Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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Wunder der Sprache

261. Buchstabenstrategie

Quelle: Professor Dr. Eduard Heis: »Sammlung von Beispielen und Aufgaben aus der allgemeinen Arithmetik und Algebra«. Verlag der M. DuMont-Schaubergschen Buchhandlung, Köln, 1893. Z. – Anmerkung von Franz Düllberg.

Anagramm nennt man die Versetzung der Buchstaben eines oder mehrerer Worte, die man vornimmt, um dadurch ein neues Wort oder einen neuen Satz zu bilden. Entweder wird die natürliche Reihenfolge der Buchstaben bloß umgekehrt, z. B. Roma in Amor, oder man versetzt die Buchstaben beliebig, nur so daß keiner ausgelassen wird und formt so z. B. Lied aus Leid.

Als Erfinder des Anagramms wird Lykophron genannt, der im dritten Jahrhundert v. Chr. lebte. Das eigentliche Vaterland des Anagramms ist das Morgenland; die jüdischen Kabbalisten haben es weiter verbreitet. Sein goldenes Zeitalter fällt in das sechzehnte und siebzehnte Jahrhundert.

Manches Anagramm hat große Berühmtheit erlangt. So formte man z. B. aus Révolution française, nachdem man das politisch bedeutungsvolle Wort Véto herausgenommen, den Satz: Un Corse la finira. Nach dem Sturz Napoleons las man aus derselben Grundform: La France veut son roi. Aus dem Namen des Mörders Heinrichs III. Frère Jacques Clement bildete man das Anagramm: C'est l'enfer qui m'a créé.

Von modernen Anagrammen sei erwähnt Berolinum = lumen orbi, Heidelberg = Geld herbei! und die Beobachtung, daß der Schlachtruf, unter dem die deutschen und österreichischen Truppen gegen Rußland vorgingen: »O Du Banner Galizien«, Buchstabe um Buchstabe aus dem Namen des führenden Reklamehelden Italiens, Gabriele d'Annunzio, geformt ist.

„Das schönste Anagramm, das vielleicht jemals gedichtet worden, stammt von Jablonsky, dem ehemaligen Rektor der Schule zu Lissa. Die Veranlassung dazu war folgende.

Als der spätere König Stanislaus von Polen in seiner Jugend von Reisen zurückkam, versammelte sich das ganze Lescinskische Haus in Lissa, um seinen Stammerben zu bewillkommnen. Jablonsky veranstaltete zu dieser Feierlichkeit einen Schulaktus und ließ zum Beschluß von 13 Schülern, die als junge Helden gekleidet waren, ein Ballet tanzen. Jeder der Tänzer hatte einen Schild in der 373 Hand, worauf einer von den Buchstaben aus den Worten Domus Lescinia (Haus Lescinski) mit Gold geschrieben war. Am Ende des ersten Ballets standen sie so, daß man auf ihren nebeneinander gehaltene Schilden Domus Lescinia las. Nach dem zweiten Ballet standen sie in der Ordnung, daß man las: ades incolumis (unversehrt bist du hier). Nach dem dritten: omnis es lucida (ganz strahlend bist du da); nach dem vierten: lucida sis omen (strahlend sei uns Ahnung). Dann: mane sidus loci (bleib' des Landes Stern); hierauf: sis columna Dei (sei eine Säule Gottes) und endlich zum Beschluß: I scande solium (geh', besteige den Thron). Die letzte war um so schöner, da es in der Folge als eine Art Prophezeiung gerechtfertigt ward”.


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