Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

24.
Engel und Teufel.

Die Geisblattlaube im Garten ist das »himmlische Vogelhaus«. Die gute Mutter wird gebeten, sich mit ihrem Nähzeug zu den Kindern zu setzen und die undankbare Rolle des Engels, der die Vögel verkauft, zu übernehmen. Die Vögel sind in reicher Auswahl vorhanden. Demnach ist Alles bereit, der Teufel kann kommen, und er läßt nicht auf sich warten.

Um alle unnöthige Aufregung der Phantasie zu vermeiden, sei jedoch vorweg bemerkt: Seine infernalische Majestät hat sich der abschreckenden Aeußerlichkeit, die ihm der Volksglaube beilegt, gänzlich entschlagen und erscheint in der kindlichen Tracht eines schottischkarrirten Wämschens mit Perlmutterknöpfen nebst hellstreifigen Sommerhöschen. Schwarz ist an ihm nichts – nicht einmal seine bestoßenen und bescheuerten Stiefelchen – als die Finger, die sind allerdings stellenweise in die Trauer eines tiefen Blauschwarz getaucht, als wäre unter ihrer Mitwirkung der Acheron, Kocytus und Phlegeton sämmtlicher Tintenfässer von Sexta ausgebaggert. Auch hält es der Teufel für angemessen, sein ursprünglich glockenhelles Stimmchen in einen grausig zu vernehmenden, mindestens einen Zoll unter dem Leibgurt heraufgeholten Kunstbaß zu vertiefen.

Der Teufel pocht an:

»Holla, holla, heda!«

Der Engel fragt:

»Wer ist da?«

»Der Teufel.«

»Was will er?«

»Schön Vögelein.«

»Welches denn?«

»Die Taube.«

»Taube flieg' aus, komm' wieder in mein Haus!«

Die Taube zeichnet sich nicht nur aus durch volltöniges Gurren, stolzes Vorwerfen der Brust und klatschenden Flügelschlag, auch ihr Flug ist von einer Schnelligkeit, daß der Verfolger bald weit zurückbleibt, und nach kurzer Frist erschallt ein lautes Triumphgeschrei, das die glückliche Wiederkehr der Taube jubelnd begrüßt, wie es den geprellten Teufel nach Gebühr verhöhnt.

»Holla, holla, heda!«

»Wer ist da?«

»Der Teufel.«

»Was will er?«

»Schön Vögelein.«

»Welches denn?«

Die Lerche mit ihrem fröhlichen Tirili, den Finken oder Spatz, das Rothkehlchen oder die Meise? Da ist ja auch der Wiedehopf mit seinem schwermüthigen »hupp, hupp – hupp, hupp«, der von allen Souveränen am wenigsten mit Regierungssorgen beschwerte Zaunkönig, der reichsunmittelbare Freiherr von Bülow, der wie Kuckuk und Uhu der Verkündigung des eigenen klangvollen Namens nicht müde wird, der Grünling, der – täuscht seines Gefieders Farbe nicht ganz – in verwandtschaftlichen Beziehungen zur Familie des Oberförsters steht, welcher seine Jungen die abgelegten Jagdröcke auftragen läßt, und so mancher andere schöne Vogel.

Der Teufel begehrt indessen keinen Geringeren als den Königsadler.

»Adler flieg' aus, komm' wieder in mein Haus!«

Wol kommt der Adler wieder, doch nicht ohne schwere Prüfung. Der Königsadler befindet sich bereits in der Uebergangsperiode, in der die Knaben stets schiefe Stiefeln und an den Jacken jene vorbildenden Schoßansätze tragen, aus welchen das Jünglingsalter die reifen, langen Frackschöße entwickelt; und der junge Adler legt mit Recht Gewicht auf diese knospende Hoffnung baldigen Erwachsenseins.

Wol kehrt der Adler wieder, aber in welcher Verfassung! Der Herrscher über Alles, was Federn hat, der Gefährte Jupiters und der Cäsaren, kehrt wieder – ohne Schwanzfedern, die der Kralle des grob zupackenden Teufels zur Beute wurden. Und der hat noch die Stirn, sich zu entschuldigen: »wahrhaftig, lieber Junge, ich konnte nichts dafür.« Sehr glaubwürdig im Munde des bösen Princips!

Wird dem Teufel denn kein einziger Fang glücken? Jetzt verlangt er den Spottvogel, zu dem ihn eine lebhafte Sympathie hinzieht. Selbst singen kann der Spottvogel nicht zum besten, hat auch wenig Stimme, aber allen Andern nachmachen – das versteht er meisterlich – Thieren wie Menschen, und wäre es selbst der Lehrer oder gar der Prediger auf der Kanzel.

»Spottvogel flieg' aus, komm' wieder in mein Haus.«

Leider kann er nicht so gut fliegen wie spotten. Schon ist der Teufel hart hinter ihm her – doch hopp! weg ist er wieder mit einem Satze.

»Oho, nicht über die Beete!«

Auch der Teufel sieht auf Gesetzmäßigkeit – wenn es in seinem Vortheile liegt. Noch einmal und noch einmal auf Tod und Leben um den runden Rasenplatz, noch der verzweiflungsvolle Versuch einer plötzlichen Coursänderung – Alles vergeblich, deine Uhr ist abgelaufen, Spottvogel!

»Holla, holla, heda!«

»Wer ist da?«

»Der Teufel.«

»Was will er!«

»Schön Vögelein.«

»Welches denn?«

»Das Rebhuhn.«

»Rebhuhn flieg' aus, komm' wieder in mein Haus!«

Das Rebhuhn folgt jedoch nicht dem Rufe, sondern reicht seine Entlassung ein: »Drei vorbei, ich spiele nicht mehr.« Das Rebhuhn hat noch die französische Arbeit zu machen und in der Geographie »die Schweiz zu lernen und ganz Afrika zu wiederholen«, was freilich viel ist. – Es ist ein fleißiges Rebhuhn.

*

 


 << zurück weiter >>