die Rheder, Admiralitätsbeamte, Kapitäne, Schiffszimmerleute, Steuermänner und Lehrer der Navigationsschulen für unsere aufstrebende jüngste Seemacht. Sie bauen, bemannen und führen die Fregatten und großen Kauffahrer von Kiefernborke, die zierlichen kleinen Schooner von lackirtem Blech, die Kanonenbötchen von Nußschalen und die nur zu Vergnügungsfahrten bestimmten Papiergondelchen.

Solche Nixchen sind die Deichbaumeister, wenn die fluthend vollgepumpte Gosse auf dem Hofe eingedämmt wird, und die hochgestauten Gewässer endlich ein kühner Spatenstich in brausenden Kaskaden wieder ableitet.

Solche Nixchen spielen mit schwimmenden Entchen, Schwänen und Gänschen von hohlem Milchglas oder leiten dieselben Arten Schwimmvögel, wenn sie von Blech sind, mit der Magnetspitze, wie sie wollen und wohin sie wollen, auf dem ganzen unermeßlichen Ocean der Waschschüssel.

Solche Nixchen geben den langbeinigen Spinnen, Schneider genannt, und den großen Brummfliegen unentgeldliche Schwimmstunden, und wenn die nichts lernen, ja elendiglich ersaufen, so ist das die Schuld ihres eigenen Ungeschicks. Für die treffliche Methode des Unterrichts spricht der Umstand, daß der Frosch, ihr Mitschüler, gleich in der ersten Lection alle Bewegungen kunstgerecht lernte. Es kann daher Niemand behaupten, daß die Nixchen sich einer Uebertretung des Verbots thierquälerischer Spiele schuldig gemacht.

So haben denn diese munteren Wassergeisterchen einen sehr umfassenden Wirkungskreis. Ihr Lieblingsaufenthalt jedoch ist unstreitig die Tonne unter der Dachtraufe, und selbst bei trockener Zeit, wenn das Wasser darin bis auf den letzten Tropfen verdunstet ist, sorgen sie für Wahrnehmung ihrer Interessen an diesem wichtigen Platze. Wer anders als so ein, von Amtswegen bestellter Vertreter der Nixchen konnte es sein, der zu unserm kleinen Ferdinand sagte: du, die Tonne ist ja leer – ich werde hineinsteigen, halte, was du kannst, daß es nicht umkippt, bis ich d'rin bin, dann helfe ich dir auch herein, und dann wollen wir tüchtig mit den Füßen bullern.«

Aber jetzt ist die Tonne nicht mehr eine leere Tonne außer Dienst. Und wie freuten sich die Nixchen, als sie sich wieder füllte – als nach langer Dürre die Wolken, die so oft getäuscht, endlich bei fernher rollendem Donner Ernst machten, als die ersten fallenden Tropfen auf den heißen Steinen verdampften oder vom schmachtenden Staube gierig eingesogen wurden, als dann der sehnlich erflehte Regen in Strömen herabfloß, als der Schlangenkopf am Giebel des Hauses aus überlaufendem Rachen einen armstarken, kühngeschwungenen Wasserstrahl niederspie, und der Strahl in der ersten Hast nicht recht traf – statt in die Oeffnung der Tonne seitwärts auf den Rand, daß er wild spritzte, sich zerschlug und wenig hinein lief, bis er besser zielte, und die Mägde, hochaufgeschürzt, ohne Scheu vor dem bischen Naßwerden, auch die Tonne ordentlich zurecht rückten.

Wie freuten sich die Nixchen, als andern Tages wieder der klare, lachend blaue Sommerhimmel sein Bild an gewohnter Stelle, im gewohnten Spiegel erblickte, und das Wasser, wenn Töpfe, Kannen und Eimer schöpfend untertauchten, so komisch gluckte und gurgelte im Hineinstürzen. Wie freuten sich die Nixchen, daß die Kinder über all' das sich auch so freuten wie sie selbst, auch die kleinen, die, so hoch sie ihr Näschen reckten, nicht über den Rand sehen konnten.

»Klettere auf,« raunt das Nixchen: »wozu sind denn die eisernen Reifen um die Tonne?«

»Ach, das tiefe runde Loch, das ich sehe – so tief, so tief wie der Himmel; wahrhaftig ich sehe den Himmel dort unten. Wie gerne möchte ich darin baden! Aber da finde ich am Ende gar nicht Grund und ich sinke unter. Nein doch nicht, ich weiß was ich thäte. Ich sehe da unten auch die Aeste von der Linde, daran halte ich mich fest und klettere auf, und dann kann ich zu Rademachers in den Garten sehen.« –

*

 


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