Artur Fürst / Alexander Moszkowski
Das Buch der 1000 Wunder
Artur Fürst / Alexander Moszkowski

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126. Die heilige 7

Quelle: Professor Dr. Ing. h. c. Launhardt: »Am sausenden Webstuhl der Zeit«, 23. Bändchen der Sammlung »Aus Natur und Geisteswelt«. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig, 1910. Z.

Das Volk der Chaldäer, das vor drei Jahrtausenden blühte, kannte 7 Wandelsterne. Es waren das Sonne, Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn. Danach schufen sie den siebentägigen Zeitabschnitt der Woche, der sich merkwürdigerweise durch alle Wirrsale der Menschengeschichte bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Die 7 war die heilige Zahl der Chaldäer; als solche ist sie auf sehr viele andere Völker übergegangen, und sie lebt noch heute mit gleicher Bedeutung fort als ein eigenartiger Beweis dafür, daß eine Mode sich auch einmal ein paar Jahrtausende lang unverändert erhalten kann.

„Nach den Vorstellungen der Perser standen 7 guten Geistern 7 böse, aus der Unterwelt stammende Geister der Unordnung und Zerstörung gegenüber. Ein aus 7 Würdenträgern gebildeter Staatsrat leitete unter den persischen Königen die Regierungsgeschäfte. Bei den Persern findet sich auch schon die Vorstellung von der 7köpfigen Schlange, die unter allen Völkern des Morgenlands verbreitet war.

Die heiligen Zahlen wurden mit besonderer Vorliebe von den Juden aufgenommen. Die Schöpfung der Welt war, einschließlich des Ruhetags, in 7 Tagen geschehen. Jakob diente 7 Jahre und abermals 7 Jahre um Rahel. Joseph deutete in Ägypten den Traum des Königs von den 7 fetten und den 7 mageren Kühen, nach dem er 7 fruchtbare und 7 dürre Jahre vorhersagte. Jonas war 7 Tage im Bauch des Walfischs.

Das Passahfest, das Laubhüttenfest, die Hochzeitsfeier und die tiefe Totentrauer dauerten je 7 Tage, und auch für viele andere Zeitbestimmungen wurde die Siebenzahl zugrunde gelegt. Jedes 7. Jahr war ein Sabbatjahr und das 7mal 7. Jahr wurde als Jubeljahr gefeiert.

Für viele religiöse Gebräuche war die Siebenzahl vorgeschrieben. Beim 187 Schwören mußte man sich durch Nennung von 7 Dingen verpflichten; bei Sühn-, Weih- und Reinigungsfeierlichkeiten fand ein 7maliges Besprengen mit Wasser oder ein 7maliges Untertauchen in den Jordan statt; 7 Opferlämmer wurden bei Neumond und auch bei manchen anderen Festen 7 Opfertiere dargebracht. Das Haus der göttlichen Weisheit hatte 7 Säulen, ein Hauptstück des Tempelschmucks war der 7armige Leuchter, das Haupthaar des Simson war in 7 Zöpfe geflochten, die Blutschuld Sauls gegen die Gibeoniten wurde durch den Tod von 7 seiner Nachkommen gesühnt. Eine unmittelbare Anlehnung an die 7 die Welt beherrschenden Wandelsterne der Chaldäer findet man bei dem Propheten Zacharja, der von den 7 Augen Gottes spricht, die mit ihren Blicken die ganze Welt durchschweifen.

Auch Vielfache der Sieben wurden von den Juden gern für bedeutungsvolle Zahlenangaben gewählt. Man zählte 70 Älteste Israels, 70 Übersetzer der heiligen Schriften ins Griechische, 70 Söhne und Enkel Abdons usw.

Auch von den Griechen und Römern wurden die heiligen Zahlen übernommen. Die Sieben war besonders dem Apollo geweiht, dem am 7. Tag vor Neumond geopfert wurde. Im alten Griechenland zählte man 7 Weltweise, 7 Helden vor Theben, 7 Weltwunder. 7 Städte stritten sich um die Ehre, der Geburtsort Homers zu sein.

Im alten Rom regierten vor Errichtung der Republik der Sage nach 7 Könige, die Stadt war auf 7 Hügeln erbaut, im Tempel auf dem Tarpejischen Felsen wurden die 7 großen Reliquien des römischen Reichs aufbewahrt. Ein Geheimnis wurde in dem Buch mit 7 Siegeln gehütet. Nach römischem Recht waren 7 Testamentszeugen erforderlich.

Eine große Bedeutung hat die heilige Sieben in der christlichen Kirche. Es sind zunächst zu nennen die 7 Kreuzesworte des Erlösers und die 7 Bitten des Vaterunsers. Die Offenbarung Johannes hat durch die vielfache Hervorhebung der Siebenzahl geradezu ein besonderes Gepräge erhalten. Die katholische Kirche hat 7 Sakramente, sie teilt den Tag in 7 kanonische Stunden, sie feiert ein Fest der 7 Schmerzen und der 7 Freuden der Jungfrau. Es gibt 7 Todsünden, die den geistigen Tod des Menschen bewirken, nämlich Hochmut, Geiz, Wollust, Trunksucht, Zorn, Neid und Trägheit des Herzens. Den 7 Todsünden stehen 7 Werke der Barmherzigkeit gegenüber. Die Fastenzeit vor Ostern dauert 7 Wochen, das Pfingstfest folgt 7 Wochen nach Ostern. Den Kalenderheiligen Siebenbrüder und Siebenschläfer wird eine große Bedeutung für die Vorhersagung des Wetters beigelegt. Regnet es am Siebenschläfertag, so regnet es 7 Wochen lang.

Eine große Rolle spielt die Siebenzahl in der Märchenwelt. Da sind die 188 7 Schwaben, die 7 Zwerge Schneewittchens, die 7 Geißlein, die 7 Raben, die 7-Meilenstiefel, die 7 Freikugeln des Freischütz. Selbst in den Kinderreimen heißt es: »Wer will schöne Kuchen machen, der muß haben 7 Sachen.« Auch in der deutschen Heldensage, besonders im Nibelungenlied, kommt die Siebenzahl häufig vor, z. B. trägt Alberichs Geißel 7 Knöpfe. 700 Recken der Nibelungen bezwingt Siegfried. Gunter fordert 7 Tage Bedenkzeit, 7 Jahre lebt Kriemhild bei Etzel, 7000 Hunnen kommen zum Fest, Hagen war 7 Jahre alt, als er geraubt wurde.

Sehr häufig kommt die Siebenzahl auch in Ortsbezeichnungen vor wie z. B. in Siebenbürgen, im Siebengebirge bei Bonn, in den 7 Bergstädten des Harzes, bei der Hügelkette der 7 Brüder im Leinetal, bei den 7 Quellen bei Osnabrück usw.

Selbst bis in die Neuzeit hat die Siebenzahl eine besondere Bedeutung behalten. Im alten Deutschen Reich gab es 7 Kurfürsten. Die Dienstzeit im Heer dauert jetzt 7 Jahre und danach noch 7 Jahre in der Landwehr. Der Deutsche Kaiser übernimmt beim 7. Knaben Patenstelle. Der Präsident der Französischen Republik wird für die Dauer von 7 Jahren gewählt.

Im Regenbogen wurden durch Newton 7 Farben unterschieden, bekanntlich Rot, Orange, Gelb, Grün, Hellblau, Dunkelblau, Violett. Man könnte im Regenbogen noch eine größere Zahl von Farben unterscheiden, aber Newton wollte absichtlich deren Zahl auf 7 feststellen.”


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